Eine Frau zeigt während einer Gedenkfeier in der großen Imam-Khomeini-Moschee in Teheran ein Bildnis des 2020 im Irak getöteten Qassem Soleimani. Foto: Vahid Salemi/AP/Vahid Salemi

Terroranschläge und Angriffe auf Schiffe im Roten Meer heizen die Lage gefährlich auf. Dabei wollen die Kontrahenten Iran und Israel eine direkte militärische Konfrontation vermeiden.

Wenige Stunden nach dem Terroranschlag im iranischen Kerman stand für die Hamas fest, wer als Hauptnutznießer der Gewalttat ins Visier genommen werden müsse: Israel. Die Bomben von Kerman dienten den Interessen des jüdischen Staates, erklärte die militante Palästinensergruppe, die im Gaza-Streifen gegen Israel kämpft. Auch iranische Politiker gaben Israel die Schuld an dem Tod von mindestens 95 Menschen in Kerman, und Revolutionsführer Ali Khamenei kündigte Vergeltung an. Experten bezweifeln zwar, dass Israel den Anschlag verübte. Doch die Schuldzuweisung an Israel nach den Eskalationen der jüngsten Zeit lässt die Furcht vor einem regionalen Flächenbrand wachsen. Ein Überblick.

 

Die Täter in Kerman brachten nach Berichten iranischer Staatsmedien während einer Gedenkfeier für den im Januar vor vier Jahren getöteten General Qassem Soleimani zwei Taschen voller Sprengstoff zur Explosion. Die ferngezündeten Bomben detonierten im Abstand von 15 Minuten in der Nähe des Friedhofes, wo Soleimani beigesetzt ist.

Nicht Israels Handschrift

Nicht Israels Handschrift

Israels Geheimdienst Mossad hat zwar mehrmals Mordanschläge im Iran verübt, dabei aber immer gezielt Offiziere der Revolutionsgarde oder Experten des iranischen Atomprogramms getötet. Ein Bombenanschlag wie in Kerman gehöre nicht zu Israels Methoden, sagt der Iran-Experte Arash Azizi, Autor eines Buches über Soleimani. Auch die Tatsache, dass keine hochrangige Revolutionsgardisten unter den Opfern seien, spreche gegen eine israelische Verwicklung, sagte Azizi unserer Zeitung. Auch der türkische Iran-Experte Arif Keskin sagte, Israel gehe in seinem Schattenkrieg gegen den Iran ganz anders vor. Azizi, Keskin und die US-Regierung vermuten den Islamischen Staat (IS) hinter der Tat. Der radikal-sunnitische IS hatte bereits im vorigen Jahr und 2022 Bombenanschläge im schiitischen Iran verübt. Soleimani befehligte vor zehn Jahren den Feldzug iranischer Truppen gegen den IS im Irak und hatte großen Anteil an der Vertreibung des IS aus dem Land.

Dass iranische Oppositionsgruppen den Anschlag von Kerman verübt haben könnten, glaubt Keskin nicht. Diese griffen meistens Staatsgebäude und -vertreter an, sagte er unserer Zeitung. Der Anschlag von Kerman habe das iranische Regime aber geschwächt, fügte Keskin hinzu. Teheran preise die Islamische Republik immer als „Insel der Stabilität“ im Nahen Osten. Nun müsse sich die Regierung vorwerfen lassen, die Bevölkerung nicht schützen zu können.

Der Terror von Kerman ist der neue Höhepunkt einer Eskalationsspirale in Nahost, die mit dem Gaza-Krieg im Oktober begann. Zunächst gab es außerhalb von Gaza lediglich Scharmützel zwischen Israel und der Hisbollah an der israelisch-libanesischen Grenze. Dann begannen die iranisch unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen mit Angriffen auf Handelsschiffe im Roten Meer, um die Hamas zu unterstützen. Die Huthis drohen zudem mit Angriffen auf US-Kriegsschiffe in der Gegend; bei einem Gefecht am Neujahrstag tötete die US-Marine zehn Huthi-Kämpfer. US-Außenminister Antony Blinken will in den kommenden Tagen bei einem Besuch im Nahen Osten die Möglichkeiten für eine neue Feuerpause in Gaza sondieren, um die Lage in der Region zu beruhigen.

Iran will Krieg vermeiden

Iran will keinen Krieg

Zur iranisch unterstützten „Achse des Widerstands“ gegen Israel gehören neben den Huthis und der Hisbollah auch das Regime in Syrien sowie pro-iranische Milizen im Irak. Ein israelischer Luftangriff in der Nähe von Damaskus am Ersten Weihnachtstag tötete den iranischen General Sajed Razi Musavi, den wichtigsten iranischen Offizier in Syrien. Am Dienstag starb der stellvertretende Hamas-Chef Saleh al Aruri bei einem mutmaßlichen israelischen Luftschlag in Beirut. Einen Tag später folgte der Anschlag von Kerman. Am Donnerstag starben mindestens vier pro-iranische Kämpfer in der irakischen Hauptstadt Bagdad bei einem Drohnenangriff auf das Hauptquartier ihrer Miliz.

Aus dieser Kette von Gewalttaten sollte aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die Kontrahenten Iran und Israel einen Krieg beginnen wollen, meint Azizi: „Der Iran weiß, dass eine größere regionale Auseinandersetzung reiner Selbstmord wäre.“ Khamenei wolle keine direkte Auseinandersetzung mit mächtigen Staaten wie Israel und den USA. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah ließ nach dem Tod von Aruri durchblicken, dass seine Kämpfer vorerst keinen Großangriff gegen Israel starten werden. Die israelische Armee erklärte, sie konzentriere sich auf den Krieg gegen die Hamas in Gaza.

Doch auch wenn Israel und der Iran kein Interesse an einem neuen Krieg haben, wächst die Gefahr, dass sie wegen der Spannungen um den Gaza-Konflikt in einen bewaffneten Konflikt hineinstolpern. Anschläge wie der von Kerman bergen das Risiko weiterer Eskalationen, meint Azizi: „Die Dinge können aus dem Ruder laufen, obwohl keine der beiden Seiten das will.“