Ein Zittern kann ein erstes Anzeichen für die Parkinson-Erkrankung sein. Foto: Symbol-Foto: © Astrid Gast – stock.adobe.com

Dunkelziffer ist groß. Selbsthilfegruppe fängt Betroffene im Kreis auf.

Rottweil/Schramberg - "Parkinson macht die Menschen zu Schildkröten, die ihren Kopf in den Panzer zurückziehen", weiß Heide Kassner. Zehn Jahre lang hat sie die Parkinson-Selbsthilfegruppe Rottweil/Schramberg geleitet. Nun sucht sie dringend einen Nachfolger.

Dass der Bedarf groß ist, zeigen unter anderem die Zahlen. Wie aus einer Pressemitteilung des Statistischen Landesamtes hervorgeht, hat sich die Zahl der an Parkinson Gestorbenen seit 2000 mehr als verdoppelt. Von den 106.603 Sterbefällen, die 2016 unter der Bevölkerung Baden-Württembergs registriert wurden, waren 1383 Sterbefälle wohl unmittelbar auf eine Parkinson-Erkrankung zurückzuführen. Für 2017 wird eine ähnliche Zahl erwartet.

Die tödlichen Folgen der typischen Alterskrankheit treten etwa ab dem 80. Lebensjahr auf. Als Grund für die gestiegenen Zahlen führt das Statistische Landesamt auf die gewachsene Zahl älterer Menschen im Land an.

Heide Kassner aus Schramberg weiß: Die Dunkelziffer ist bei dieser Krankheit hoch. "Wir könnten dreimal so viele Mitglieder in unserer Selbsthilfegruppe haben." Aber neben den sichtbaren Symptomen der Nervensysten-Erkrankung, wie dem Zittern, sei das eben auch eins: die psychische Belastung.

Kassner kann davon ein Lied singen. 2000 entdeckte sie bei sich ein Zittern, Tremor genannt. Der Arzt diagnostizierte Parkinson. "Drei Jahre lang konnte ich nur unter Tränen darüber sprechen", erinnert sich die 75-Jährige. Das Zittern fiel auch anderen Menschen auf. So wurde Kassner, die damals als Krankenschwester und später in der Altenpflege arbeitete, sogar für eine Alkoholikerin gehalten.

Massive Belastung

Parkinson ist bislang nicht heilbar. Starke Medikamente sollen die Symptome lindern. Das Zittern ist dabei nur das kleinste Problem, erklärt die Schrambergerin. Depression und das Erstarren der Muskulatur seien massive Beeinträchtigungen. Oftmals arbeite der Darm nicht mehr so gut, das Gesicht werde maskenhaft, und das sogenannte "Freezing" (Einfrieren) trete auf. Dabei könne der Betroffene sich plötzlich nicht mehr bewegen. Durch die allgemeine Unbeweglichkeit steigt auch die Sturzgefahr.

Problematisch: Manche Symptome decken sich mit typischen Alterserscheinungen, beispielsweise Rückenbeschwerden. So fällt die Erkrankung meist spät auf. Belastend hinzu kämen die Nebenwirkungen der starken Medikamente.

Insgesamt sei es eine riesige Belastung. "Man geht durch viele Hände, aber wie es einem wirklich geht, fragt keiner", meint Kassner. Da setze die Selbsthilfegruppe an. Kassner kam 2003 in die Gruppe, gründete fünf Jahre später die Gruppe Rottweil/Schramberg. Neben Arztvorträgen und Informationen zur Krankheit steht auch die eigene Belastung im Vordergrund. Erkrankte könnten über ihre Sorgen sprechen und aufgefangen werden. "Jeder hat einen anderen Parkinson. Die Krankheit zeigt sich sehr verschieden. Umso wichtiger ist es, medikamentös richtig eingestellt zu werden", so die 75-Jährige.

Leuchtende Augen als Lohn

2010 kam dann der Schock. Ein Arzt sagte ihr, dass sie nicht an Parkinson, sondern "nur" an einem "essenziellen Tremor", vermutlich durch die Psyche bedingt, leide. Doch statt sich erleichtert aus der Gruppe zurückzuziehen, habe sie sich nach der Fehldiagnose nur noch mehr hineingekniet. "Veränderung ist Leben. Ich wollte die Leute aus ihrem Elend herausholen. In der Gruppe geht es oft lustig zu", meint die 75-Jährige. Lieder, Gedichte, Gespräche, medizinische Vorträge, Ausflüge – aus den gut 60 Mitgliedern aus dem Kreis Rottweil, von denen die meisten um die 70 Jahre alt sind, sei eine feste Gruppe mit Zusammenhalt geworden. Anfangs traf sich die Gruppe in Schramberg und Zimmern. Im Sommer ist der zweite Treffpunkt weggefallen.

Vergangenes Jahr hat Heide Kassner nach zehn Jahren altersbedingt den Vorsitz abgegeben. Ihr Mann führt die Gruppe kommissarisch weiter. Doch Kassner sucht verzweifelt nach einem Nachfolger. "Am besten wäre, wenn ein Mitglied den Vorsitz übernehmen würde. Die Arbeit macht großen Spaß", meint die Schrambergerin.

"Wenn ich sehe, wie die Augen eines erkrankten Mitglieds beim Gruppentreffen leuchten, dann ist das das Höchste für mich", meint sie lächelnd. Man brauche einfach jemanden mit Herz und Empathie, der die Gruppe leite. "Dem Leben mehr Leben geben", sei immer ihr Motto gegeben. Das will sie auch weiter vermitteln. "Wenn jemand Probleme hat, kann er trotzdem immer zu mir kommen. Ich lasse keinen hängen."