Y. geht ins Dachgeschoss, holt eine Sportpistole, Kaliber neun Millimeter, bestückt das Magazin, begibt sich an seiner Frau vorbei nach unten hinters Haus und schießt von einem Gerüst aus zwei Mal auf den Nachbarn. Ein Schuss trifft, bereits dieser ist tödlich. Ein weiterer verfehlt das Ziel. Der Getroffene kann ins eigene Haus flüchten, der Schütze geht hinterher. Im Haus selbst feuert er weiter. Ein Schuss trifft den Fliehenden in den Rücken. Weitere Male schießt Y. auf sein Opfer. Er kommt immer näher. Zuletzt drückt er aus nächster Nähe, in einem Abstand von gerade einmal zehn Zentimetern, ab. Er trifft den am Boden liegenden Mann ins Gesicht, neben das linke Auge. Jetzt ist das Magazin leer. Die junge Frau kommt hinzu, als die letzten Schüsse fallen. Sie sieht ihren Mann sterben. Sie sieht auch, das wiederholt sie gestern Morgen, in das Gesicht des Täters. Sie beschreibt ihn als "ruhig, besonnen und strukturiert" in diesem Moment.
Wie ist diese Tat zu bewerten? Die Staatsanwaltschaft ist bereits bei der Anklageerhebung von Totschlag ausgegangen, das Gericht eröffnet wegen Mordes aus Heimtücke. Staatsanwalt Grundke bleibt bei seiner Einschätzung, wenngleich er nach einem Abwägungsprozess die Tat als einen schwereren Fall einstuft. Er spricht davon, dass die Abläufe einer Hinrichtung ähneln. Grundke fordert eine 13-jährige Gefängnisstrafe.
Die Verteidigung sagt, Y. wisse, dass er Schlimmes getan habe. Er wisse, dass er die Familie des Nachbarn und seine eigene zerstört habe. "Damit muss er leben", so Rechtsanwalt Hans-Christoph Geprägs. Er bewertet die Tat ebenfalls nicht als heimtückischen Mord, geht sogar von einer verminderten Schuldfähigkeit seines Mandanten aus. "Nicht mehr als neun Jahre", so würde ein gerechtes Urteil aussehen.
Der Anwalt der jungen Witwe, Jens Rabe, fordert eine lebenslange Haftstrafe. Er sieht das Mordmerkmal der Heimtücke als erwiesen an. Er meint, der Täter habe die Arg- und Wehrlosigkeit seines Nachbarn ausgenutzt. Rabe widerspricht in einem anderen Punkt, einer möglichen erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Täters: "Y. wusste ganz genau, was er tat", so der Anwalt.
In seinem Schlusswort bittet der Angeklagte, der 39-jährige Mustafa Y., die Familie des Opfers um Verzeihung. Die Witwe reagiert darauf abweisend. Zuvor beklagt sie, der Täter zeige keine Reue. "Es ist toll, wenn jemand sagt, er bereue", doch das müsse man auch tun, sagt sie. Dabei "sitzt er da und tut so, als sei er das alleinige Opfer". Sie werde die Bilder nie vergessen, Bilder, die sie aus dem Schlaf reißen, die sie nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Sie hoffe, er, der Täter, werde diese Bilder auch nie mehr vergessen, sagt sie unter Tränen.
Das Urteil wird am kommenden Dienstag um 10 Uhr verkündet.
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