Nach den Angaben von Jürgen Kauth in „De Sensendengler“ lagen 70 tote Pferde in Bad Dürrheims Straßen. Es kamen 19 Einwohner ums Leben und je 34 französische und deutsche Soldaten. Foto: Archiv Jürgen Kauth

Am 2. September 1945 war der Zweite Weltkrieg offiziell zu Ende, am 8. Mai 1945 endete er in Europa. Im April 1945 überschlugen sich die Ereignisse – auch in Bad Dürrheim und für viele waren diese letzten Kriegstage lebensgefährlich und tödlich.

Bad Dürrheim war vor allem Lazarettstadt und blieb von Bombenangriffen verschont. In den Jahren 1944/45 waren in der Kurstadt auch Militäreinheiten stationiert. Doch mussten neben den gefallenen Soldaten vor allem in den letzten Kriegstagen Zivilopfer beklagt werden. Besonders tragisch ist das Schicksal des Mädchens Anneliese Grießhaber, die in den letzten Kriegstagen ihr Leben verlor.

 

Nimmt man die Zeitspanne vom 1. September 1939 bis zum 2. September 1945, als sich die Japaner ergaben, so wütete der Zweite Weltkrieg sechs lange Jahre.

Im Bad Dürrheimer Buch von Lydia Warrle ist das Jagdgeschwader 53, die Jagdfliegergruppe Pik-As und eine Nahaufklärungsgruppe sowie die Verwaltungskompanie 880 genannt. Für die Fliegertruppen gab es am 16. April den Verlegungsbefehl, wegen Bodennebels konnte ein Teil aber erst um 10.30 Uhr des folgenden Tages in Donaueschingen starten. Der Rest musste bis 20. April warten.

Sechs Lazarette

Sechs Lazarette gab es laut dem Buch „Ausweglos...!“ von Hermann Riedel aus dem Jahr 1974. Untergebracht waren hier rund 800 Verwundete und Kranke. Das Pflegepersonal wird mit rund 250 Personen angegeben. Die Lazarette waren das Kurheim Sanatorium (heute Hotel Sure Best Western), das Luisenheim (heute Luisenklinik), das Eisenbahnerheim (heute Vitalklinik Sonnenbühl), das Landessolbad (stand am Ende der Luisenstraße, Aufstieg Hirschhalde, mittlerweile abgerissen), das Hotel Kreuz und das Gasthaus Rössle.

In den letzten Kriegswochen versuchte man demnach am 19. April über die „NS-Frauenschaft“ Mädchen zu mobilisieren, um diese im Schießen auszubilden. Das sorgte für Unruhe in der Bevölkerung, die sich am Tag danach vergrößerte, als am 20. April 1945 der Volkssturm alarmiert wurde.

Männer werden heimgeschickt

Kompanieführer war Metzgermeister Lorenz Fehrenbacher Senior. Den Berichten zufolge waren es zwischen 30 und 40 Mann, die sich zwischen Schule und Kirche einfanden. Sie sollten den Panzergraben bei Schwenningen verteidigen. Fehrenbacher schickte alle wieder nach Hause. Mit Helfern vergrub er anschließend etliche Gewehre, die im heutigen Alten Rathaus lagerten, hinter der Schule. Zusätzlich wurden die Volkssturmkartei, Parteiakten und Meldedaten des Einwohnermeldeamts vor dem Rathaus verbrannt.

Gerüchte am 20. April

Karl Riegger, damals Bürgermeisterstellvertreter, musste sich bei einem SS-Sturmführer dafür verantworten, dass Fehrenbacher die Männer heimgeschickt hatte, ist bei Riedel nachzulesen.

Bereits am 20. April gab es Gerüchte, dass französische Panzer bis Schwenningen vorgedrungen seien. Der Sanitätsobergefreite Max Schadow erklärte dem Oberstabsarzt Robert Schwank, dass er gedenke, den Panzern mit einer weißen Fahne entgegen zu gehen, damit Bad Dürrheim nicht beschossen werde. Was er dann auch tat.

Am Samstag, 21. April 1945, um 8.30 Uhr, so ist es bei Riedel nachzulesen, trafen die Franzosen auf Schadow, er wurde befragt und Bad Dürrheim anschließend vom Arzt Schwank übergeben.

Bühler erschießt sich

Ebenfalls am 22. April versuchte sich der NS-Bürgermeister Georg Bühler abzusetzen. Bereits in Oberbaldingen, wurde er abgefangen und zurückgeschickt. Bühler erschoss sich am 23. April am Waldrand an der Sonnenwirtshalde.

Bedrohliche Lage

So friedlich diese Übergabe verlief, so bedrohlich sollte die Lage nochmals für die Bad Dürrheimer werden. In der Nacht vom Dienstag, 24., auf Mittwoch, 25. April, versuchte die 719. Deutsche Infanteriedivision einen Durchbruch. Am Dienstagnachmittag kam ein Junge aus der Hitlerjugend und berichtete Riegger, in der kommenden Nacht würden die deutschen Truppen kommen. Man nahm ihn nicht ernst. Und so trafen die Truppen auf völlig überraschte und unvorbereitete französische Soldaten, die überrannt wurden.

