Margarita, Valentin und ihre Töchter sind vor dem Krieg geflüchtet. Foto: Rudi Fritz

Von der Wohnung bis zu den Behördengängen: Heilbronner Bürger engagieren sich für eine ukrainische Familie mit drei kleinen Mädchen.

Margarita, Valentin und ihre drei kleinen Töchter, geflüchtet aus der Ukraine, leben seit gut einer Woche in Heilbronn. Dass man von „leben“ sprechen kann, erscheint ihnen noch als ein Wunder, auch weil beide tiefgläubig sind. Sie wohnen bereits in einer großen Wohnung und es fehlt nicht am Nötigsten. Eine Gruppe Heilbronner kümmert sich um sie, schneller und effektiver, als es eine Behörde tun könnte. Spricht man mit den beiden, ist das Wort „spasibo“ („danke“) am häufigsten zu hören.

Sie sind seit 2015 verheiratet, Valentin beschreibt seine Familie per Mail, die Übersetzungsfunktion ist die Verständigungsebene, weil beide nur ein wenig Englisch und kein Deutsch sprechen: „Wir haben drei wunderschöne Töchter, Eva, Lisa und Jana. Lisa hat gesundheitliche Probleme. Sie ist geistig behindert und hat Elemente von Autismus. Ursprünglich sollten wir Zwillinge bekommen, aber ein Fötus erfror und nur Lisa wurde geboren.“ Aufgrund dieser Familiensituation durfte er auch ausreisen.

Schüsse auf das Auto der Familie

Nachdem sie den ersten Bombeneinschlag hörten, gaben sie die Hoffnung auf, vom Krieg verschont zu bleiben und machten sich auf die Flucht. Dabei wurde auch auf ihr Auto geschossen, mehr wollen und können sie nicht erzählen. Valentin ist jüdischer Herkunft, das macht es nicht leichter. In Öhringen, einer Zwischenstation, wurde eine ehrenamtliche Helferin auf sie aufmerksam. Sie erzählte ihrer Arbeitgeberin Ulrike D. davon, innerhalb weniger Stunden bildete sich per „WhatsApp“ eine Helfer-Community.

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Niemand von ihnen möchte mit Nachnamen genannt werden, sie wollen sich nicht öffentlich hervor tun. Einer von ihnen ist Khan. Er ist Vietnamese, kam als Flüchtling nach Heilbronn, völlig mittellos, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Für ihn als Eigner einer zufällig leer stehenden großen Eigentumswohnung in bester Lage, war es eine Minuten-Entscheidung, diese zur Verfügung zu stellen: Er wisse, was es bedeutet, Flüchtling zu sein. So wie man ihm seinerzeit geholfen habe, so helfe nun er.

Spendenbox im Friseurladen

Innerhalb eines Tages hatten Ulrike D. und ihr Neffe zwei Kinderwagen für die Jüngsten organisiert, Medikamente, weil sie sich auf der Flucht erkältet hatten, Matratzen, Waschmaschine, Staubsauger und Fernseher. Da hätten sich auch Heilbronner Geschäftsinhaber großzügig gezeigt. Zu den eigenen Aufwendungen schweigen sie. Khan hat eine Spendenbox in seinem Friseurladen aufgestellt, er schließt sein Geschäft, wenn er gebraucht wird, mitunter gleicht es einem Warenlager. Ulrike D. nutzt ihre Garage für Sachspenden. Sie verbringt viel Zeit mit Valentin, Margarita und den Mädchen „mit Lachen, Weinen, Erzählen, Fotos zeigen, Pizza essen, zum besseren Kennenlernen und erfahren, woran es noch fehlt und sie sagt: „Man kann es nicht beschreiben, was man in den Augen dieser Menschen sieht!“

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Zu Wochenbeginn waren in Heilbronn 280 Ukraine-Flüchtlinge registriert, Hallen-Unterkünfte stehen für sie bereit. Sie haben es nicht so gut getroffen wie Valentin und Margarita. Er hat viele Jahre in Odessa gelebt und unter anderem als Journalist gearbeitet. Margarita ist Erzieherin, ihre Eltern blieben in der Ukraine, die Oma ist gehunfähig. Valentins Eltern sind tot. Von seiner Frau sagt er: „Dies ist ihr zweiter Krieg, der erste war 2014, als Russland Kriminelle einsetzte, um Donezk zu übernehmen. Und glauben Sie mir, alle Volksabstimmungen waren nur ein Schwindel, den niemand wollte.“ Beide wollen so schnell wie möglich Deutsch lernen und arbeiten, Valentin gibt zu verstehen: Auch mit seinen Händen.