Patrick Schneider wünscht sich die Gleichstellung. Foto: Smaoui

Ist die Gesellschaft bereit sich zu öffnen? Meinungen gehen auch in Kirchen im Kreis auseinander.

Kreis Rottweil - Die Debatte um die gleichgeschlechtliche Ehe spitzt sich zu. Kirchen und Staat geraten unter Druck. Patrick Schneider aus Rottweil sagt: "Deutschland muss nachziehen." Doch die Meinungen sind gespalten.

Fast fünf Jahre ist es inzwischen her. Patrick Schneider erinnert sich noch genau an die Situation. Er war damals 20, machte gerade seine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger und wurde immer wieder gefragt, warum er keine Freundin habe. "Mein Vater hat gemerkt, dass da was im Busch ist", erzählt der heute 24-Jährige lachend. Als dieser ihn fragte, ob er eine Freundin habe, fasste der gebürtige Rottweiler all seinen Mut zusammen. "Nein", hat er damals gesagt, "aber einen Freund."

Patrick Schneider ist homosexuell. "Mit zehn ist mir das bewusst geworden", erinnert er sich. Schlimm fand er das nie. "Ich steh’ halt auf Männer. Wo ist das Problem?" Doch Patrick Schneider weiß genau: Das Problem klopft jeden Tag an die Tür, es heißt Unverständnis, manchmal auch Diskriminierung. Und es lässt sich nicht einfach wegzaubern. Vor allem nicht, wenn es um die Ehe geht. Und die wäre für den sympathischen jungen Mann in festen Händen gar nicht mehr so abwegig.

Die Rechtslage In derzeit 20 Staaten weltweit ist die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt. Nicht so in Deutschland – obwohl beispielsweise eine aktuelle Studie der Universität Münster bestätigt, dass 70 Prozent der 7900 katholischen Befragten sich für eine Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften aussprachen.

Als sich sogar die Iren im Mai dieses Jahres überraschend für die Öffnung der Ehe und somit einer Gleichstellung von Homosexuellen aussprach, löste das deutschlandweit eine heftige Debatte aus, die die Innenpolitik unter Druck setzte. Die Union ist weiterhin gegen die gleichgeschlechtliche Ehe. Die SPD spricht sich zwar dafür aus, ist allerdings an den Koalitionsvertrag gebunden. Seither üben die rot-grün regierten Länder Druck auf den Bundesrat für eine "Ehe für alle" aus. Baden-Württemberg will am Freitag kommender Woche einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einbringen. Die Christdemokraten im Land verweilen in distanzierter Haltung – trotz interner Zwiste.

Ende Juni sind die USA mit einer Legalisierung der Ehe unter Homosexuellen nachgezogen. "Die Amerikaner sind Vorreiter", sagt Patrick Schneider. "Aber ich finde, in Deutschland ist die Legalisierung längst überfällig." Der Heilerziehungspfleger lebt seit drei Jahren in einer festen Beziehung. "Natürlich denke ich ans Heiraten", sagt er. Bei dem jungen Mann macht sich Wut und Frust gegenüber der Politik breit. "Als Homosexuelle haben wir immer die gleichen Pflichten wie Heteros. Aber nicht die gleichen Rechte."

Die Argumente Nicht nur die Ablehnung vor dem Gesetz macht Patrick Schneider permanent auf seine Ungleichstellung aufmerksam. Auch die Gesellschaft stoße ihn immer wieder mit der Nasenspitze drauf: Du bist anders. "Ich informiere mich sehr viel in Foren, in denen über die Homo-Ehe diskutiert wird", erzählt er und hält einen Moment inne. "Die Argumente sind immer die gleichen: In der Bibel ist die Homo-Ehe verboten, und bei einer Adoption wäre das für die Kinder schrecklich." Irgendwann klinke er sich dann aus, weil die Worte enttäuschten und frustrierten. "Für viele hat die Ehe etwas mit Fortpflanzung zu tun", sagt er. "In einer Homo-Ehe gibt es für sie keine Fortpflanzung. Und Adoption lehnen sie ab."

Frank Banse, pensionierter Pfarrer der Stadtkirche Schwenningen, kennt diese Argumente gut. "Es sind vor allem Evangelikale, die so argumentieren", sagt er. "Das ist nichts Neues, und man kriegt das leider auch nicht aus den Herzen und Köpfen raus." Auch Martin Stöffelmaier, Pfarrer der katholischen Kirche in Rottweil, hat Verständnis dafür, dass Homosexuelle sich diskriminiert fühlen. Dennoch sagt er in puncto gleichgeschlechtliche Ehe ganz klar: "Ich kann die Diskrepanzen momentan einfach nicht auflösen." Er selbst befinde sich in einem Zwiespalt zwischen seiner Verantwortung als Seelsorger gegenüber Menschen und seinem persönlichen Weltbild. "Ich kann Homosexualität emotional nicht nachempfinden." Dies sei ihm bei einer Trauung und dem Segen Gottes, den er dann erbittet, jedoch wichtig.

