Wo Polizeiposten geschlossen wurden, gingen die Einbruchszahlen nach oben. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des ZEW. Die Polizei sieht das anders. Foto: Seeger

Aktuelle ZEW-Studie untersucht negative Auswirkungen früherer Reformen.

Kreis Rottweil - Bekommt die gefühlte Wahrheit Unterstützung von der Wissenschaft? Eine aktuelle ZEW-Studie sagt im Kern: Wo im Land Polizeiposten geschlossen wurden, gibt es mehr Diebstähle und Wohnungseinbrüche. Die Behörde widerspricht.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsförderung (ZEW) mit Sitz in Mannheim lässt in diesen Tagen aufhorchen. Laut einer aktuellen Studie des ZEW habe die Polizeireform, die vor Jahren zur Schließung von 40 Prozent der Polizeiposten geführt habe, die Diebstahlquote nach oben schnellen lassen. Den Wissenschaftlern des ZEW zufolge seien die Bereiche Autodiebstahl sowie Wohnungs- und Kellereinbrüche in den Gemeinden um zwölf bis 17 Prozent gestiegen, bei Motorraddiebstählen sei eine Zunahme von acht Prozent zu verzeichnen.

Die Studie führt auch aus, dass die Reform keinen Einfluss auf die Kriminalitätsrate insgesamt sowie auf Kategorien wie Gewaltverbrechen gehabt habe. Laut ZEW basiere die Studie auf Daten zu Standorten von Polizeiposten vor und nach der Reform aus den Jahren 1990 bis 2011 in Baden-Württemberg. Die ZEW-Wissenschaftler hätten dazu 167 Schließungen von Polizeistationen und damit einhergehende Dienstortverlegungen der Polizisten auf die verbleibenden Polizeistationen untersucht.

Örtliche Polizeipräsenz in den Gemeinden reduziert

Die Schließung lokaler Polizeiposten habe die örtliche Polizeipräsenz in den Gemeinden reduziert und die Entfernung zu der nächstgelegenen Station erhöht. Kriminelle verlagerten durch die geringere Polizeipräsenz ihren Fokus vom Diebstahl von Gütern mit typischerweise niedrigem Geldwert, wie beispielsweise Fahrrädern, auf den Diebstahl hochwertigerer Güter wie Autos. Eine größere Entfernung zu örtlichen Polizeidienststellen bewirke eine Verhaltensänderung bei Kriminellen und beeinträchtige die abschreckende Wirkung von Strafverfolgung, so die Wissenschaftler.

Die Polizei in Tuttlingen widerspricht. Deren Sprecher Michael Aschenbrenner erläutert auf Anfrage unserer Zeitung: "Sowohl im Dienstbezirk der früheren Polizeidirektion Konstanz als auch jetzt beim Polizeipräsidium in Tuttlingen sind die kleineren Gemeinde (Standorte von kleineren Polizeiposten – nur die waren von den Schließungen betroffen) von Kriminalität geringer belastet." Die Häufigkeitszahlen (Straftaten auf 100.000 Einwohner) seien in den größeren Städten und Gemeinden ab 10 000 höher, ausgenommen natürlich Sonderfaktoren (etwa Serienstraftaten) die grundsätzlich zu einer gewissen Verzerrung der Statistik führten. "Die Aussage ›Auf dem Land lebt es sich sicherer als in der Stadt‹ hat seine Gültigkeit nicht verloren – bezogen auf die Kriminalitätsstatistik."

Aschenbrenner führt weiter aus: "Während des Zeitraums der Postenschließungen 2005/2006 war ich Pressesprecher bei der Polizeidirektion Konstanz. In den Folgejahren kam es dort nicht zu erhöhten Einbruchszahlen, vielmehr gingen die Zahlen 2008 auf einen historischen Tiefstand und stiegen erst ab 2010 leicht an."

Vermehrte Wohnungseinbrüche verunsicherten vor Jahren die Bevölkerung. Seit 2015, berichtete die Polizei zu Beginn des Jahres in einem Gespräch mit unserer Zeitung, liege der Schwerpunkt ihrer Arbeit beim Wohnungseinbruchsdiebstahl. Das Polizeipräsidium in Tuttlingen hat dafür die Besondere Aufbauorganisation Wohnungseinbruch – kurz BAO – eingerichtet. Das Ergebnis laut Polizeipräsident Gerhard Regele: Die Einbrüche gingen 2017 im Bereich des Polizeipräsidiums um fast 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück und sind damit auf dem niedrigsten Niveau seit 34 Jahren. Im Landesdurchschnitt gingen die Wohnungseinbrüche um 24 Prozent zurück. Aufgeklärt wurden 106 Wohnungseinbrüche.