Verteidigungsminister Boris Pistorius ist unangekündigt in die Ukraine gereist (Archivbild). Foto: dpa/Ann-Marie Utz

Bei einer unangekündigten Reise nach Kiew hat Verteidigungsminister Boris Pistorius angekündigt, dass mehr als 100 Leopard-Panzer aus Europa in die Ukraine geliefert werden.

Die Ukraine soll von einer Gruppe mehrerer europäischer Länder mehr als 100 Kampfpanzer des älteren Typs Leopard 1A5 erhalten. Das gab der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Dienstag bei seinem ersten Besuch in Kiew bekannt. Bis zum ersten oder zweiten Quartal 2024 sollten mindestens drei Bataillone der Ukrainer mit solchen Panzern ausgestattet werden.

Der Besuch von Pistorius in Kiew war die erste große Auslandsreise des vor knapp drei Wochen vereidigten Verteidigungsministers. Aus Sicherheitsgründen wurde der Aufenthalt zunächst geheim gehalten. Neben Präsident Wolodymyr Selenskyj traf Pistorius auch Verteidigungsminister Olexij Resnikow. Russlands Angriffskrieg gegen das Nachbarland dauert inzwischen fast schon ein Jahr.

Pistorius sagte, die Leopard-1-Lieferung werde in Etappen erfolgen. Bis zum Sommer sollten 20 bis 25 Panzer geliefert werden, bis Ende des Jahres bis zu 80. Ziel sei, im Laufe des ersten oder zweiten Quartals 2024 auf mehr als 100 zu kommen. Dies bedeute, dass mindestens drei ukrainische Bataillone einschließlich des zu beschaffenden Materials für Ersatzteile und Munition ausgerüstet werden könnten. Zudem habe man mit der Ausbildung von 600 Feldwebeln begonnen.

Weitere Länder beteiligen sich an Lieferung

In einer gemeinsamen Erklärung mit den Verteidigungsministerien der Niederlande und Dänemarks hieß es, dass die beiden Länder sich auch an der Leopard-1-Lieferung beteiligen. „Dänemark, Deutschland und die Niederlande stellen überholte Leopard 1A5 aus industriellen Beständen zur Verfügung“, hieß es. Die Initiative sei offen für andere Länder. Belgien habe erstes Interesse an einer Teilnahme signalisiert.

Das Bundeswirtschaftsministerium genehmigte unterdessen die Ausfuhr von bis zu 178 Kampfpanzern des Typs Leopard 1A5 in die Ukraine. „Wie viele Leopard 1A5 Kampfpanzer tatsächlich an die Ukraine geliefert werden, hängt von den erforderlichen Instandsetzungsarbeiten ab“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Wirtschafts- und des Verteidigungsministeriums. Die Bundesregierung hatte vergangene Woche bereits ihre grundsätzliche Zustimmung zu dem Export gegeben.

Rheinmetall will 2023 bis zu 25 Leopard-1 in Ukraine schicken

Das Düsseldorfer Rüstungsunternehmen Rheinmetall kündigte an, noch in diesem Jahr die ersten 20 bis 25 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1 in die Ukraine zu schicken. Bis Ende 2024 könnten dann die restlichen der 88 Exemplare ausgeliefert werden, über die Rheinmetall verfüge, sagte Vorstandschef Armin Papperger bei einer Konferenz in Berlin. Neben Rheinmetall hat auch die Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft (FFG) Waffensysteme dieses Typs.

Der Leopard 1 ist der erste Kampfpanzer, der für die Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde. Von 1965 bis Mitte der 80er Jahre wurden 4700 Exemplare produziert. Die Bundeswehr hat ihre letzten Leopard 1 bereits vor 20 Jahren ausgemustert.

Die Bundesregierung hatte nach langer Debatte vor zwei Wochen entschieden, der Ukraine auch modernere Leopard-2-Kampfpanzer zu überlassen sowie Verbündeten solche Lieferungen des in Deutschland entwickelten Waffensystems zu erlauben. Auch Schützenpanzer vom Typ Marder und das Flugabwehrraketensystem Patriot sollen an die Ukraine gehen. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland läuft bereits.

Selenskyj dankt Deutschland für Unterstützung

Selenskyj wertete den Besuch als „ein Signal für die Unterstützung der Ukraine“. „Die Ukraine ist sehr an der Unterstützung durch einen der Führer der Europäischen Union – Deutschland – interessiert, besonders in dieser für uns schwierigen Zeit“, wurde Selenskyj in einer Mitteilung seines Präsidialamtes am Dienstagabend weiter zitiert. „Wir sind dankbar für die jüngsten Entscheidungen, für alle Entscheidungen“, betonte er. Die von Pistorius erst später verkündete Panzer-Lieferung wurde in der Mitteilung nicht erwähnt.

Pistorius sagte in Kiew, mit der aktuellen Zusage mehrerer europäischer Länder zur Lieferung der Leopard-1-Panzer verbinde er „den Wunsch und die große Hoffnung, dass auch dieser Beitrag dazu beitragen kann, dass die Ukraine weiter verteidigungsfähig bleibt und dem Angriff standhält“. Der Wille des ukrainischen Volkes, die Heimat zu verteidigen, sei ungebrochen. „Dafür zolle ich Ihnen meine größte Bewunderung“, sagte der Minister bei einem gemeinsamen Auftritt mit seinem ukrainischen Kollegen Resnikow.

Das erhält die Ukraine außerdem bis Monatsende

Es dürfe keinen Zweifel daran geben, dass Deutschland sowie die anderen Partner in Europa und darüber hinaus „auch in Zukunft fest an der Seite der Ukraine stehen werden und wir sie weiter unterstützen werden mit allem, was nötig ist“, sagte Pistorius. Bis Ende des Monats erhält die Ukraine nach seinen Angaben zudem weitere Lenkflugkörper, zudem fünf Gepard-Flugabwehrpanzer und weitere fünf Dachs-Pionierpanzer. Fünf Brückenlegepanzer vom Typ Biber würden im März geliefert.

Angesprochen auf ukrainische Forderungen nach Kampfflugzeugen etwa vom Typ Eurofighter oder Tornado sagte Resnikow, man habe nicht über spezielle Namen oder Marken gesprochen. Pistorius betonte, die erste Priorität bestehe im Moment darin, die Leopard-Panzer zu liefern und einzusetzen sowie vor allem die Luftverteidigungsfähigkeit in der Ukraine zu gewährleisten.

Resnikow zeigte sich erfreut über die angekündigte Panzer-Lieferung. „Es gibt keinen Zweifel - Deutschland steht an der Seite der Ukraine“, schrieb er auf Facebook. Dies sei ein bedeutender Beitrag. „Die Unterstützung ist enorm, es kann nur noch besser werden.“