Von links: Stefan Teufel (CDU), Emil Sänze (AfD) und Gerhard Aden (FDP). Foto: Privat

Stefan Teufel, Gerhard Aden und Emil Sänze: Sie haben ein Mandat und doch ganz unterschiedliche Aussichten, wie es nun weitergeht.

Kreis Rottweil - Es ist Tag eins nach der Wahl, die dem Kreis Rottweil überraschenderweise gleich zu drei Landtagsabgeordneten verholfen hat. Während zwei, Stefan Teufel und Gerhard Aden, sich vielleicht sogar in einer Regierungskoalition wiederfinden, stellt sich Emil Sänze auf Oppositionsarbeit ein.  Die Wunden sind geleckt. Am Telefon gibt sich Stefan Teufel von der CDU aufgeräumt und kämpferisch. Klar sei man mit dem Wahlausgang nicht zufrieden. Er selbst hat im Vergleich zur 2011er-Wahl fast 13 Prozentpunkte weniger erhalten. Andererseits ist er um sechs Punkte besser als das Landes-Ergebnis, das sei sein Ziel gewesen. In Südbaden hat er sogar das zweitbeste Resultat überhaupt für die Landes-CDU eingefahren. Ein weiteres, durchaus wichtiges Ziel hätten die Christdemokraten erreicht, so Teufel, der gestern Abend bereits wieder auf dem Sprung nach Stuttgart war, um mit Kollegen seiner Fraktion über die politische Zukunft im Land zu sprechen: "Grün-Rot hat keine Mehrheit mehr."

Die Strategie sieht nun so aus, dass man mit allen Parteien sprechen werde, die im Landtag vertreten sind – außer mit der AfD.

Die rechtspopulistische Partei hat auf Anhieb 16,4 Prozentpunkte im Wahlkreis geholt und ist damit drittstärkste Partei geworden. Das ist nicht nach dem Geschmack der CDU, die diese Wählerstimmen in fünf Jahren wieder zurückgewinnen will.

Nach den ersten Gesprächen und Telefonkonferenzen am gestrigen Montag gibt es bei der CDU ein favorisiertes Modell für die nächste Regierungsbildung. Sie will den Regierungschef stellen und strebt daher eine sogenannte Deutschland-Koalition in den Farben Schwarz-Rot-Gelb an. "Wir haben eine reelle Chance, den Ministerpräsidenten zu stellen", betont Teufel, der zum dritten Mal hintereinander den Sprung in den Landtag geschafft hat.

Am heutigen Dienstag ist eine wichtige Weichenstellung: Die bisherigen und die neuen Fraktionsmitglieder kommen zusammen. Heute steht die Wahl des Fraktionsvorsitzenden an. Teufel sagt, er gehe davon aus, dass der Spitzenkandidat der CDU, der frühere Tuttlinger Landrat Guido Wolf, wiedergewählt wird. Danach sollen Wolf und Landeschef Thomas Strobl das Mandat erhalten, Koalitionsgespräche zu führen.

Teufel: CDU muss mit Besonnenheit in die Gespräche gehen

Teufel äußert, ihm sei es wichtig, mit Besonnenheit in die Gespräche zu gehen. Die Themen stünden fest. Ihm gehe es nach wie vor um die Stärkung des ländlichen Raumes und darum, dass in Dörfern und kleineren Städten dieselben Lebensbedingungen herrschten wie in den Großstädten.

Den Wahlabend habe man im Gasthaus Adler in Zimmern, der Heimat der Familie Teufel, noch ausklingen lassen. Man habe weiter analysiert und politisiert. Danach sei man noch eine Zeit lang zusammengesessen. Das sei ihm wichtig gewesen. Der Wahlkampf sei hart und kräftezehrend gewesen.

Der Wahlabend selbst war vor allem zu Beginn nervenaufreibend. Die Grünen-Kandidatin Sonja Rajsp kam Teufel zuweilen ziemlich nahe. Aber es gab auch berührende Momente. So, als Teufel sich bei seinen Wahlhelfern und vor allem seiner Frau für die Unterstützung bedankte oder er daran erinnerte, dass es einige seiner Parteifreunde leider nicht mehr in den neuen Landtag geschafft hätten.

