Die Unfallstelle auf der A 8 bei Möhringen. Foto: Polizei

Verletzte bei verbotener Fahrt auf dem Autobahn-Standstreifen: Ein 20-Jähriger rammt auf der A 8 bei Möhringen ein Streckenkontrollfahrzeug. Der Unfall löst über 60 Kilometer Stau aus.    

Verletzte bei verbotener Fahrt auf dem Autobahn-Standstreifen: Ein 20-Jähriger rammt auf der A 8 bei Möhringen ein Streckenkontrollfahrzeug. Der Unfall löst über 60 Kilometer Stau aus.

Stuttgart - Der 20-jährige Peugeot-Fahrer aus Neuhausen im Enzkreis war sich seiner Sache zu sicher. Auf der A 8 Richtung München hatte sich am Dienstag um 6.35 Uhr auf drei Fahrspuren der Verkehr verdichtet – und diesem Stau wollte er offenbar ein Schnippchen schlagen. Der junge Mann zog auf die Standspur, um rechts an der Kolonne vorbeizuziehen. Verbotenerweise, denn die Standspur war nicht freigegeben.

Etwa 180 Meter vor den Blitzern passierte es. Der 20-Jährige hatte ein Streckenkontrollfahrzeug übersehen, das mit blinkender gelber Rundumleuchte auf der Standspur angehalten hatte. Nahezu ungebremst, so die Polizei, rammt der Peugeot-Fahrer den weißen Mercedes. Der 63-jährige Mitarbeiter des Landesamts für Straßentechnik wurde mit seinem Dienstwagen quer über die Autobahn geschleudert, blieb auf dem linken und mittleren Fahrstreifen liegen.

Der Mann kam mit leichten Blessuren davon. Seine 35-jährige Kollegin erwischte es dagegen weitaus schlimmer. Sie erlitt schwere Verletzungen, musste von der Feuerwehr aus dem völlig zertrümmerten Fahrzeug befreit werden. Auch der Verursacher wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert. „Der Autofahrer hatte auf dem Standstreifen nichts zu suchen“, sagt Polizeisprecher Peter Widenhorn, „der war zu dieser Zeit gesperrt.“ Die Polizei beschlagnahmte den Führerschein des 20-Jährigen.

Im morgendlichen Berufsverkehr kam es zu einem Verkehrschaos. Die Strecke musste wegen Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten bis 8.30 Uhr voll gesperrt werden. Die Blechkolonnen auf der A 8 reichten bis Rutesheim zurück, mehr als 20 Kilometer. Betroffen war auch die A 81: Sowohl von Heilbronn als auch von Singen her kommend gab es über 20 Kilometer Stau.

„Das sind lernende Systeme, die wir ständig weiter optimieren“

Der Unfall wirft erneut ein Schlaglicht auf das Projekt einer vierten Fahrspur zur Stauvermeidung. Im Mai 2013 eingeführt, gibt es vor allem Richtung München immer wieder Probleme. Nach einer Berichterstattung der Stuttgarter Nachrichten im September 2013, in der Probleme an der Anschlussstelle Möhringen aufgedeckt wurden, musste Landesverkehrsminister Winfried Hermann einräumen, dass weitere Optimierungen notwendig seien. Wo sich Fahrer Richtung München und Tübingen in einem gefährlichen Verflechtungsverkehr kreuzen, müsse nachgebessert werden. „Das sind lernende Systeme, die wir ständig weiter optimieren“, so der Minister letzten Herbst.

Wurde anfangs nach starren Zeiten die vierte Spur freigeschaltet, so versuchte es die Straßenverkehrszentrale des Landes mit einem verkehrsabhängigen grünen Licht für die Standspur. Das hatte aber auch seine Tücken – inzwischen wird wieder versucht, regelmäßig zwischen 6.30 und 9.30 Uhr sowie 15.30 bis 18.30 Uhr den Seitenstreifen befahren zu lassen.

Doch von Automatismus ist das Projekt noch weit entfernt. Eigentlich sollen die Mitarbeiter in der Leitstelle über die Verkehrskameras feststellen, ob die Seitenstreifen frei sind. In der Vergangenheit hatten sich immer wieder Fahrzeuge in den Nothaltebuchten befunden. „Jetzt in der Winterzeit gibt es aber das Problem, dass es um 6.30 Uhr noch zu dunkel für die Kameras ist, um alles erkennen zu können“, sagt Axel Bernhard, Sprecher des Regierungspräsidiums Tübingen, das für die Straßentechnik zuständig ist. „Deshalb fährt derzeit sicherheitshalber ein Streckenposten raus, um die Bedingungen zu kontrollieren.“

Auf einer solchen Kontrollfahrt waren die Landesamts-Mitarbeiter unterwegs, um den Standstreifen freigeben zu können. Die Sicherheitsmaßnahme erwies sich als große Gefahr. Der 20-Jährige ist offenbar kein Einzelfall – immer wieder sind Autofahrer im Stau auf der Standspur unterwegs, ohne dass diese freigegeben wäre. Bilder aus der Überwachungskamera, die unserer Zeitung vorliegen, dokumentieren diese verbotenen Fahrten.

„Es wird festgestellt, dass vor allem in der Übergangszeit immer wieder mal der eine oder andere länger die Spur benutzt“, bestätigt Edgar Neumann, Sprecher des Verkehrsministeriums, das Phänomen. Gleichwohl gebe es durch die Standspur-Freigabe „keine signifikante Häufung von Unfällen“. Trotz der Karambolage am Dienstag könne man feststellen: „Die Autofahrer haben sich inzwischen stärker daran gewöhnt.“