Die Familie ist glücklich, dass sie es bis nach Schiltach geschafft hat. Foto: Rahmann

Svitlana Zahoruiko hat einen langen Weg hinter sich – von ihrer ukrainischen Heimatstadt Chuguev bis nach Schiltach. Zu Heimatverlust und einer risikoreichen Flucht kommt noch hinzu, dass ihre eigenen Verwandten in Russland den Krieg gegen die Ukraine leugnen.

Svitlana Zahoruiko hat selbst russische Wurzeln und stets eine „sehr enge Beziehung mit Russland gepflegt - wir waren jedes Jahr dort“.

 

Als Russland die Ukraine angriff, hatte sie „etwas gegen den Krieg gepostet“ mit dem Ziel, dass ihre Verwandten und Freunde in Russland darauf aufmerksam werden. Einige der Verwandten hatten Mitleid, andere bezogen „sofort eine klare Position: es werden nur militärische Objekte bombardiert.“

Jene, die Mitgefühl hatten, wussten nicht, was sie sagen sollen, so Zahoruiko. Später hätten auch letztere, von der russischen Propaganda erfasst, eine harte Position bezogen: „Ich kann sie überhaupt nicht erreichen – wir sagen, dass wir bombardiert werden und sie glauben uns nicht“, sagt Zahoruiko. „Das ist das Problem im Krieg: die Menschen glauben so sehr, was sie im Fernsehen sehen“, sagt sie.

Ihre Heimatstadt Chuguev, die in der Nähe von Charkiw nahe der russischen Grenze liegt, hatte Zahoruiko als „Kriegsziel Nummer eins gesehen“, da es dort militärische Einrichtungen gab. So ist sie direkt zu Kriegsbeginn zusammen mit ihrer Mutter, ihrem Mann, der kleinen Tochter und ihren vier Katzen in einem kleinen Auto „sofort ausgereist“. Die Familie floh zunächst in die kleine Stadt Kovsharovka. Als sie weiterfahren wollten, waren die Frontlinien schon so gezogen, dass sie „nur über Russland ausreisen konnten“.

Heißen Tee serviert

Vor der Grenze gab es eine riesige Schlange von Autos. Zahoruikos Tochter war zu dem Zeitpunkt zwei Jahre alt. Ihre Familie war davon ausgegangen, in zwei Stunden über die Grenze zu kommen. Sie hatten keine Essensvorräte dabei und sich keine Gedanken um Übernachtungsmöglichkeiten gemacht. „99 Prozent der Leute haben im Auto übernachtet“, sagt Zahoruiko.

Sie selbst wurde mit ihrer Tochter in einem der wenigen Häuser aufgenommen, die es in einem kleinen Dorf in der Nähe der Autoschlange gab. „Ich habe aus dem Haus heißes Wasser und Teebeutel mitgebracht“ und die Wartenden in der Autoschlange damit versorgt, sagt sie. Die Menschen waren gerührt, die Freude über diese kleine Geste war groß.

„Filtration“ an der Grenze

Hunger, Durst, Müdigkeit, keine Toiletten: Insgesamt haben sie vier Tage bis zur Grenze gebraucht, sagt Zahoruiko. Noch unangenehmer als der lange Autostau seien aber die Durchsuchungen an der russischen Grenze gewesen, sagt sie. „Während der Ein- und Ausreise nach Russland haben bewaffnete Leute meinen Mann immer wieder zu Befragungen in ein Zimmer genommen“ – während der Rest der Familie schon Papiere für die Durchreise hatte, musste ihr Mann noch auf seine warten, so Zahoruiko.

Die russischen Militärleute „haben alle privaten Sachen danach untersucht, ob die Besitzer Kontakte zur ukrainischen Armee haben oder die Ukraine in dem Konflikt unterstützen“, sagt Zahoruiko. Dann hieß es im Radio auch noch, dass Lettland die Grenze zu Russland schließen wolle – Angst machte sich bei der Familie breit, nicht mehr aus Russland herauszukommen.

Kein Raketenlärm

Schließlich kamen sie aber doch über die lettische Grenze und schließlich nach Schiltach. In der Flößerstadt ist Zahoruiko „sehr zufrieden: Was wir hier erleben ist wie eine Belohnung für den Weg.“

Die Familie machte auch in Karlsruhe Station. Foto: Privat

Besonders, „dass ich diese Raketen nicht hören muss“, ist eine große Erleichterung für sie: „Ich kann gut einschlafen.“

Dolmetscherin für das Interview war Alexandra Petukhova.