Idyllisch durch den Wald oder am Neckar entlang: Bislang sind vor allem touristische Radwege im Landkreis ausgewiesen. Nun macht sich der Landkreis zum einen an die Beschilderung, zum andern sollen entlang der Kreisstraßen weitere Radwege entstehen. Foto: freepik.com

Planer stellt Maßnahmenliste vor. Strecke in Deißlingen steht auf Platz eins. Innerorts sind Schutzstreifen günstige Alternative.

Kreis Rottweil - Noch liegt viel Arbeit vor dem Kreis, verbunden mit hohen Investitionen, bis überall entlang der Kreisstraßen Radler auf extra Wegen unterwegs sein können. Der erste wichtige Schritt ist aber getan: Das Konzept steht. Die Kommunen haben ihre Wünsche angemeldet, ein Fachbüro hat geplant, eine Arbeitsgruppe getagt: Die erste große Steigung ist bewältigt, wenn es darum geht, ein flächendeckendes Netz an Radwegen entlang von Kreisstraßen im Landkreis Rottweil zu schaffen.

Einen entsprechenden Antrag hatte die SPD-Kreistagsfraktion im Jahr 2011 gestellt. Nun berichtete Verkehrsplaner Günter Bendias von der Dr. Brenner Ingenieursgesellschaft (Aalen) vor dem Ausschuss für Umwelt und Technik über die Fortschritte. Sein Büro hatte das Konzept erstellt und die insgesamt 46 Maßnahmen nach Priorität geordnet. Ganz oben auf der Liste steht Deißlingen mit einem Stück Radweg, 500 Meter lang, neben der Kreisstraße 5542.

Doch wie sind die Deißlinger auf Platz eins gekommen? Bendias erläuterte vor dem Ausschuss, nach welchen Kriterien die Planer die gewünschten Lückenschlüsse bewertet hatten. Um die Bedeutung im Netz herausfinden zu können, spielt es beispielsweise eine Rolle, ob viele Schüler auf der Route unterwegs sind. Auch das sogenannte Radverkehrspotenzial ist entscheidend: Leben in dem Ort viele Menschen und gibt es viele Arbeitsplätze? Das sind Gründe, weshalb viele Radler den neuen Weg nutzen würden. Dazu kommen Richtwerte: Sind auf einer Straße mindestens 4000 Fahrzeuge pro Tag bei Tempo 70 unterwegs, sollte es einen extra Radweg geben. Dasselbe gilt für 2500 Fahrzeuge, die 100 Stundenkilometer schnell fahren dürfen. Und gibt es bereits eine alternative Route für Radler, sieht es mau aus mit einem neuen Radweg. Sind alle Maßnahmen abgeklopft, bringt es jede von ihnen auf eine bestimmte Punktzahl. Entsprechend erfolgt die Priorisierung.

Allerdings sollen nicht nur Radwege gebaut werden, auch im Bereich der bestehenden Beschilderung gibt es einiges zu tun. Bisher, erläuterte Bendias, seien im Landkreis vor allem touristische Radwege ("Freizeitverkehr") ausgewiesen. Die sogenannten Alltagsradler allerdings ziehen andere Strecken vor: Wer schnell zur Arbeit oder in die Schule kommen will, sucht einen direkten Weg, keinen landschaftlich schönen. Dazu komme ein Mischmasch aus neuen und alten Schilder. Unterschiedliche Formen, Farben und Inhalte "sind nicht benutzerfreundlich", erklärte der Planer. Gleichzeitig falle auf, dass manche Route unattraktiv sei. Als Beispiel nannte Günter Bendias einen geschotterten Radweg entlang der A 81.

Was für den einen eine ausführliche Beschreibung war, ging dem anderen nicht weit genug: "Oft haben wir wunderschöne Flurbereinigungswege, die genutzt werden können", meinte Eberhard Pietsch (CDU). Diese müssten nur ausgeschildert werden. Wogegen neben vielen Kreisstraßen gar kein Platz für ein Radweg sei. "Es ist viel zu eng." Allerdings, so entgegnete Landrat Wolf-Rüdiger Michel, könne der Kreistag nun mal nur über die Kreisstraßen, für die er zuständig ist, diskutieren. SPD-Kreisrätin Ruth Hunds fragte unterdessen nach den Fördermöglichkeiten. Und: "Wann kommt das erste Projekt?" "Ich denke, wir werden in den nächsten ein, zwei, drei Haushalten in die ersten Projekte einsteigen", erklärte Michel, der die ungefähren Kosten für die Vorhaben eins bis 20 auf "locker" zehn Millionen Euro schätzt. Apropos Fördermöglichkeiten: Markus Huber (Freie Wähler) regte an, sich nicht sklavisch an die Liste zu halten, sondern die Reihenfolge der Umsetzung auch von möglichen Fördermitteln abhängig zu machen. Michel: "Wir sehen’s genauso." Die folgende Abstimmung für die Liste als Grundlage bei der Entwicklung des Radwegenetzes entlang der Kreisstraßen fiel einstimmig.

"Wir haben hier ein Langstreckenprogramm", erklärte der Landrat. Beim Thema Radfahren ist eben Ausdauer gefragt – nicht nur von den Sportlern.

Info: Maßnahmen

Priorisierung: Auf die Maßnahme in Deißlingen folgt auf Platz zwei Bösingen/Villingendorf: Dort sollen 220 Meter Radweg entlang der K 5522 entstehen. Der nächste wichtige Radweg über 120 Meter Länge könnte in Oberndorf neben der Kreisstraße 5550 gebaut werden. Dort soll auch eine Querungshilfe entstehen. Eher im Mittelfeld liegen beispielsweise Maßnahmen an dieser Kreisstraße auf Rottweiler Gemarkung und in Epfendorf. Schlusslichter sind schließlich Dornhan/Oberndorf (K 5521/ 1700 Meter), gefolgt von Lauterbach (K 5528/4300 Meter) und Fluorn-Winzeln/Oberndorf (K 5526/2600 Meter).

Schutzstreifen: Drei innerörtliche Maßnahmen, alle in Deißlingen, hat das  Büro Brenner aus der Liste herausgenommen. Innerorts sei ein straßenbegleitender Radweg nicht sinnvoll, wohl aber ein Schutzstreifen, also eine markierte Spur für Radler am Fahrbahnrand. "Eine sehr positive Maßnahme, die mit geringen Kosten rasch realisiert werden kann", meinte Günter Bendias. Auf Nachfrage von Kreisrat Eberhard Pietsch erklärte der Planer, dass es solche Schutzstreifen außerorts in Deutschland bisher nur versuchsweise gebe. "Ich würde empfehlen, diese Untersuchung abzuwarten."