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"Menschenleben hängen an der Entscheidung." Ereignisse nehmen zu. Alternative wären Sperrungen.

Kreis Rottweil - Als "alternativlos" bezeichnet das Kreisstraßenbauamt eine Ausweitung der Straßenbetriebsdienst-Verfügbarkeit auf eine 24-Stunden-Bereitschaft. Die Freien Wähler hielten das für überzogen und plädierten für eine "kleine Lösung", die im Ausschuss für Umwelt und Technik jedoch keine Mehrheit fand.

Zuletzt war es um Stellenmehrungen bei den Straßenmeistereien gegangen. In diesem Zuge war auch die Diskussion darüber aufgekommen, ob überhaupt zwei Standorte (in Zimmern und Sulgen) nötig seien.

Nach aktuellen Informationen von der Stadt sei es möglich, dass der Standort Sulgen, der aufgrund der geplanten Osttangente ursprünglich weichen sollte, doch an Ort und Stelle verbleiben könne – womöglich mit einer Erweiterung, meinte Landrat Wolf-Rüdiger Michel.

Eigentlich ging es aber in der Ausschusssitzung um die Erweiterung der Rufbereitschaft. Die Botschaft von Martin Osieja, Straßenbauamtsleiter im Kreis, war unmissverständlich: "Wir brauchen eine 24-Stunden-Bereitschaft."

Bislang gebe es nur während des Winterhalbjahres eine bedarfsbezogene Rufbereitschaft in Form eines Schichtplans. Das Polizeipräsidium Konstanz und die Feuerwehr übernähmen bei Ereignissen außerhalb der Rufzeiten der Straßenmeisterei oftmals deren Aufgaben. Dies hätten sie nun in diversen Schreiben bemängelt. "Bisher hat man sich arrangiert und die Kuh irgendwie vom Eis geholt, aber das kann nicht die Lösung sein", meinte Martin Osieja. Eine geregelte Erreichbarkeit und Einsatzfähigkeit der Straßenmeisterei-Mitarbeiter sei gefragt.

Ereignisse nehmen zu

Genug Gründe gebe es. Von 2017 bis heute seien bei den Straßenmeistereien "durchschnittlich" 16 Ereignis-Telefonanrufe außerhalb der normalen Dienstzeit über das Jahr verteilt eingegangen.

Dabei habe es sich vor allem um Schneefälle, überfrierende Nässe und liegengebliebene Fahrzeuge im Winter sowie um Ölspuren, Unfälle mit Beschädigung der Straßenausstattung, Unwetterfolgen und verlorene Ladung im Sommer gehandelt.

In den vergangenen Jahren verzeichne man eine Zunahme der Ereignisse auf den Straßen, insbesondere Steinschäge, schwere Unwetter und Unfälle. In der Praxis werde die Einsatztruppe der Straßenmeistereien trotz ihrer Zuständigkeit nicht ausreichend schnell an der Ereignisstelle tätig. Stattdessen falle die Arbeit auf Polizei oder Feuerwehr zurück, die diese aus gutem Willen übernehme.

Alternative: Sperrungen

Das Straßenbauamt hatte eine Modellrechnung erstellt, um die finanziellen Auswirkungen einer 24-Stunden-Rufbereitschaft darzustellen. Die Mehrkosten lägen bei einer ganzjährigen Bereitschaft in diesem Umfang bei rund 101 000 Euro jährlich.

Wenn man seiner rechtlichen Verpflichtung nachkommen, haftungs- und versicherungstechnische Risiken vermeiden und allzeit eine schnellstmögliche Befahrbarkeit des Straßennetzes gewährleisten wolle, dann komme man an einer 24-Stunden-Bereitschaft nicht vorbei, hieß es. Zudem sind laut Osieja zwei Mitarbeiter pro Straßenmeisterei für die Bereitschaft notwendig.

"Notwendig ja, alternativlos nein", meinte Michael Lehrer von den Freien Wählern. Der Schwarzwald-Baar-Kreis sei topografisch anspruchsvoller als der Kreis Rottweil, und der mache es anders, merkte er an. Man könne ja damit beginnen, im Winter eine Person pro Straßenmeisterei einzusetzen. So viel mehr Ereignisse seien es doch nicht geworden.

Dem widersprach Landrat Michel. "Wir brauchen diese Erweiterung schon länger. Jetzt führt kein Weg dran vorbei. Die Alternative ist ein munteres Sperren der Straßen." Man habe sich das Ganze wirklich eingehend überlegt und sei klar zu diesem Urteil gekommen, bekräftigte Osieja. Ein Vergleich mit den Nachbarlandkreisen zeige, dass das Thema Rufbereitschaft dort unterschiedlich gehandhabt werde, in vielen Fällen aber auch nur suboptimal "gelöst" sei.

Kein "Mut zur Lücke"

Lehrer schlug vor mit einer Rufbereitschaft in einer Straßenmeisterei zu starten. Doch das wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein. "Ein ›kleiner Einstieg‹ ist ein verlorenes Jahr", sagte Landrat Michel.

Horst Niehues (AfD) und Franz Moser (CDU) sprachen sich für den Vorschlag der Verwaltung aus. "Mut zur Lücke hieße, die Gutmütigkeit der Feuerwehr, der Polizei und letztlich auch der Straßenbetriebsdienstmitarbeiter auszunutzen, die auch ohne Bereitschaftsdienst ausrücken, wenn etwas passiert ist", meinte Letzterer.

Ob der Mitarbeiter fünf Minuten früher oder später an der Einsatzstelle sei, spiele keine Rolle, fand Gerd Hieber (FWV) und stellte den Antrag auf lediglich eine Rufbereitschaft im Sommer und im Winter für den ganzen Kreis.

Schon aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen würden zwei Personen in manchen Fällen nicht ausreichen, gab Martin Osieja zu bedenken. Die Mehrheit des Ausschusses stimmte ihm zu und schloss sich dem Vorschlag der Verwaltung bei wenigen Gegenstimmen an.

"Wir sind ein Flächenlandkreis, und es wurden klare Argumente genannt. Zurzeit wälzt man die eigenen Aufgaben auf andere Institutionen ab. Außerdem nehmen Ereignisse wie Steinschläge durch den Klimawandel zu und damit auch die Gefahr. Lieber handeln wir jetzt, als nachher zu sagen: hätten wir nur. Letztendlich hängen Menschenleben an der Entscheidung", machte Elke Müller (Grüne) deutlich, dass dies kein Thema sei, bei dem man sparen dürfe.