Der Angeklagte (Zweiter von rechts) soll zwei Postagenturen überfallen haben. Einen Überfall räumt er ein, den anderen bestreitet er. Am Montag war Prozessauftakt im Landgericht Rottweil. Foto: Schulz

Mann wegen zweifachen Raubüberfalls erneut vor Gericht. Staatsanwalt fordert Sicherungsverwahrung.

Kreis Rottweil - Er soll zwei Postagenturen überfallen, die Angestellten mit Waffengewalt zur Herausgabe von mehreren tausend Euro gezwungen haben. Den einen Überfall im Kreis Tuttlingen gibt der 50-jährige Angeklagte zu. Den zweiten Vorwurf indes bestreitet er zum Prozessauftakt gestern am Landgericht Rottweil.

Der Mann hat einiges auf dem Kerbholz. Mehrere Haftstrafen hat er bereits hinter sich, als er 1995 fünf Banküberfälle begeht, wieder ins Gefängnis muss und flüchtet. Drogen bestimmen sein Leben, und die Frage, wie er an Geld kommt, um seine Sucht zu finanzieren. Es sei eine "selbstzerstörerische Situation" gewesen, sagt der 50-Jährige vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Rottweil, die gestern Morgen den Prozess unter Vorsitz von Richter Karlheinz Münzer eröffnet. Es sei ihm alles egal gewesen, egal, ob er nun sterbe oder nicht.

Dass er wieder gefangen genommen wurde, habe ihm das Leben gerettet, sagt er. 1998 kommt er ins Gefängnis nach Bruchsal. Er sagt über sich, er sei nicht bereit gewesen, sich der Strafe zu stellen. Ein Jahr später habe er daher "eine große Dummheit" begangen. Zusammen mit einem Mithäftling habe er einen Wachmann überwältigt und sei geflohen.

13 Jahre lang kein Gesetz gebrochen

Er ist nicht lange in Freiheit, wird geschnappt. Wegen Gefangenmeuterei, Flucht und Körperverletzung wird er erneut verurteilt, muss ins Gefängnis zurück. Im Rückblick spricht er davon, das sei der "Wendepunkt" seiner kriminellen Laufbahn gewesen. Er habe beschlossen, es müsse sich was ändern. Er habe aufgehört Drogen zu nehmen, 13 Jahre lang habe das funktioniert. Er habe in dieser Zeit kein Gesetz gebrochen, sei 17 Jahre lang nicht mit dem Auto schwarz gefahren. 2013, nach zehn Jahren im Gefängnis, kommt er auf freien Fuß. Er scheint, sein Leben in den Griff zu bekommen, hat Arbeit, plant einen großen Urlaub zusammen mit einer guten Bekannten und deren Kinder.

Dann die erneute Wende: Im Mai dieses Jahres überfällt er, mit dunkler Mütze und dunkler Brille verkleidet, eine Postagentur in Immendingen im Kreis Tuttlingen. Er bedroht die Angestellte und deren Vater mit einer ungeladenen Softair-Pistole, die laut Staatsanwalt Michael Groß einer echten Waffe täuschend ähnlich sieht. Dabei erbeutet er über 1700 Euro. Bereits im August des vorigen Jahres soll er eine Postagentur in Freiburg überfallen haben. Die Beute damals: 6400 Euro.

Staatsanwalt Groß wirft ihm schweren Raub, erpresserischen Menschenraub und körperliche Misshandlung vor. Aufgrund seiner charakterlichen Neigung, seines übermäßigen Drogenkonsums und seiner ausgeprägten Art zu Rechtsbrüchen gehe vom Angeklagten eine Gefahr für die Allgemeinheit aus. Groß fordert zusätzlich, Sicherungsverwahrung anzuordnen.

Der Angeklagte räumt ein, die Postagentur in Immendingen überfallen zu haben. Die Tat in Freiburg indes habe er nicht begangen, behauptet er.

Die Geschichte des 50 Jahre alten Mannes ist eine von Flucht und Vertreibung. Geboren wird er 1964 im Kreis Weimarer Land in der damaligen DDR. Als kleines Kind, so beschreibt es der Angeklagte, habe ihn die alleinerziehende Mutter tagsüber in der Kinderkrippe abgegeben, ab dem zehnten Lebensjahr kam er in verschiedenen Kinderheimen unter. Teils am Wochenende und in den Ferien war er zu Hause. Doch gern gesehen, war er daheim wohl nicht, so sein Eindruck. 1983, nach Abschluss der Lehre, als er zu Hause weiter nicht willkommen war, fasst er einen Entschluss. Er flieht aus der DDR. Er hängt sich an eine Fähre, die auf dem Weg nach Dänemark ist. Er wird an Bord gezogen, ist gerettet. In Dänemark kann er jedoch nicht bleiben. So kommt er nach Westdeutschland, nach Mannheim. Doch damit fangen die Probleme an, er beginnt eine kriminelle Laufbahn.

Den Rückfall 2013 versucht er mit dem Verlust der Arbeitsstelle zu erklären. Die Firma, für die er arbeitete, sei insolvent gegangen. Er stand plötzlich vor dem Nichts, habe sich nicht motivieren könne und sein Leben schleifen lassen. Er habe wieder Drogen genommen, harte Sachen wie Subutex, Ritalin, später habe er auch Heroin geschnupft.

Die Verhandlung wird fortgesetzt. Es ist geplant, 26 Zeugen zu vernehmen.