Steht in der Kritik: AfD-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Rottweil Emil Sänze. Foto: dpa

Abgeordneter wirft türkischstämmigen Grünen Inszenierung angesichts Reise zu KZ-Gedenkstätten vor. Mit Video

Stuttgart/Rottweil - Landtagspräsidentin Muhterem Aras reiste jüngst zu Gedenkorten der Judenverfolgung. Der AfD-Politiker Emil Sänze wirft der türkischstämmigen Grünen deswegen Selbstdarstellung vor. Das löst Empörung aus, aber Sänze legt noch nach.

AfD-Fraktionsvize Emil Sänze hat Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) nach dem Besuch eines ehemaligen Konzentrationslagers "peinliche Selbstinszenierung" vorgeworfen und ist deswegen selbst in die Kritik geraten. "Der Vorwurf, als Migrantin aus der Bewältigung der NS-Gräueltaten persönlich Kapital schlagen zu wollen, ist abscheulich und verschlägt mir die Sprache", sagte Landtagsfraktionsgeschäftsführer Uli Sckerl von den Grünen am Samstag in Stuttgart.

Zum Thema "rauer Tonfall" hatte der Schwarzwälder Bote bereits vor Kurzem mit Emil Sänze gesprochen. Er sagte damals unter anderem: "Man sieht ja, dass sich die anderen treiben lassen." Mehr dazu im Video:

Zuvor hatte der "Mannheimer Morgen" berichtet. "In Rassisten-Manier beleidigt der Abgeordnete Sänze nicht nur die Herkunft der Landtagspräsidentin, er zieht auch ihre Familie öffentlich in den Dreck", sagte Sckerl dem Blatt. Sänze habe "eine der letzten Grenzen des demokratischen Anstands überschritten" und in einem demokratischen Parlament nichts verloren. Der AfD-Parlamentarier hatte in einer schriftlichen Erklärung der türkischstämmigen Aras wegen ihrer Herkunft das Recht abgesprochen, sich zur Judenverfolgung in der Nazizeit zu äußern.

"Es fällt schon auf und wirkt peinlich, mit welcher geschmacklosen Verve unsere Landtagspräsidentin den deutschen NS-Schuldkomplex wieder für ihre politische Migrantengesellschaft-Agenda instrumentalisiert", schrieb Sänze. Landtagspräsidentin Aras hatte auf einer "Gedenkstättenreise" am 23. und 24. Juli Orte besucht, die an die Verfolgung von Juden im Nationalsozialismus erinnern, darunter auch das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im französischen Elsass. Sie wies die Vorwürfe zurück. Sänze vertrete eine verfassungswidrige Auffassung, sagte sie dem "Mannheimer Morgen".

Türkische Gemeinde zeigt sich ebenfalls empört

"Die Aussage, ich sei aufgrund meines Geburtsortes nicht berechtigt, mich auch öffentlich um Geschichte und Erinnerungsarbeit zu kümmern, widerspricht Wortlaut und Geist des Grundgesetzes." Sänze legte indes am Wochenende in seiner Kritik an der Politikerin noch nach. "Wir haben eine Frau Landtagspräsidentin mit bizarrem Auserwählheitssyndrom, die nicht nur einen überbordenden Personenkult um ihre Person und ihre Herkunft treibt", "sondern (...) in Schulen und Gedenkstätten jede Möglichkeit nutzt, wehrlose Schüler gegen unsere Partei, gegen demokratisch verfasste und demokratisch gewählte Andersdenkende zu indoktrinieren", schrieb Sänze in einem Beitrag auf der Internetseite des AfD-Kreisverbandes Rottweil-Tuttlingen. Auch der Grünen-Politiker Cem Özdemir kritisierte Sänze für seine Äußerungen. "Die rassistischen Angriffe auf Muhterem Aras zeigen, wie wenig die blau-braunen Hetzer unsere Verfassung achten", schrieb er am Samstag bei Twitter. "Muhterem steht für ein modernes Deutschland, ihr nicht."

Die Türkische Gemeinde in Deutschland zeigte sich ebenfalls empört. Der Vorsitzende Gökay Sofuoglu twitterte: "Rassismus sitzt im Parlament." Bereits zuvor war der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple wegen seiner Wortwahl in den eigenen Reihen in Erklärungsnot geraten. Die Fraktion distanzierte sich von dessen Aussagen über Landtagsabgeordnete anderer Parteien. Anlass war eine Pressemitteilung von Räpple. Darin beschimpfte er Politiker unter anderem als "fettgefressen", "kaputtgesoffen" und "Koksnasen". SPD-Parlamentsgeschäftsführer Reinhold Gall forderte den AfD-Fraktionschef zum Handeln auf.

Ausschluss von Sänze und Räpple aus der AfD-Fraktion gefordert

"Reagiert Bernd Gögel jetzt nicht, teilt er offensichtlich das Denken seiner beiden Abgeordneten und deren Unverschämtheiten." Gall: "Er muss die Abgeordneten Räpple und Sänze aus seiner Fraktion ausschließen oder, wie er es angekündigt hat, selbst zurücktreten." Mit seiner Forderung ist Gall nicht der Einzige, wie "Mannheimer Morgen" und "Heilbronner Stimme"  berichten. Demnach fordern die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen von Grünen, CDU, SPD und FDP in einer gemeinsamen Erklärung den Ausschluss von Sänze und Räpple aus der AfD-Fraktion. "Übler Rassismus und Verhöhnung von Demokratie, Verfassung und Verfassungsorganen, wie es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht der Fall war, haben Einzug gehalten in unserem Parlament", schreiben die Politiker demnach.

Emil Sänze äußerte sich zu den Vorwürfen seiner Person unter anderem so: „Die Landtagspräsidentin (…) erweist sich jedoch als unwillig, wenn nicht gar unfähig, selbst beim Besuch einer KZ-Gedenkstätte von übergriffigen Seitenhieben (‚Vogelschiss‘) gegen AfD-Personal abzusehen. Aktion und Reaktion dürfen nicht verwechselt werden: Wer ständig und gezielt, aus dem Schutz des Amtes heraus, Demokraten provoziert und öffentlich erniedrigen will, bekommt die gebührende Antwort.“ Frau Aras instrumentalisiere diese Anlässe gezielt, um demokratische politische Andersdenkende anzugreifen und deren Ruf zu schädigen.