Die Fälle depressiver Patienten haben in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen. Foto: yolya_ilyasova - stock.adobe.com

Fälle depressiver Patienten haben in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen. Schon Spaziergang kann helfen.

Kreis Rottweil - Dieser Winter hat es in sich. Glaubt man den Statistikern, so haben wir den trübsten Januar seit 70 Jahren erlebt. Und der Februar ist bisher nicht wirklich besser. Aber was für die einen ein kurioser Rekord ist, bringt andere aus dem seelischen Gleichgewicht.

Es ist schon deprimierend. Man schlägt morgens die Augen auf und es ist trüb und dunkel. Man hört Autos durch den Regen zischen oder es rumpelt sogar der Schneeräumer vorbei. Die Laune ist mies und wird sich den Tag über voraussichtlich kaum bessern. Selbst robuste Naturen sehnen sich nach Sonne und einem Hauch Frühling. Dies ist allerdings noch kein Grund zur Beunruhigung. Der Winter-Blues kann jeden treffen. Die schlechte Laune ist lästig, aber noch weit entfernt von einer echten Depression.

Gleichwohl haben die Fälle depressiver Patienten in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen. Dies bestätigt Frank Wehinger, Pressesprecher der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg auf Anfrage. Die Zahlen sind alarmierend genug. Bei rund 9440 AOK-Versicherten im Kreis Rottweil haben Ärzte im Jahr 2015 eine Depression diagnostiziert. Fünf Jahre vorher waren es noch rund 7420. Zahlen, die durchaus aussagekräftig sind, denn rund die Hälfte der Bevölkerung des Landkreises sind nach Angaben der Krankenkasse bei der AOK versichert.

Besonders stark ist die Zahl der Männer mit einer Depression gestiegen. Zwischen 2011 und 2015 betrug die Zunahme 42 Prozent, so die AOK. Aber nach wie vor sind mehr Frauen als Männer betroffen, ihr Anteil liegt bei diesem Krankheitsbild bei fast 70 Prozent. Ältere neigen eher zu einer depressiven Erkrankung als Jüngere, dennoch liegt der Anteil der unter 35-Jährigen bei rund zehn Prozent der Patienten. Und die Dunkelziffer ist hoch. Nach Schätzung der Experten werden 25 bis 30 Prozent der Depressionen nicht diagnostiziert.

Paula Hezler-Rusch, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in Konstanz und Vorstandsmitglied der Landesärztekammer, kann allerdings eine Zunahme der Patienten in den vergangenen trüben Wochen in ihrer Praxis nicht bestätigen. Auch sieht sie die dunkle Jahreszeit nur bedingt als Auslöser einer Depression. Sicher gebe es saisonale Depressionen, aber eben auch im Sommer, stellt sie im Gespräch mit unserer Zeitung klar.

Auch Birgit Imdahl, Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin in Rottweil kann eine Steigerung der Fallzahlen für die Region und die Stadt nicht bestätigen. Grundsätzlich sollte allerdings, so Imdahl, zwischen einer Depression als Krankheit und einem "Winterblues" als Folge von geringer Sonneneinstrahlung unterschieden werden. Es treffe zu, dass Sonnenlicht die Stimmung hebe, so dass davon auszugehen sei, dass sich in trüben Jahreszeiten mehr Menschen insgesamt etwas weniger aktiv und leistungsstark fühlten. Aber auch ganz "normale" Depressionen könnten in Herbst und Winter regelhaft gehäuft auftreten. Ob die Tallagen im Kreis Rottweil mit ihrer früheren Dunkelheit einer Depression Vorschub leisten, lasse sich allerdings nicht belegen, so Imdahl.

Die Krankheit könne vielfältige Ursachen haben. Um in eine depressive Periode zu geraten, spiele vieles mit. Die soziale Umgebung, die eigene Lebensführung, aber auch negative Erfahrungen könnten eine Depression begünstigen, betont Paula Hezler-Rusch. Zahlreiche Symptome könnten auf eine Depression hindeuten. Sie nennt hier beispielhaft Schlaflosigkeit, Ängste, ständiges Grübeln und die Vernachlässigung sozialer Kontakte bis hin zu einer allgemeinen Hoffnungslosigkeit. Eine Depression könne aber auch vielfältige körperliche Gründe haben.

Wenn mehrere solcher Symptome länger anhielten, beispielsweise mehr als zwei Wochen, sei es ratsam, sich mit jemanden zusammenzusetzen, um die eigene Situation zu analysieren, rät sie. Der vertraute Hausarzt könne die erste Anlaufstation sein. Der kenne den Patienten gut und könne einschätzen, ob etwas nicht stimmt. Unterschätzen dürfe man die Symptome nicht. Mancher trage eine "hohe Krankheitslast" und benötige Hilfe. Potenziell sei eine Depression eine gefährliche Krankheit, warnt die Ärztin. Gegebenenfalls verweise der Haus- dann an einen Facharzt.

Aber so weit muss es nicht kommen. Wer seine Lebensführung entsprechend ausrichte, könne eine leichte Depression oder einen Winterblues durchaus bekämpfen.

Birgit Imdahl hat festgestellt, dass sich die Stimmung der Betroffenen in der Regel im Frühjahr oder bei intensiverer Sonneneinstrahlung, beispielsweise beim Winterurlaub in den Bergen oder im Süden wieder aufhelle. Bei leichteren Fällen mache sich dieser Effekt bereits bei längerem Verweilen an der Sonne und an der frischen Luft bemerkbar.

Ein Solarium tue manchem gut, nütze aber nichts, wenn es nur UV-Licht ausstrahle, da werde man nur braun. Tageslichtlampen könnten manchmal einen Nutzen bringen. Bei einer Leistung von 2000 Lux müsse man jedoch zwei Stunden davor sitzen bleiben. Erst bei 10 000 Lux reichten 30 Minuten pro Tag.

Hezler-Rusch empfiehlt unter anderem eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung. Eine Mär sei der Genuss von Schokolade, um die Laune zu heben. Man müsse eine solche Menge essen, dass es schon wieder gesundheitsschädlich sei, stellt sie fest. Dringend rät Hezler-Rusch davon ab, zu versuchen, sich die Welt mittels Alkohol schöner zu trinken, oder sich mit Cannabis helfen zu wollen. Dies bewirke das Gegenteil.

Am wichtigsten sei in ihren Augen in einer depressiven Phase "ein Leben jenseits der Fensterscheibe". Spaziergänge an der frischen Luft, auch wenn der Himmel bedeckt sei, wirkten einer Depression entgegen. Und die Ärztin rät, gerade in einer solchen Phase unter Menschen zu gehen und soziale Kontakte zu pflegen.

Weitere Informationen: Betroffene sollten sich zunächst an den Hausarzt wenden, der gegebenenfalls an einen Facharzt verweist. Ein weiterer Ansprechpartner, auch für die Angehörigen Betroffener, ist der Sozialpsychiatrische Dienst des Vincent-von-Paul-Hospitals in Rottweil unter Telefon 0741/ 24 10.