Feuergefechte in Straßen

Es kam zu einem von allen Soldaten gefürchteten Häuserkampf. Feuergefechte gab es vor allem in der Scheffel-, Bahnhof, Karl- und Luisenstraße. In diesen Stunden wurden fünf Häuser völlig zerstört, 33 den Angaben zufolge teilweise schwer beschädigt. Es kamen 19 Bad Dürrheimer ums Leben, 34 deutsche sowie 34 französische Soldaten.

Das Anwesen Strohmeier Ecke Scheffel-/Schulstraße war eines der Häuser, das in den letzten Kriegstagen in Flammen aufging. Es wurden mehrere Gebäude komplett oder auch teilweise zerstört. Foto: Archiv Jürgen Kauth

Von einem deutschen Panzer wurde nach diesen Augenzeugenberichten das Haus Albert Hauser in der Scheffelstraße in Brand geschossen, ebenfalls der Geräteschuppen des Bäckermeisters Josef Broghammer, auch in der Scheffelstraße. In dessen Haus, so sein Bericht, war im Morgengrauen durch die Schießerei kein Fenster mehr ganz und im Haus flackerten immer wieder Brände auf, die gelöscht werden mussten. In diesen Tagen wurde in der Wurstküche der Metzgerei Fehrenbacher zusätzlich ein Notlazarett eingerichtet.

Café Müller brennt ab

Ein Haus, das in den Tagen danach abbrannte, war das Café Müller in der Huberstraße. Das Café war von den Franzosen kurz nach deren Einmarsch am 22. April beschlagnahmt worden und zu so etwas wie einer Kommunikationszentrale geworden. Die nun einfallenden deutschen Soldaten zerschlugen all deren Gerätschaften.

Es gab zahlreiche Gefangene. Als die Franzosen wieder Herr der Lage waren, wurde das Haus durchsucht. Müller brachte seine Familie wegen der Soldaten im Kurheim unter und am Donnerstag, 26. April, nachmittags wurde sein Anwesen ein Raub der Flammen.

Zeitzeugen befragt

An Löschen war nicht zu denken, da die Wasserleitungen kaputt waren. Müller selbst erklärte, nicht zu wissen, was die Ursache war. Santitäts-Unteroffizier Adolf Pink berichtete in seinem Augenzeugenbericht, dass der Führer der Franzosen, die in der Nacht in dem Haus gefangene genommen und mitgenommen wurden, nach ihrer Rückkehr den Befehl zur Zerstörung des Gebäudes gaben.

Vitrinen im Heimatmuseum

Nach der Beendigung der Kampfhandlungen bekam Ratsschreiber Georg Sickmüller am 26. April von den Franzosen den Befehl, die Pferdekadaver, die in den Straßen lagen - es waren rund 70 – , im Panzergraben bei Schwenningen zu beseitigen.

Andere Zeitzeugen aus Bad Dürrheim erzählen, dass rund um die Kirche St. Johann Benzinkanister von den Franzosen und wahrscheinlich etwas ähnliches wie Phosphorfackeln gelagert waren für die nachrückenden französischen Truppen. Die Deutschen schossen das Depot in Brand und brennender Phosphor floss in die Musel und der Bach „brannte“, erinnert sich Jürgen Kauth, der Vorsitzende des Geschichts- und Heimatvereins im Gespräch.

Es gibt im Heimatmuseum mehrere historische Bilder und Ausstellungsstücke, die den Zweiten Weltkrieg dokumentieren und aus der Stadt stammen. Foto: Wilfried Strohmeier

Er hat in der Vereinszeitschrift „De’ Sensendengler“ vom Februar 2018 über diese Tage in Bad Dürrheim geschrieben. Im Heimatmuseum gibt es zudem mehrere Vitrinen, die sich mit dem Zeiten Weltkrieg befassen. In einer ist das tragische Schicksal von Anneliese Grießhaber beschrieben. Das 15-jährige Mädchen wollte eine Katze von der Straße ins Haus zurückholen. Sie wurde mitten auf der Karlstraße erschossen – es waren die letzten Gefechte in der Stadt in Gange. In einer Vitrine ist die die Puppe des Mädchens ausgestellt.

Im Heimatmuseum befasst sich die Ausstellung in mehreren Vitrinen mit dem Zweiten Weltkrieg, so auch mit dem tragischen Schicksal der jungen Anneliese Grießhaber. Foto: Wilfried Strohmeier

In Riedels Buch ist nachzulesen, dass Glasermeister Josef Isele am Abend des 20. April nochmals den Befehl bekam, den Volkssturm zu alarmieren. Er fuhr mit dem Rad in ein Horn Signal gebend durch die Straßen. Dem Aufruf folgte jedoch keiner.

Ebenso dokumentierte er das Glück, das zwölf Bad Dürrheimer hatten, die am 17. April noch zur 2. Kompanie des mobilen Volkssturmbataillons 287 eingezogen wurden. Dessen Kompanieführer Paul Revellio schickte sie am 20. April wieder nach Hause.