Vöhringen - "Mir platzt der Kragen" heißt es in einem Leserbrief unserer Zeitung. "Mir ist er längst geplatzt", sagt Andreas Haberer, Inhaber des Mühlbachhof in Vöhringen-Wittershausen.

Am Montag trafen sich Landwirte und zugleich Mitglieder der Organisation "Land schafft Verbindung – Wir rufen zu Tisch" (LSV) aus den Landkreisen Freudenstadt, Rottweil und Schwarzwald-Baar auf dem Mühlbachhof, um Stellung zu beziehen.

"Wir sind nicht unschuldig, aber wir sind es nicht alleine"

Kritiker der konventionellen Landwirtschaft behaupten, dass diese das Grundwasser in Deutschland mit Nitraten durch Überdüngung und mit Antibiotika aus der Massentierhaltung verseuche. Haberer äußert, dass, immer in der Ausnahme der schwarzen Schafe, die es überall gebe, sie als Landwirte die modernste Technik nutzen. "Das läuft alles nach deutschem Recht, wir werden überwacht und regelmäßig kontrolliert. Außerdem kosten Dünger sowie Pflanzen- und Insektenschutzmittel viel Geld – warum sollten wir mehr machen als wir müssen?"

Was sie nicht verhindern könnten, seien Starkregenfälle, die gedüngte Felder abschwemmten. Gerade Überschwemmungen würden durch zu kleine Kläranlagen oder auch undichte Kanäle verursacht. Auch Hausgärten oder Fußballfelder werden oft überdüngt, meint Beate Beilharz, Mitglied der LSV, da sage aber niemand etwas.

Antibiotika werde ebenfalls nur eingesetzt, wenn nötig, wirft Haberer ein. "Ist ein Tier krank, holen wir einen Tierarzt, der uns das Medikament verschreibt." Es baue sich im Organismus der Tiere auch wieder ab. Zudem gebe es Wartezeiten, die eingehalten werden müssten, bis diese geschlachtet werden dürften. "Was ist mit Krankenhausabwässern und Menschen, die Rückstände von Antibiotika oder der Antibabypille in ihren Ausscheidungen haben?", sagt Haberer. "Wir sind nicht unschuldig, aber wir sind es nicht alleine."

"Wer will noch diesen Beruf erlernen?"

Des Weiteren wird den Landwirten vorgeworfen, jahrelang Subventionen kassiert und Berge an Lebensmitteln wie Obst produziert zu haben. "Wir handeln aus reiner Profitgier?", sagt Manfred Haas, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Rottweil. "Uns geht der Nachwuchs aus, weil wir kein Geld mehr verdienen, bereits im Kindergarten wird über den Beruf der Eltern gelacht. Wer will da noch diesen Beruf erlernen?"

Oft seien es die Generationen, die das Erbe übernehmen und die Landwirtschaft weiter ausübten. Aber das sei eine Berufung und Leidenschaft, kein Beruf. "Wie würde ein Frühstück ohne Landwirte aussehen? Ziemlich mager", schildert Haas. Hinter jedem Ei, Brot, Milch oder Fleisch stehe ein Landwirt. "Wir sind Unternehmer und wollen Geld verdienen wie jeder andere auch." Das Image der Bauern sei am Boden, meint Haberer, dabei arbeiten sie 365 Tage im Jahr und das für die Bevölkerung. "Die Standards in Deutschland werden immer höher, aber wir können sie nicht für umme erfüllen." Ein Kalb sei nicht mal mehr zehn Euro Wert.

Importüberschuss muss laut dem LSV deutlich reduziert werden

Zudem berichtet Haberer, dass die Überproduktion an beispielsweise Obst oder Fleisch nicht aus Deutschland komme. "Ich gehe in den Supermarkt und sehe Obst, Gemüse oder Billigfleisch aus dem Ausland", ergänzt Beilharz. "Wir haben Standards, an die wir uns in Deutschland halten müssen, importieren aber Massen aus Ländern, die keinerlei dieser Vorgaben haben." In Deutschland habe man nur 30 Prozent Selbstversorgung, der Rest komme aus dem Ausland, schildert Beilharz. "Man sollte mit uns reden und nicht über uns. Dann wäre die Akzeptanz von uns vielleicht wieder größer."

Unter anderem wird behauptet, dass Landwirte Tiere quälen würden. "Schwarze Schafe gibt es immer, aber es kann nicht alles auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werden", sind sich Haberer, Beilharz, Haas und viele andere einig. "Manchmal weiß ich nicht, ob Leute wissen, woher Fleisch kommt. Ein Tier muss getötet werden. Das ist für keinen von uns leicht. Wir ziehen das Tier groß, aber dazu gehört auch, es zu schlachten."

Schlimmer sei es, dass immer mehr Menschen für wenig Geld Fleisch essen wollen und dafür lieber in den Supermarkt als zum heimatlichen Metzger gehen, der die Tiere artgerecht halte. "Wir quälen Tiere?", fragt Haas. "Woher das Billigfleisch kommt und wie die Tiere dort gehalten werden, interessiert keinen." Das Problem sei hier der Importüberschuss, es sollte laut der LSV deutlich reduziert werden und Standards müssten für alle einheitlich gelten. "Wir haben viel falsch gemacht und es ist viel falsch gelaufen, aber wir haben uns auch verbessert", erklärt Haberer.

Kommentar: Alles für umme

Von Julia Stapel

Bauern sind profitgeil. Tierquäler. Schuldig an der Grundwasserverseuchung und Lebensmittelüberproduktion. Mit diesen Vorwürfen sehen sich Landwirte immer stärker konfrontiert. Geäußert von vermeintlichen Stadtkindern und Veganern, die es übertreiben mit ihrer Sicht auf die Ernährung. Von jenen schikaniert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. 365 Tage Arbeit. Keine zehn Euro für ein Kalb – arbeiten für umme. Wer will so einen Job noch ausüben? Kein Mensch! Wir haben uns viel zu sehr daran gewöhnt, dass das Image der ausgebildeten Fachkräfte, die ihre Berufung seit Generationen leidenschaftlich ausüben, mit Füßen getreten wird. Diese Bauern wissen sich jetzt nur noch mit Demonstrationen auf ihren Traktoren als Hilfeschrei zu wehren. Dabei sorgen sie für gesundes Essen, für Brot, Milch, Ei, Wurst und Gemüse. Und zwar für alle.