Im Nachbarkreis war ein Hagelflieger unterwegs. Foto: Götz

Flieger zur Abwehr größerer Schäden vor Jahren für den Landkreis abgelehnt. Verein wäre gesprächsbereit.

Kreis Rottweil - Der Schreck sitzt den Opfern des schweren Hagels noch in den Knochen: Riesige Geschosse zerschlagen Dächer, Fenster, Autos, Gärten und ganze Fassaden. Und die Prognose für die Zukunft ist beunruhigend: Die Naturgewalt Hagel wird den Kreis wohl vermehrt treffen.

Gleich zweimal innerhalb weniger Wochen haben die vom Himmel fallenden Eisklumpen schwere Schäden angerichtet. Ende Juli traf es den westlichen Bereich des Landkreises besonders hart, am Montag nun entlud sich der Hagel mit aller Kraft im östlichen Teil, besonders schlimm in Trichtingen. Hagelkörner in Tennisballgröße richteten verheerende Schäden an. Und während die Menschen ihre Häuser abdichten und die kaputten Autos in die Werkstatt fahren, tun sich Fragen auf: Wann kommt der nächste Hagel? Wird es immer mehr? Und bräuchte dann auch der Landkreis Rottweil einen Hagelflieger, wie im benachbarten Schwarzwald-Baar-Kreis?

Ginge es nach Heinz Messner, dem Vorsitzenden des Vereins zur Hagelabwehr in den Kreisen Schwarzwald Baar und Tuttlingen, wäre die Region Rottweil von Anfang an mit im Boot gewesen. "Bei der Gründung unseres Vereins vor vier Jahren haben wir auch die Kommunen im Kreis Rottweil und das Landratsamt angesprochen", sagt Messner. Die Resonanz sei jedoch verhalten gewesen, der Kreis habe abgelehnt. Dabei habe die Region das sechsthäufigste Hagelvorkommen weltweit.

Und so drehte der vom Verein finanzierte Hagelflieger am Dienstag eben nur über der Baar und dem Raum Tuttlingen seine Runden. Dort hagelte es zwar vereinzelt auch, aber nicht in dem Ausmaß. "Wir können den Hagel nicht komplett verhindern", betont Messner, aber Schäden um 50 bis 70 Prozent reduzieren."

Für Meteorologe Jochen Ebert von Südwest-Wetter Karlsruhe ist das eine absolut sinnvolle, wenn auch nicht unumstrittene Maßnahme. "Im Raum Stuttgart werden Hagelflieger seit rund 15 Jahren eingesetzt, und die Erfolgsquote dort spricht einfach für sich", sagt er. Das eingesetzte Silberiodid sei ungiftig und werde mit dem Regen vom Boden aufgenommen. Es sorgt dafür, dass die Gewitterwolke schon vor der Bildung großer Hagelkörner abregnet.

Und genau diese Hagelbildung wird laut Ebert durch den Klimawandel tatsächlich immer mehr zunehmen – gerade in unserer Region. "Wo es bergig ist, wird die Luft zum Aufsteigen gezwungen", erklärt Ebert. Und durch die Erderwärmung wird in der Atmosphäre viel mehr Wasser gespeichert als früher, das dann in großen Höhen gefriert. Werden die Eisklümpchen erneut durch Aufwinde hochgewirbelt, bilden sich weitere Eisschichten, bis der Hagel irgendwann fällt. Einen schwachen Trost hat der Meteorologe zumindest: "Mit den zehn Zentimetern Durchmesser, die wir jetzt hatten, ist physikalisch das Ende der Fahnenstange erreicht." Viel größer könnten die Körner nicht mehr werden.

Das dürfen sie auch nicht, denn die Schäden sind schon jetzt enorm und einige Menschen haben sich beim Versuch, noch etwas zu retten, Platzwunden zugezogen. Ende Juli wurde in Aichhalden gar ein Pferd durch den Hagel getötet. Ebert bedauert, dass genauere Prognosen, wo der Hagel zuschlagen wird, schwierig sind. "Wo sich eine Wolke entlädt, ist oft zufallsabhängig." Eine generelle Hagelwarnung für einen Bereich kann aber oft schon frühmorgens abgegeben werden.

Diese erreicht dann auch den Piloten des Hagelfliegers für den Schwarzwald-Baar-Kreis. Rainer Schopf setzt sich dann in Stuttgart in den Zug und fährt bis Rottweil, von dort geht es mit dem Auto weiter bis nach Donaueschingen, wo er startet. "Mit unseren jetzigen Kapazitäten könnten wir den Landkreis Rottweil nicht abdecken", sagt Vorsitzender Messner. Der Verein mit seinen 2700 Mitgliedern – Privatleute, Kommunen und Firmen – hat ohnehin genug zu tun, die 24 000 Euro im Monat für den Betrieb des Fliegers zu stemmen. Sollte aus dem Kreis Rottweil Interesse bestehen, bräuchte man auf jeden Fall einen zweiten Flieger, sagt Messner, und betont: "Wir wären gesprächsbereit".

Landrat Wolf-Rüdiger Michel will sich den Überlegungen nicht ganz verschließen. "Man muss das Thema wohl neu ansprechen", sagt Michel angesichts der Geschehnisse. Grundsätzlich sei aber zu klären, ob der Hagelflieger wirklich etwas bringt, oder es nur eine "gefühlte Sicherheit" ist.