Die Polizistinnen Nina Furic (links) und Patricia Schwenke können durchaus zupacken, wie Polizeipräsident Gerhard Regele am eigenen Leib erfährt. Foto: Schönfelder

Mit Kaffeebohne in die Männerdomäne: Die ersten Polizistinnen waren eine echte Sensation.

Kreis Rottweil - Vor genau 30 Jahren brach ein Damm – in die Reihen der Schutzpolizei in Baden-Württemberg rückten erstmals Frauen ein. Frauen in Polizeiuniform, das hatte es vorher nicht gegeben, und so mancher Kollege auf den Revieren musste umdenken und sein Weltbild zurechtrücken.

Heute wählen junge Frauen den Polizeiberuf wie jeden anderen, stehen ihren männlichen Kollegen in Selbstbewusstsein und Tatkraft in nichts nach, ergänzen sie sogar im Einsatz.

Kommunikation und Deeskalation sind ihre Stärken, im Dienst genauso wichtig wie Körperkraft und Durchsetzungsvermögen. Die Polizistinnen nehmen die Luft raus, bevor die Aggression Wellen schlägt. Und so mancher Randalierer holt selbst erstmal tief Luft, wenn dem Streifenwagen eine Frau entsteigt.

30 Jahre, das ist ein Datum, zu dem Polizeipräsident Gerhard Regele ins Tuttlinger Polizeipräsidium lädt. Drei Jahrzehnte sind aber auch ein Zeitraum in dem sich die Gesellschaft und mit ihr die Polizei wandelte.

Angefangen hatte alles am 1. September 1987, als die ersten Schutzpolizistinnen in die Reviere übernommen wurden. Die Dienststellen waren auf Kolleginnen, sagen wir mal, mittelprächtig vorbereitet. Das fing bei den Duschräumen und Toiletten an und hörte bei der unsäglichen Uniform auf. Auf dem Kopf saß eine Art Schiffchen, nach seiner merkwürdigen Form "Kaffebohne" genannt, das Hemd hatte schmalere Schulterklappen, weil ja "die Frauen schmalere Schultern haben", wie es damals hieß. Es folgte der Rock, schließlich Wollsocken und derbe Schuhe. Fürwahr, die ersten Polizistinnen waren keine Models und die Uniform ein einziges "No Go". Prompt rebellierten die Damen. Heute tragen sie dieselbe Uniform wie die Männer. Auch die Dienstwaffe war damals leichter, damit die Damen nicht so schwer tragen mussten.

Die ersten Polizistinnen waren für die Medien eine echte Sensation

Wenn ein Polizist zu jener Zeit auf eine Kollegin traf, war diese entweder Raumpflegerin oder Schreibkraft. Ach ja, und bei der Kripo gab es ein paar Seiteneinsteigerinnen aus sozialen Berufen.

Die Tage der reinen Männerdomäne waren 1987 endgültig gezählt. Obwohl sich der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß zeitlebens nicht vorstellen konnte, dass bewaffnete Frauen seine Staatskanzlei bewachen.

Eine der ersten Frauen in Polizeiuniform war Kriminalhauptkommissarin Margareta Sailer. Schmal, fast zart, musste sie sich gleich durchsetzen – beispielsweise bei der obligatorischen Zeit bei der Einsatzhundertschaft. Und sie war damals eine Sensation. Jedes Mal, wenn sie in ein neues Revier versetzt wurde, rückte die Lokalzeitung an und machte eine Geschichte, erinnert sie sich lächelnd. Ihre Eltern waren zunächst alles andere als begeistert von ihrer Berufswahl, akzeptierten sie schließlich doch. Damals seien die Polizistinnen von der Bevölkerung schnell angenommen worden, da habe es keine Probleme gegeben, erinnert sich Sailer.

Der Beruf hat ihr immer Spaß gemacht, wie sie beteuert. Aber sie verschweigt auch die sehr belastenden Situationen nicht – Schusswaffengebrauch oder anderes, was nicht spurlos an einem Menschen vorübergeht. Heute arbeitet sie im Lagezentrum der Kriminalpolizeidirektion Rottweil. Inzwischen beantwortet sie die Frage, ob sie es noch einmal tun würde mit einem eindeutigen "Jein". Dennoch hat sie vom ersten Tag an ein Album mit all ihren beruflichen Stationen geführt. Neben Sailer sitzt Polizeirätin Bettina Rommelfanger, Leiterin des Referats Prävention im Polizeipräsidium Tuttlingen. Sie hat, wie sie selbst sagt, "Polizei" in Niedersachsen gelernt.

Nur wenige Beamtinnen schaffen es bisher bis in die Führungsebene

Seit 2014 ist sie in Baden-Württemberg, war Revierleiterin in Spaichingen, und sie ist etwas im Bundesland sehr seltenes – eine Frau in der obersten Führungsriege. Nur ein Viertel der Polizeibeamten im mittleren Dienst im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums sind Frauen. Nur 15 Prozent sind es im gehobenen Dienst und im höheren Dienst magere 3,1 Prozent. Was der Polizeipräsident übrigens bedauert. "Wir arbeiten dran", verspricht Regeler.

Sie habe durchaus Ressentiments der Männer gegenüber ihr selbst und gegenüber Kolleginnen registriert, so Rommelfanger. So sei sie in einem Revier als einzige gesiezt worden und nicht jeder Kollege wurde so deutlich wie einer, der sie als "unerwünscht" bezeichnete. Aber nach einem gegenseitigen Abtasten habe man sich immer zusammengerauft. Und viele ihrer damaligen Kollegen hat sie inzwischen auf der Karriereleiter überholt.

Nina Furic, derzeit in der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit tätig, und Patricia Schwenke, die gestern ihren Dienst im Polizeirevier Oberndorf aufnahm, verkörpern ebenso wie Rommelfanger den jungen selbstbewussten Typ Polizistin, der weiß, was er will, und die Familie und Beruf unter einen Hut bringen. Sie fühle sich wie jeder andere Kollege bei der Polizei, sagt Schwenke. Man dürfe nicht als "Püppchen" daherkommen und sie habe schon mehrfach bewiesen, dass sie "zupacken" könne. Wichtig ist ihr, dass man sich im Dienst gegenseitig unterstütze und vertraue.

Polizeipräsident Gerhard Regele zeigt sich am Ende überzeugt, dass die Polizei die Frauen braucht, und dass man den Blick öffnen müsse für weibliche Führungskräfte. Er traue den Frauen in der Polizei jedenfalls noch vieles zu, wie der oberste Polizist für fünf Landkreise betont.