Bahn-Kunden verlassen den Zug aus Richtung Stuttgart kommend. Foto: Maier

Zugunglücke mit teilweise verheerenden Folgen: Wie fühlen sich Fahrgäste? "Fast wäre ich in Unglückszug gesessen."

Kreis Rottweil - Anfang Juli in Talhausen, Mitte Juli in Albstadt-Laufen, am Wochenende in Mannheim – überall das gleiche Bild: Zugunglücke mit teilweise verheerenden Folgen. Wie fühlen sich die Fahrgäste der Bahn, wenn sie mit deren Zügen fahren?

Viktor Schein sitzt gestern angespannt auf einer Bank am Gleis 5 am Rottweiler Bahnhof. Noch 20 Minuten, dann steigt der 16-Jährige in die Regionalbahn in Richtung seiner Heimatstadt Oberndorf. Gleich wird er die Stelle in Talhausen passieren, an der Anfang Juli bei einem Zugunglück mehr als 30 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Der Auszubildende zum Industriemechaniker spricht von »einem mulmigen Gefühl«.

Er will auf keinen Fall erleben, was einem seiner Freunde bei dem Unglück Anfang Juli zustieß. »Nur ein Waggon weiter vorne, und er wäre von dem Zusammenprall direkt betroffen gewesen«, erzählt Schein. Denn der 16-Jährige ist verunsichert. »Die vielen Zugunglücke in der letzten Zeit haben mein Vertrauen in die Bahn erschüttert.« Der Bus kommt für ihn nicht in Frage. »Dann dauert die Fahrt viel länger.« Die Deutsche Bahn (DB) fordert er auf, »mehr Geld in die Sicherheit zu investieren als einfach die Fahrpreise zu erhöhen«.

Bahn wird nur noch eingeschränkt vertraut

Auch für Carola Schäuble ist der Umstieg von der Bahn auf den Bus keine Alternative. Die Medizinische Fachangestellte aus Sulz arbeitet in einer Rottweiler Zahnarztpraxis. Sie fährt seit vier Jahren fast täglich die Strecke, auf der sich der Unfall in Talhausen ereignete. »Fast wäre ich in dem Unglückszug gesessen, aber dann bin ich kurzfristig doch nicht nach Rottweil gefahren«, erzählt sie. Im Gegensatz zu Schein macht Schäuble das Bahn fahren trotz der Unglücksfälle »nichts aus«. Sie sieht bei der DB ganz andere Probleme. »Die Pünktlichkeit, die Erreichbarkeit bei Problemen und die teilweise eingleisigen Strecken«, zählt Schäuble auf. Deshalb vertraue sie der Bahn nur noch eingeschränkt. Im zweigleisigen Ausbau des Schienennetzes durch die DB sieht sie einen Lösungsansatz für die Probleme.

Ganz entspannt ist hingegen Yannick Mund aus Fischbach. Er wartet gerade auf die Regionalbahn aus Stuttgart, in der seine Freundin aus Lübeck sitzt. »Ich mache mir keine Sorgen, dass sie gleich an der Unfallstelle in Talhausen vorbeifährt«, erklärt er. Viel mehr treibt ihn das Problem der ständigen Bahn-Verspätungen um. »Auch heute sind es bei meiner Freundin wieder zwei Stunden, aber daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt«, betont Mund. Für ihn ist das Auto als Verkehrsmittel sowieso viel gefährlicher als die Bahn.

Auch den Lesern unserer Zeitung geht das Thema Sicherheit an Bahnübergängen nach. Kurz nach dem Unglück in Talhausen schrieb Hartmut Polet einen Leserbrief mit dem Titel: »Bahnübergänge müssen sicherer gemacht werden«. Der Sulzer plädiert darin dafür, dass die Politik die Sicherheitsvorschriften verschärfen müsse. Und: »Sobald ein Fahrzeug auf dem Bahnübergang stehen bleibt, muss der Zug automatisch gestoppt werden.«

Mit der Veröffentlichung seines Leserbriefs in unserer Zeitung war es für Polet nicht getan. Er schickte seinen Beitrag noch ins Staatsministerium nach Stuttgart, Empfänger: Winfried Kretschmann (Grüne). Inzwischen hat Hartmut Polet eine Rückmeldung erhalten vom Leiter des Referats Verkehr und Infrastruktur. Der Ministerpräsident habe sein Anliegen »aufmerksam zur Kenntnis genommen«, heißt es darin. Und der Ministerpräsident habe darum gebeten, die Post aus Sulz »an das fachlich zuständige Ministerium für Verkehr und Infrastruktur weiterzuleiten«.

Für Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ist das Thema allerdings nicht neu. »Ich hab mir das genau angeguckt«, berichtete der Landespolitiker über das Unglück in Talhausen, als er vor anderthalb Wochen im Landkreis unterwegs war. Auch er ist der Meinung: »Es gibt Techniken, die solche Unglücke verhindern können.« Allerdings sei der Bund zuständig für Strecken der Deutschen Bahn. »Ich nehm’ das zum Anlass, noch mal nachzufragen.«