Kreis Rottweil/Schwarzwald-Baar-Kreis - Die Staatsanwaltschaft Konstanz hat Anklage gegen elf Männer italienischer Staatsangehörigkeit und Herkunft wegen Drogenhandels und weiterer schwerer Straftaten erhoben, darunter auch versuchter Mord. Das ist das Ergebnis der Razzia, die im vergangenen Sommer stattgefunden hat.

Die mittlerweile zugestellte Anklageschrift listet der Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft zufolge auf 117 Seiten 54 Tatvorwürfe auf. Im Mittelpunkt steht ein lukrativer Rauschgifthandel in großem Stil, den die zwischen 25 und 52 Jahre alten Angeschuldigten von Ende 2013 an bis Mitte 2017 betrieben hätten.

Der Ermittlungserfolg ist das Ergebnis einer konzertierten Aktion deutscher und italienischer Strafverfolgungsbehörden. Die aufwendigen Ermittlungen, die auf einen Hinweis der Guardia di Finanza in Palermo zurückgingen, waren von Beginn an durch die enge Zusammenarbeit mit den italienischen Stellen geprägt, betonen Polizei und Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen erbrachten Bezüge zur sizilianischen Cosa Nostra und zur kalabrischen ’Ndrangheta.

Ex-Gastronom aus Rottweil steht im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt: Der Rottweiler Ex-Gastronom und Betreiber der Stadiongaststätte Placido A., italienischer Staatsbürger und einst in Tuningen wohnhaft, sowie sein 48 Jahre alter Landsmann und Kompagnon, der im Raum Donaueschingen die Geschäfte führte. Sie sollen die Köpfe einer international agierenden Bande sein. Sie verfügten wohl über gute Kontakte zum Mafia-Clan in Palermo. Sie agierten selbst wie eine Mafia-Organisation.

Einschüchterungsversuche wie jener im Mai auf einen Gaststättenbetreiber in Hüfingen, als mitten in der Nacht Schüsse in das Lokal abgefeuert wurden, gehörten dazu. Dabei wurde billigend in Kauf genommen, einen oder mehrere Menschen zu töten, so der Vorwurf der Ermittler. Tatsächlich blieben die beiden in der Gaststätte befindlichen Personen unverletzt. Diese Schießerei wird jetzt als Mordversuch gewertet.

Kaschiert wurden das kriminelle Vorgehen durch die bürgerliche Existenz in Familien, mit denen die Anführer der Bande seit Jahren in Deutschland leben. Eine Gaststätte in Rottweil, ein Restaurant in Schwenningen, ein Modegeschäft in Donaueschingen. Das war die Fassade. Die des aufrichtigen Geschäftsmanns und fleißigen Gastronoms, die sich die Angeklagten in den Kreisen Rottweil und Schwarzwald-Baar aufgebaut hatten. Dahinter ging es protzig und höchst kriminell zu.

Insgesamt vier Hauptangeschuldigte sollen den Handel initiiert und kontrolliert, drei weitere sich an den Geschäften in unterschiedlicher Weise beteiligt haben. Vier restliche Angeschuldigten seien in großem Umfang weiterverkaufende Abnehmer der Rauschgiftbande gewesen.

Millionengewinne aus Drogengeschäften beschlagnahmt

Bei den angeklagten Taten geht es um insgesamt 250 Kilogramm Marihuana sowie Haschisch im zweistelligen und Kokain im einstelligen Kilogrammbereich, teilen die Behörden nun mit. Fast 50 Kilogramm Rauschgift konnten im Zuge der Ermittlungen sichergestellt werden.

Auch wurde zur Sicherung der Abschöpfung der Erlöse aus dem Rauschgifthandel Vermögen im Wert von 400.000 Euro beschlagnahmt. Vermögensgegenstände im Wert von weiteren 4,5 Millionen Euro wurden in dem von der Staatsanwaltschaft Palermo geführten Parallelverfahren sequestriert.

Weitere Anklagepunkte lauten auf gefährliche Körperverletzung, Anstiftung zur Brandstiftung, Verabredung zum schweren Raub, gewerbsmäßiges Verschaffen gefälschter amtlicher Ausweise sowie unerlaubten Besitz von Schusswaffen.

Das Ermittlungsverfahren, an dem zeitweise bis zu 300 Beamte beteiligt waren, wurde über neun Monate geführt, während derer die in beiden Ländern tätigen Staatsanwälte und Polizeibeamten in regelmäßigem Austausch standen.

Eine besondere Herausforderung war dabei die akribische Analyse und Zusammenführung der Erkenntnisse aus den über Monate hinweg in beiden Ländern geführten technischen Überwachungsmaßnahmen, so die Mitteilung.

Sicherheitsbedenken bei Verfahren

Neun der vor ihrer Festnahme im Juni 2017 überwiegend im Schwarzwald-Baar-Kreis ansässigen Angeschuldigten befinden sich in Untersuchungshaft, wobei ein in Untersuchungshaft befindlicher Angeschuldigter von Italien nach Deutschland ausgeliefert wurde.

Die gegen zwei weitere Beteiligte erlassenen Haftbefehle wurden gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Insgesamt richten sich die Ermittlungen gegen 46 Beschuldigte, von denen sich 35 nicht in Haft befinden. Die Verfahren gegen diese 35 Personen wurden abgetrennt und werden gesondert geführt.

Da das Landgericht Konstanz über keinen Verhandlungssaal verfügt, der die bei neun inhaftierten Angeklagten nötigen Sicherheitsstandards bietet, wird die Hauptverhandlung voraussichtlich nicht in Konstanz stattfinden.

Info: Noch kein Verhandlungsort

(az). Im Februar war bereits Anklageerhebung in einem der aufwendigsten Ermittlungsfälle gegen höchst kriminelle Machenschaften mit Mafia-Hintergrund in Süddeutschland, doch erst jetzt gehen Staatsanwaltschaft und Polizei an die Öffentlichkeit. Das hat seinen Grund, so Staatsanwalt Andreas Mathy im Gespräch mit unserer Zeitung.

Da das Landgericht Konstanz über keine Verhandlungsräume verfügt, die so eine große Zahl an Angeklagten aufnehmen und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen treffen kann, war man dabei, nach Alternativen zu suchen. Stuttgart-Stammheim war im Gespräch. Da dort indes vorrangig Verfahren abzuarbeiten seien, könne man nicht nach Stammheim ausweichen, so Mathy. Das heißt, es gibt noch keinen Verhandlungsort. Damit steht auch noch nicht fest, wann verhandelt werden kann.

Ebenfalls mussten alle Verfahrensbeteiligten von der Anklageerhebung erfahren, bevor die Öffentlichkeit informiert werden kann. Auch das habe zu der Verzögerung beigetragen, angesichts der Vielzahl an Angeklagten, so Staatsanwalt Mathy im Gespräch mit uns.