Doch der Landtagsabgeordnete gab bereits am Wahlabend die Devise aus: "Nach der Wahl ist vor der Wahl." Das politische Tagesgeschäft geht ja auch weiter. Die nächsten Bürgersprechstunden und Termine stehen bereits an. Und die nächsten Tage werden nicht weniger aufregend, wenn mit der einen oder anderen Partei ausgelotet wird, ob und wie man dieses Land die nächsten fünf Jahre regieren kann.  Ab dem 11. Mai wird sich das Leben Emil Sänzes ändern. An diesem Tag konstituiert sich der neue Landtag von Baden-Württemberg. Emil Sänze ist dabei. Nach satten 16 Prozent für die Alternative für Deutschland (AfD), die er im Kreis Rottweil holte, wird er seinen beruflichen Schwerpunkt ab diesem Zeitpunkt in der Landeshauptstadt haben.

Jedoch nicht ganz, wie er beteuert, denn er halte nichts davon, dass Parlamentarier ihren Beruf aufgeben und damit ihre Wurzeln verlören. Aus dem Tagesgeschäft seines Unternehmens werde er sich aber weitgehend zurückziehen. Am kommenden Mittwoch wird es, so Sänze, ein erstes Treffen der Landtagsabgeordneten der AfD geben. Natürlich sei er auch in ständigem Dialog mit dem Landesvorsitzenden Jörg Meuthen. Er sei außerdem Mitglied im Konvent, einer Art kleiner Parteitag, und der Strategiekommission. Er sei also auf dem Laufenden. Als Schwerpunkt will er sich in seiner parlamentarischen Arbeit der Wirtschaft widmen. Das einstige Stammland der CDU sei inzwischen "infrastrukturell abgehängt", hat er diagnostiziert. Baden-Württemberg habe inzwischen seine Innovationskraft weitgehend verloren. Ein schleichender Prozess, den niemand zur Kenntnis nehme. Schnellstens müsse die Breitbandverkabelung im Kreis kommen. Auch eine zusätzliche Autobahnausfahrt in Epfendorf nütze der Wirtschaft im Kreis und in der Region. Ohne diese Maßnahmen hätten es innovative Unternehmen schwer, hoch qualifizierte junge Menschen an sich zu binden. Die Wertschätzung für manche Berufe müsse wiederhergestellt, die Handwerksehre wieder geschätzt werden. Auch die wirtschaftliche Anbindung der Region Balingen/Ebingen an den Kreis Rottweil sieht Sänze als ein Nahziel.

Er werde deshalb auch versuchen, die beiden anderen Landtagsabgeordneten Stefan Teufel und Gerhard Aden "im Sinne des Landkreises" ins Boot zu holen. Und weiter: Nach seiner Auffassung sollten die Kommunen ihre eigene Infrastruktur nicht aus der Hand geben. Kosten und Nutzen gehörten beispielsweise bei Krankenhäusern und bei der Müllentsorgung auf den Prüfstand. Sänze gibt zu, dass die AfD derzeit noch stark als Protestpartei gesehen werde, besonders gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung in Berlin. Deutschland habe fast unbemerkt mehr und mehr Kompetenzen an Brüssel abgegeben. Noch so ein schleichender Prozess.

In der Flüchtlingspolitik sei die Organisation des Staates einfach überrollt worden. Danach sei man in Europa in einen "Aktionismus mit Abschottung" verfallen, der auch nichts gebracht habe. Zudem fehle in diesem Bereich jegliche "Stringenz im Handeln".

Auch das alte Thema des Euros hat die AfD nicht aufgegeben. "Die Bevölkerung wird entreichert", so Sänze. Auf der anderen Seite nähme der "Eurokratismus" zu. Sänze bemerkt eine Abkapselung der politischen Schicht, bei der diese die Bodenhaftung verloren habe.

Die AfD wolle im Landtag konstruktiv mitarbeiten, verspricht Sänze im Gespräch mit unserer Zeitung. Mit aktiver Arbeit will die künftige Fraktion das Image einer Partei weit rechts außen ablegen. Deswegen habe er auch kein Problem, "vernünftige Vorschläge" der Grünen mitzutragen. "Wir sind die Partei des klaren Menschenverstands", lobt sich Sänze selbst. Es gelte ein klares Profil herauszustellen. Die Partei werde sich schließlich in der Mitte stabilisieren.  Am Tag danach wird im Hause Aden in Rottweil immer noch analysiert und politisiert. Um die Mittagszeit sitzen Gerhard Aden, seine Frau Gisela und Frank Hugger – der Werbeprofi hat Adens Internetauftritt geschaffen – am Esstisch und lassen Wahlkampf und Urnengang von Sonntag Revue passieren.