"Die Bibel", sagt der katholische Pfarrer, "kann ich in unserer heutigen Zeit nicht wörtlich nehmen. Das ist nicht mehr haltbar. Die Weltbilder von damals lassen sich einfach nicht auf heute übertragen." Seinen persönlichen Glauben und jenen der Kirche leugnet er für eine Trauung dennoch nicht. "Ich würde in der Öffentlichkeit erhebliche Schwierigkeiten bekommen", sagt er.

In Foren im Internet und auf Facebook feuern die Menschen ihre Argumente um die sogenannte Homo-Ehe indes auf ihr Gegenüber ab. "Vieles, was ich im Netz lese, geht unter die Gürtellinie", erklärt Patrick Schneider. In einigen Foren diskutiert er mit. "Ich versuche zu erklären, dass Heterosexuelle keine Nachteile haben, wenn Homosexuelle heiraten." Doch vielen sei das nicht klar, sagt der Rottweiler.

Die Kirche unter Druck? Frank Banse ist der Meinung, dass sich die Kirche verändern muss. Des Öfteren bereits in die Kritik geraten, sagt der 65-Jährige vor allem eines ganz deutlich: "Wenn man eine Ungerechtigkeit erkennt, muss man sie beseitigen." Dass Homosexuelle nicht gleichgestellt sind, sieht er als klare Ungerechtigkeit. Bis zu seinem Ruhestand war Banse offizieller Beauftragter für Homosexualität der evangelischen Kirche in Schwenningen. Mit seiner Pensionierung im Juli dieses Jahres endete die Anlaufstelle. Das sei schade, sagt Banse. Denn auch die Kirche gerate immer weiter unter Druck und könne sich nicht vor dem Thema verstecken. "Im Gegenteil", sagt er vehement. "Die Kirche muss etwas riskieren und sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzen."

Anders Pfarrer Stöffelmaier: "Ich stecke in einem Dilemma. Denn ich kann das Kirchenrecht nicht umschreiben." Der seit zehn Jahren in der "Heilig-Kreuz-Gemeinde" tätige Stadtpfarrer kann verstehen, dass solche Worte diskriminierend ankommen können. Dennoch zieht er keinen Umkehrschluss daraus: "Die Ehe ist im katholischen Glauben ein Sakrament. Deswegen kann ich die klassische Ehe nicht eins zu eins auf die gleichgeschlechtliche Ehe übertragen." Für eine Segnung sei er aufgeschlossen. "Auch unter homophilen Paaren gibt es diese hohe Verbindlichkeit wie in anderen Partnerschaften", sagt er nachdrücklich. "Vor einer Segnung würde ich mir die Situation trotzdem anschauen und individuell betrachten."

 Kann sich etwas ändern? Für Patrick Schneider ist das ernüchternd. Der Rottweiler will Veränderungen. Pfarrer Banse glaubt, die Gesellschaft und Kirche brauchen Veränderungen. Und Pfarrer Martin Stöffelmaier ist sich unschlüssig, ob er sich überhaupt verändern möchte. Lässt sich mit dieser Ausgangslage überhaupt ein Kompromiss finden, bei dem beide Seiten zufrieden sind? Ist eine Veränderung in Gesellschaft und Kirche tatsächlich möglich und nötig?

"Ja", sagt Pfarrer Banse. "Und die geht über die Praxis." Die Menschen müssten über Homosexualität aufgeklärt werden. "Vor 60 Jahren waren es die Pfarrerinnen, wo die Leute aufgeschreckt sind." Es sei ein ungewohntes Thema für die Menschen und viele wüssten nicht, wie sie dazu stehen sollten. Auch Patrick Schneider sucht nach der Akzeptanz durch Aufklärung. "Wir wollen gar keine Sonderrechte. Nur die gleichen. Für andere entstehen dadurch ja keine Nachteile."

Stöffelmaier bleibt indes skeptisch. "Ich möchte andere gar nicht belehren", sagt er. Sich selbst und die katholische Kirche sieht er dabei nicht als "Starrköpfe", doch einen Wandel hält er innerhalb der Kirche in den nächsten Jahren für unrealistisch. "Wenn es Diskriminierungen in meinem Umfeld gibt, trete ich sofort massiv für die Menschen ein", sagt er. Mehr gehe nicht.

Dass Patrick Schneider heiraten darf, bleibt für den Rottweiler zumindest in Deutschland erst mal ein Traum. Dabei geht es ihm eigentlich nur um eins: Gleichberechtigung für die Liebe, die er zu einem anderen Menschen auslebt. "Und bei der Liebe", so sagt auch Pfarrer Banse, "da ist es egal, ob Männer Männer lieben oder Frauen Frauen."