Die Krim-Krise spitzt sich weiter zu Foto: dpa

Am Montag hat Russland die Krim als unabhängigen Staat anerkannt, eine Entspannung in der Krise ist nicht in Sicht. Gift für viele Unternehmen aus dem Südwesten, die auf gute Geschäfte in Russland bauen.

Am Montag hat Russland die Krim als unabhängigen Staat anerkannt, eine Entspannung in der Krise ist nicht in Sicht. Gift für viele Unternehmen aus dem Südwesten, die auf gute Geschäfte in Russland bauen.

Stuttgart - Die Krim-Krise spitzt sich weiter zu: Nach der Volksabstimmung weitet die Europäische Union ihre Sanktionen gegen Russland aus. Die EU-Außenminister einigten sich am Montag in Brüssel auf eine Liste von 21 Personen, gegen die Einreiseverbote verhängt und deren Konten gesperrt werden. Betroffen seien 13 Russen und acht Spitzenpolitiker der Krim, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Wirtschaftssanktionen könnten schon bald folgen. Und die fürchten die Firmen. Der Landesverband der Baden-Württembergischen Industrie reagiert sehr besorgt auf die Geschehnisse in Russland und der Ukraine. Verbandspräsident Hans-Eberhard Koch fürchtet im Fall von richtigen Wirtschaftssanktionen Exportrückgänge in Milliardenhöhe für die Industrie im Südwesten und in Deutschland. „Die gesamte Konjunktur wird negativ beeinflusst werden. Baden-Württemberg als wichtiger Wirtschaftspartner Russlands wird aber stärker betroffen sein als andere Wirtschaftsräume“, sagte Koch unserer Zeitung. 900 der etwa 6000 deutschen Firmen in Russland kommen aus Baden-Württemberg.

Das Bundesland exportierte 2013 Waren im Wert von knapp fünf Milliarden Euro nach Russland. 33 Prozent aller Warenlieferungen waren Maschinen und 24 Prozent Kraftwagen- und Kraftwagenteile. Importiert wurden aus Russland Waren im Wert von 1,2 Milliarden Euro. Nach Ansicht von Verbandspräsident Koch müssen alle Beteiligten jetzt schnell am Verhandlungstisch zusammenkommen und Flagge zeigen. Wirtschaftssanktionen träfen Deutschland härter als Russland. „Russland hält wirtschaftliche Einbußen besser aus als wir, da es kein solches Wohlstandsniveau hat. Es leidet schon immer unter Einbußen“, sagt Koch.

Der Maschinenbau

Maschinen sind das wichtigste deutsche Exportgut für den russischen Markt. Im vergangenen Jahr exportierten die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer Waren im Wert von 7,8 Milliarden Euro nach Russland. Entsprechend groß ist die Furcht der Branche vor Strafmaßnahmen. „Sollte die EU Sanktionen verhängen, die den Maschinenbau betreffen, würde uns das Hunderte von Millionen kosten“, so Ulrich Ackermann, Leiter der Abteilung Außenwirtschaft beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

Die Autobauer

Der Verband der deutschen Automobilindustrie äußert sich bislang zurückhaltend zur Krim-Krise. Man beobachte die Situation sehr aufmerksam und werde alle Maßnahmen für eine friedliche Lösung unterstützen, heißt es in Berlin. So in etwa reagierten auch die Chefs der großen deutschen Autobauer, wann immer sie in den vergangenen Wochen auf die Lage in Russland angesprochen wurden.

Deutlicher wird da schon der Automobilexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach. „Wenn sich die Krise nicht schnell beruhigt, wird sich das auf den ohnehin schon schwächelnden Markt auswirken.“ Investitionen würden dann auf unabsehbare Zeit schwieriger werden. Russland ist für die Autobauer ohnehin ein unsicheres Terrain. Das Land sollte in naher Zukunft Deutschland als wichtigsten Automarkt in Europa ablösen. Doch das Wachstum bleibt hinter den Erwartungen zurück. Der VW-Konzern etwa verkaufte 2013 in Russland knapp fünf Prozent weniger Fahrzeuge. Er ist unter anderem mit einem großen Werk in Kaluga vertreten. Daimler baut zusammen mit dem Partner Kamaz Nutzfahrzeuge sowie mit dem Automobilhersteller GAZ den Transporter Sprinter.

Die Energie

Der Krim-Konflikt hat auch den Blick auf die deutsche Abhängigkeit von Rohstoffimporten aus Russland gelenkt. „Bis zu 40 Prozent des Erdgases und des Erdöls, das in Deutschland verbraucht wird, stammt aus Russland“, sagt der Energieexperte und Rektor der TU Bergakademie Freiberg, Bernd Meyer. Für ihn ist diese Abhängigkeit derzeit ohne Alternative. Auch deshalb mahnt Meyer im Krim-Konflikt mit Russland zu kühlem Kopf. „Russland ist in den vergangenen 40 Jahren ein verlässlicher Partner gewesen. Das ist für eine exportorientierte Wirtschaft wie der deutschen wichtig.“ Erdöl und Erdgas von anderen Lieferanten zu besorgen brächte hohe Kosten mit sich. „Die Umstellung würde erhebliche Kosten verursachen. Es müssten neue Transportwege, zum Beispiel neue Pipelines, gebaut werden. Das ist teuer.“

Die Landwirte

Auch der Deutsche Bauernverband zeigt sich besorgt. Im Agrarhandel sind Deutschlands bedeutendste Kunden zwar die EU-Länder: 76 Prozent der gesamten Ausfuhren gingen im Jahr 2012 in die EU. Knapp 24 Prozent der Waren exportierte Deutschland aber in Drittländer. Neben den USA und der Schweiz gehört Russland zu den wichtigsten Käufern. Die deutschen Agrarexporte nach Russland lagen 2012 bei rund 1,86 Milliarden Euro. Für die 80 000 deutschen Milchbauern war Russland schon immer ein schwieriger Markt. Bereits vor der Krim-Krise habe das Land viele deutsche Molkereien für den Export gesperrt, sagt Simon W. Schlüter, Referatsleiter Milch. „Russland bemängelt eine schlechte Qualität unserer Milchprodukte. In Wahrheit wollen sie ihren Markt zunehmend abschotten.“

Andere Absatzmärkte müssen sich möglicherweise auch die deutschen Fleischlieferanten suchen. Von den allein 5,5 Millionen produzierten Tonnen Schweinefleisch gingen bislang jährlich rund 182 000 Tonnen nach Russland. Das sind 3,3 Prozent der Gesamtproduktion. Was passiert, wenn ein vermeintlich kleiner Markt wie Russland plötzlich wegfällt, zeigt der momentane Einfuhrstopp gegen die EU. Er wurde vor wenigen Wochen verhängt, weil an der weißrussischen Grenze Fälle von Schweinepest bei Wildschweinen aufgetreten sind. Mit verheerenden Folgen: „Der Preis pro Kilogramm Schlachtgewicht rasselte von 1,59 auf 1,45 Euro in den Keller“, sagt Roger Fechler, Referatsleiter Vieh und Fleisch. Auf das Jahr gerechnet hat der Export nach Russland einen Wert von rund 364 Millionen Euro für die Schweinefleischbranche.