Es müssen nervenaufreibende Stunden am Sonntagabend gewesen sein, bis feststand, wer alles in den neuen Stuttgarter Landtag gewählt worden ist. Die Überraschung stand kurz vor 23 Uhr fest: Gerhard Aden hat für die FDP im Wahlkreis mit 8,5 Prozentpunkten ein Zweitmandat errungen. Die Rottweiler Liberalen sind nach fünfjähriger Pause also wieder drin im Parlament.

Mit einer pfiffigen Wahlkampfstrategie hat der Augenarzt geschafft, woran er am Anfang kaum zu glauben wagte. Mit den Slogans "Augen auf nach Stuttgart" oder "Sein Fähnchen nicht nach dem Wind drehen" oder "Freiräume für Denken und Handeln schaffen" hat er das Ziel erreicht, auf den letzten Metern. Was für ein Wahlauszählungskrimi.

Seine Frau sagt, es sei ein langer Abend gewesen. Bis tief in die Nacht habe man im kleineren Kreis zusammengesessen. Doch von Müdigkeit ist am anderen Tag nichts zu spüren. Ausruhen geht auch nicht. Das Telefon klingelt ständig. Der Neuling auf der Landesbühne nimmt Glückwünsche entgegen. Politische Weggefährten aus dem Kreistag rufen an, ebenso ein ehemaliger Studienfreund. Der Spitzenkandidat im Land, Hans-Ulrich Rülke, hat das neue Fraktionsmitglied aus Rottweil zur Wahl beglückwünscht.

Am heutigen Dienstag geht es los. Da findet nachmittags im Haus der Geschichte in Stuttgart die erste Fraktionssitzung statt. Nach einer Wahlnachlese wird der Fraktionschef gewählt. Es wird auf Rülke hinauslaufen. Erste Gelegenheit für Aden, Landespolitik zu schnuppern und die neuen Kollegen zu beschnuppern. Dabei hat sich die Alternative zur ersten Sitzung in Stuttgart auch nicht schlecht angehört. Von einem guten Freund war er zu einem mehrtägigen Aufenthalt bei sich daheim eingeladen worden mit ausgedehnten Spaziergängen und gutem Essen, sollte es mit der Wahl nicht klappen. Hat es aber. Wer hätte das gedacht, damals vor zweieinhalb Jahren, als der kommunalpolitisch Versierte aus unterschiedlichen Gründen im Gemeinderat der Stadt Rottweil aufhörte. Das sah nach einem Abschied von der Politbühne in Raten aus.

Von wegen. Vor knapp einem Jahr übernahm er den Vorsitz der Kreis-FDP und kündigte an, er wolle auch Landtagskandidat werden. Mit fast 68 Jahren. Damals titelten wir: "FDP-Aden will es noch einmal wissen" und kommentierten: "Aden – eine der schillerndsten Figuren der Liberalen im Kreis – drängt auf die politische Bühne zurück. Das ist gut so, weil es Typen wie Aden, die quer denken und ihre Meinung offen sagen, in der Politik viel zu wenige gibt." Wie wahr.

Ein Bündnis aus CDU, SPD und FDP sieht Aden eher skeptisch

Anfang Mai konstituiert sich der Landtag neu. Schon jetzt macht sich Aden über mögliche Koalitionen Gedanken. Über ein Bündnis aus CDU, SPD und FDP äußert er sich zurückhaltend, weil die beiden Partner, Schwarze und Rote, zweifelsfrei zu den Wahlverlierern gehörten. Und eine Ampelkoalition aus Grün, Rot und Gelb, also mit den Liberalen? Warum auch nicht, so Aden, wenngleich der alte wie wohl auch neue Fraktionschef diese Liaison vor der Wahl ausgeschlossen hat. Eines schließt auch Aden aus: Dass man mit der AfD zusammenarbeiten werde.

Er hat mit der rechtspopulistischen Partei im Wahlkampf seine Erfahrungen gemacht. Mit Herrn Sänze habe man sprechen können, doch "das Bodenpersonal lässt zu wünschen übrig", sagt Aden und berichtet von einer unliebsamen Begegnung.

Egal, wer mit wem ab Mai die Regierung stellt, ihm sind landespolitische Themen wichtig, der Blick auf das Land, auf Europa. Wo er sich selbst sieht? Er wolle sich erst einmal alles anschauen, aber der Finanzausschuss würde ihn schon interessieren. "Von Zahlen verstehe ich was", sagt Aden und bringt es auf den Punkt: "gesunde Finanzen, gesunder Staat."