Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat klare Vorstellungen, wer in Deutschland bleiben darf und wer nicht. (Archivfoto) Foto: dpa

Nach den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht in Köln ist auch Ministerpräsident Kretschmann für ein hartes Durchgreifen. Straffällige Flüchtlinge hätten ihr Bleiberecht verwirkt. Auch in Stuttgart hatte es Übergriffe gegeben.

Stuttgart - Nach den Silvesterangriffen auf Frauen zeigt sich die grün-rote Landesregierung offen für mögliche Gesetzesverschärfungen. Mit Blick auf Flüchtlinge unter den mutmaßlichen Tätern sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart: „Wer straffällig geworden ist, hat sein Bleiberecht verwirkt. Soweit gesetzliche Änderungen dazu notwendig sind, wird sich die Landesregierung dem nicht verschließen.“ Grundsätzlich müssten Straftäter abgeschoben werden - es sei denn, es drohe ihnen in ihrer Heimat Folter oder Tod. CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf warf Kretschmann Wahltaktik vor.

Ohne konkret zu werden, zielte der grüne Regierungschef in dieselbe Richtung wie die schwarz-rote Bundesregierung, die nach den Worten von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) anstrebt, Ausländer bei sexuellen Übergriffen und anderen Straftaten leichter abzuschieben. Nach der Grundsatzeinigung beider Bundesminister sollen entsprechende gesetzliche Regelungen schnell auf den Weg kommen, hieß es am Dienstag in Berlin.

Videoüberwachung in Leas

Kretschmann sagte, es handele sich bei diesen Straftaten aus der Silvesternacht etwa in Köln um eine „neue Qualität“. Davor müsse die Bevölkerung geschützt werden. Umgekehrt müsse es aber auch Schutz für Flüchtlinge vor dem „rechtsradikalen Mob“ geben.

Kretschmann kündigte an, dass in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge eine flächendeckende Videoüberwachung eingeführt werde. Allein reisende weibliche Flüchtlinge sollen getrennt von alleinstehenden männlichen Flüchtlingen untergebracht werden, um sie vor möglichen sexuellen Übergriffen anderer Asylbewerber zu schützen. Ethnische Gruppen würden voneinander getrennt, wenn es untereinander Konflikte gebe.

In der Silvesternacht hatten sich am Kölner Hauptbahnhof nach Angaben der Polizei aus einer Menge von rund 1000 Männern heraus kleinere Gruppen gelöst, die vor allem Frauen umzingelt, begrapscht und bestohlen haben sollen. Mehrere Tatverdächtige sind laut Polizei ausländischer Herkunft. Auch in Stuttgart gab es Zwischenfälle. Die Polizei geht mehr als 30 Anzeigen nach. Bei allen geht es um sexuelle Belästigung, bei einigen auch zusätzlich um Diebstahl.

Gall legt Maßnahmenkatalog vor

Die Vorfälle könnten nicht als kulturelle Missverständnisse oder vorübergehende Entgleisungen abgetan werden, sagte Kretschmann. „Hier stehen schwere Straftaten im Raum, die mit der Härte des Gesetzes geahndet werden müssen.“ Er will darauf dringen, dass Asylanträge von Flüchtlingen aus Nordafrika vorrangig bearbeitet werden. „Es ist augenscheinlich, dass von dort problematische Gruppen zu uns ins Land kommen.“ Menschen aus den Maghreb-Staaten hätten eine sehr geringe Chance, als Asylbewerber anerkannt zu werden. Es gebe Erkenntnisse, dass junge Männer aus Nordafrika syrische Frauen sexuell belästigten. Solche Übergriffe führten wiederum zu Auseinandersetzungen zwischen syrischen Männern und zum Beispiel algerischen Asylbewerbern.

Innenminister Reinhold Gall (SPD) hatte nach den Zwischenfällen in Köln einen Maßnahmenkatalog vorgelegt: Er sieht unter anderem eine verstärkte mobile Videoüberwachung vor. Die Polizei werde nun auch konsequenter Platzverweise durchsetzen, kündigte der Ressortchef an. Außerdem soll das Landespolizeipräsidium ein Gesetz zur Einführung von Schulterkameras erarbeiten - allerdings zunächst nur als Vorlage für die nächste Landesregierung. Vor der Landtagswahl am 13. März schafft es der Entwurf nicht mehr durch den Landtag.

Wolf: Jetzt mimt Kretschmann den Hardliner

CDU-Spitzenkandidat Wolf kritisierte, Kretschmann gebe acht Wochen vor der Landtagswahl den Hardliner. „Er fordert jetzt etwas, das er jahrelang verhindert hat.“ FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und FDP-Justizexperte Ulrich Goll warfen der Landesregierung vor, nur auf öffentlichen Druck hin Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit zu ergreifen. Er erwarte mit Spannung, wie sich Kretschmann zu Forderungen nach der Wiedereinführung der Residenzpflicht für Flüchtlinge und die Anerkennung von nordafrikanischen Staaten als sichere Herkunftsländer positioniere, sagte Rülke. In solche Länder können Flüchtlinge leichter zurückgeschickt werden. Das Konstrukt der sicheren Herkunftsländer ist innerhalb der Grünen aber höchst umstritten.