In der Ukraine gehen die Kämpfe unvermindert weiter. Foto: AFP/FADEL SENNA

In der schwer umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol hat eine Feuerpause begonnen. Noch ist es dem Roten Kreuz aber zu unsicher, um tatsächlich Menschen in Sicherheit zu bringen. Russland stößt weiter auf erbitterten Widerstand.

Russland hat eine Feuerpause für die schwer zerstörte südukrainische Hafenstadt Mariupol verkündet. Die Waffenruhe, mit der die Evakuierung von Einwohnern ermöglicht werden soll, trat am Freitag um 09.00 Uhr MESZ in Kraft. Nach Angaben des Roten Kreuzes war die Lage zunächst aber zu unsicher, um mit der Evakuierung zu beginnen. Die Fluchtwege waren noch geschlossen. In anderen Gebieten der Ukraine gingen die Kämpfe unvermindert weiter. Zudem gilt seit Freitag ein Erlass von Präsident Wladimir Putin, wonach Gas-Importeure westlicher Staaten Konten bei der Gazprombank eröffnen müssen.

Mit der Feuerpause für Mariupol soll ein neuer Versuch gemacht werden, mit internationaler Hilfe Tausende Menschen über einen humanitären Korridor in Sicherheit zu bringen. Ein Sprecher des Roten Kreuzes in Genf sagte jedoch: „Es ist noch nicht sicher, ob das heute stattfinden wird.“ Die Ukraine und Russland hätten zwar zugestimmt, doch müsse noch sichergestellt werden, dass auch die Soldaten in Mariupol entsprechend informiert seien. Außerdem hätten sich beide Seiten noch nicht auf einen Zielort für die Flüchtlinge geeinigt.

Westliche Gaskunden brauchen nun Konto bei Gazprombank

Gas-Importeure westlicher Staaten müssen nun Konten bei der Gazprombank eröffnen, um weiter russisches Gas zu erhalten. Andernfalls will Kremlchef Putin die Lieferungen an „unfreundliche Länder“ einstellen lassen. Nach einem von Putin unterzeichneten Dekret können die Zahlungen jedoch weiter in Euro oder Dollar auf das russische Konto eingezahlt werden. Die Bank tauscht das Geld in Rubel um und überweist es an den Mutterkonzern. Deutschland und weitere Staaten hatten es strikt abgelehnt, in anderer Währung zu zahlen. Die Auswirkungen der geänderten Modalitäten sind noch unklar.

Berichte über militärische Erfolge der Ukraine

Die militärische Entwicklung lässt sich weiterhin nur schwer überblicken. Das britische Verteidigungsministerium teilte unter Berufung auf Geheimdienstquellen mit, ukrainische Streitkräfte hätten zwei Dörfer an einer wichtigen Versorgungsroute zwischen Tschernihiw nahe der belarussischen Grenze und der Hauptstadt Kiew zurückerobert. Ukrainische Truppen eroberten nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen auch elf Siedlungen im südukrainischen Gebiet Cherson zurück.

Beim Vormarsch im Norden der Region sei ihnen zudem schwere russische Militärtechnik in die Hände gefallen, darunter Panzer vom Typ T-64. Nach Angaben des Generalstabs in Kiew konnten russische Einheiten nirgendwo Geländegewinne verzeichnen. Die östliche Großstadt Charkiw werde weiter beschossen, ein Durchbruchsversuch nahe Isjum sei aber gescheitert. Ein russischer Vorstoß im südlichen Gebiet Mykolajiw sei erfolglos gewesen. Im Norden hätten sich einige russische Einheiten zurückgezogen. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Südukraine und Dombass weiter hart umkämpft

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte allerdings Probleme an anderen Fronten ein. „Die Situation im Süden und im Donbass bleibt äußerst schwierig“, sagte der Staatschef. Russland will nach Ansicht des ukrainischen Generalstabs die militärische Präsenz im Süden und Osten der Ukraine aufrechterhalten. Es gebe Versuche, eine Verwaltung in den besetzten Regionen der Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson aufzubauen. Deshalb werde dort mit weiteren Kampfhandlungen gerechnet. Russland hatte mitgeteilt, das Gebiet Cherson vollständig erobert zu haben.

Die ukrainischen Streitkräfte sollen nach russischen Angaben von zwei Hubschraubern aus einen Luftschlag auf ein Öllager in Russland verübt haben. In dem Depot in der Großstadt Belgorod sei es nach dem Angriff zu einem Brand gekommen, teilte der Gouverneur des Gebiets, Wjatscheslaw Gladkow, im Nachrichtenkanal Telegram mit. Auf einem Video war auch ein großes Feuer zu sehen. Belgorod liegt unweit der ukrainischen Grenze. Es habe keine Opfer gegeben, sagte Gladkow. Die Lage sei stabil.

Australische Militärhilfe für die Ukraine

Australiens Premierminister Scott Morrison sagte der Ukraine weiterer militärische Ausrüstung zu. Australien werde der Bitte von Präsident Selenskyj nach Lieferung von Panzerfahrzeugen nachkommen. Auch in Deutschland ging die Debatte um militärische Unterstützung für die Ukraine weiter. In Berlin traf der ehemalige Box-Weltmeister Wladimir Klitschko - Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko - dazu Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Unterdessen entspannte sich die Lage in Kiew nach Angaben des Stadtkommandanten etwas. Die Situation rund um die Hauptstadt verbessere sich, hieß es am Donnerstagabend in einer Mitteilung von General Mykola Schyrnow. Die zivile Infrastruktur werde wiederhergestellt - dies betreffe Unternehmen wie auch Handels- und Dienstleistungseinrichtungen. In den Außenbezirken werde aber weiter gekämpft. Schyrnow rief die Bevölkerung zur Vorsicht auf.

EU-Parlamentspräsidentin auf dem Weg nach Kiew

EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola brach derweil zu einer Reise in die ukrainische Hauptstadt auf. „Auf dem Weg nach Kiew“, schrieb die Christdemokratin im Kurznachrichtendienst Twitter. Mitte März waren schon die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien per Zug nach Kiew gereist. Aus Deutschland halten sich dort die Grünen-Politiker Marieluise Beck und Ralf Fücks auf.

Mehr als 2,4 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine haben sich seit Beginn der russischen Invasion vor mehr als einem Monat ins Nachbarland Polen in Sicherheit gebracht. Allein am Donnerstag seien rund 23 000 Neuankömmlinge abgefertigt worden, teilte der polnische Grenzschutz beim Kurznachrichtendienst Twitter mit. In Deutschland kamen nach Angaben des Innenministeriums bis Freitag mindestens 294 000 Flüchtlinge an. Die Ukraine zählte vor Beginn des Kriegs mehr als 44 Millionen Einwohner.