Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Promenadenabschnitt “Bund“ in Shanghai vor der Skyline der Stadt. Kretschmann hat an der renommierten Tongji-Universität in einer „Grndsatzrede“ zum Thema Menschenrechte gehalten. Foto: dpa

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat auf seiner China-Reise deutliche Worte für die Bürgerrechte gefunden: Zwar warb er für die Wirtschaftskooperation mit Baden-Württemberg, mahnt aber mehr Meinungsfreiheit und Bürgerrechte an.

Shanghai - Der Aufbau einer innovativen Wirtschaft in China erfordert nach Überzeugung von Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann mehr politische Freiheit. „Kreativität braucht Freiheit“, sagte der Grünen-Politiker am Freitag bei seiner einwöchigen China-Reise in Shanghai in einer „Grundsatzrede“ an der renommierten Tongji-Universität. „Die Freiheit der Bürger, sich frei und gleichberechtigt zu entfalten, sich miteinander zu verständigen, ihre Meinung frei zu äußern und zu verbreiten, ist für eine zukunftsorientierte Gesellschaft meiner Ansicht nach unerlässlich.“

Nach Peking und den Partnerprovinzen Liaoning sowie Jiangsu ist die ostchinesische Hafenmetropole die vierte und letzte Station der Reise des Ministerpräsidenten und seines Vize, Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD), mit einer 120-köpfigen Delegation durch China. Im Mittelpunkt steht der Ausbau der Kooperation besonders bei umweltschonenden Technologien. 1300 Unternehmen aus Baden-Württemberg sind in China tätig.

Im Südwesten verdient man mit Umweltschutz Geld

Auf einem Fachsymposium empfahl Kretschmann die im Maschinenbau oder in Umwelttechnologien führenden Unternehmen aus dem Südwesten als Partner: „Mit Umweltschutz Geld zu verdienen, ist für uns kein Widerspruch“, sagte Kretschmann. Das Forschungsinstitut für Kraftfahrtwesen und Motoren in Stuttgart vereinbarte mit der School of Automotive Studies der Tongji-Universität eine engere Zusammenarbeit.

Shanghais Bürgermeister Yang Xiong begrüßte bei einem Treffen mit Kretschmann eine stärkere Zusammenarbeit. Es passe in den Plan der führenden Wirtschaftsregion, Shanghai zu einen internationalen Zentrum für Hochtechnologie und Innovation zu entwickeln. China strebe auch mit dem neuen Fünf-Jahres-Plan, den das Zentralkomitee diese Woche berät, einen Strukturwandel zu modernen Industrien an, die weniger Ressourcen verbrauchten.

Bürgerrechte und Meinungsfreiheit notwendig

Für eine innovationsgetriebene Wirtschaft seien allerdings Bürgerrechte und Meinungsfreiheit notwendig, mahnte Kretschmann in seiner Rede an der traditionsreichen Universität, die 1907 aus einer vom deutschen Generalkonsul gegründeten Medizinschule hervorgegangen war. Innovation kann sich nur „von unten her entwickeln“, mahnte der Grünen-Politiker. „Nur wo Fragen gestellt werden dürfen, nur wo dem Denken keine Grenzen gesetzt sind, nur wo auch Visionen nicht von vornherein verworfen werden, kann wirklich Neues und Bahnbrechendes entstehen.“

Nachhaltigkeit sei nicht nur eine Frage von Technologie und Ökonomie: „Sie hat auch viel zu tun mit unseren inneren Einstellungen, mit unseren Werten, unserer Ethik und unserem Sozialverhalten“, sagte Kretschmann in der Rede vor Professoren, Studenten sowie Umwelt- und Deutschlandexperten. Vor dem Hintergrund der scharfen Kontrolle von regierungsunabhängigen Organisationen in China, die in der Kommunistischen Partei häufig als Gefahr für ihren Machtanspruch gesehen wird, betonte Kretschmann, er habe „großes Vertrauen in die Zivilgesellschaft“.

Einsatz für konkrete Menschenrechtsfälle

„Mein Menschenbild ist das des Bürgers, der seine Verantwortung in Freiheit und seine Freiheit verantwortlich wahrnimmt.“ Zwar habe der chinesische Philosophen Konfuzius gelehrt, dass Freiheit erst durch Ordnung entstehe, doch muss diese nach Kretschmanns Überzeugung „auf der Würde des Menschen und auf den grundlegenden Menschenrechten“ beruhen. Wie aus der Delegation verlautete, hat sich der Ministerpräsident auf seiner Reise auch für konkrete Menschenrechtsfälle eingesetzt.

Er sprach konkret den Fall der wegen angeblichen Geheimnisverrats für sieben Jahre inhaftierten chinesischen Journalistin Gao Yu an, die auch für die Deutsche Welle gearbeitet hatte. Ihre Familie beschreibt den Gesundheitszustand der 71-Jährigen als schlecht. Auch plädierte der Ministerpräsident für die Freilassung von zwei Anwälten, die sich für Aktivisten eingesetzt hatten, wie aus der Delegation berichtet wurde.