Mustafa Y. hier am Tag der Urteilsverkündung: Er hatte eine Waffenbesitzkarte trotz seiner Depression. Foto: Schulz

Verurteilter 39-Jähriger hätte wegen psychischer Erkrankung nie eine Waffenkarte bekommen dürfen. Amt verweist auf Datenschutz.

Kreis Rottweil - Der Mann, der in Wilflingen mit einer Sportpistole den Nachbar erschossen hat, hätte gar keine Waffenbesitzkarte bekommen dürfen. Offensichtlich hat er – nach bisheriger Sachlage – bei der Antragstellung gelogen.

Wenn sie gewusst hätte, dass ihr Nachbar Pistolen besitzt, hätte sie ihren Mann gedrängt, auszuziehen. Das sagte die Witwe in dem am Dienstag zu Ende gegangenen Mordprozess. Sie hat im Juli vergangenen Jahres ihren Mann, den Vater ihres soeben geborenen Kindes, verloren.

So weit hätte es aus verschiedenen Gründen nicht kommen dürfen. Ein weiterer triftiger Grund kommt dazu.

Opfer wusste nichts von Waffen im Haus des Nachbarn

Rückblick: Der Nachbar, ein in Wehingen aktiver Sportschütze, mit dem die Familie in Wilflingen Haus an Haus wohnte, hat den Mann der jungen Frau nach einem jahrelangen Nachbarschaftsstreit mit neun Schüssen umgebracht. Dafür erhielt er eine zwölfjährige Gefängnisstrafe – wegen heimtückischen Mordes. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Getötete wusste weder von den Waffen im Haus des verfeindeten Nachbarn, noch konnte er damit rechnen, dass er an diesem Sommerabend, nach einem erneuten Streit, mit mehreren Schüssen niedergestreckt werden würde. Der Schütze schoss sofort, ohne Vorwarnung. Bereits die erste Kugel traf tödlich.

Dabei hätte der Täter nach bisheriger Sachlage gar keine Pistolen besitzen dürfen. Offensichtlich hat er die dafür notwendige Waffenbesitzkarte mit einer Lüge bei der ausstellenden Behörde des Landratsamts Rottweil erlangt.

Klar ist: Nicht jeder kann sich eine Waffe zulegen. Er braucht hierfür eine Genehmigung. Die Bestimmungen sind eindeutig. Im Waffengesetz wird im Paragraf 6 festgehalten, wer sich alles nicht eignet, eine Waffenbesitzkarte zu kriegen. Psychisch kranke Menschen beispielsweise haben keine Chance.

Es sei denn, der Antragssteller verschweigt eine derartige Erkrankung. So muss es im Fall des Wilflinger Todesschützen gewesen sein. Monika Mayr, Dezernentin für Öffentliche Sicherheit beim Landratsamt Rottweil, sagt: "Wir hatten keine Kenntnis davon." Ansonsten wäre es zu einem Widerruf gekommen, man hätte die Waffenbesitzkarte einkassiert.

In diesem Fall hätte sie gleich gar nicht ausgestellt werden dürfen. Denn die Fakten sind diese: Im Jahr 2006 wird bei dem damaligen Familienvater eine depressive Erkrankung festgestellt. Das Versorgungsamt attestiert ihm eine 50-prozentige Behinderung. Er ist auch in ärztlicher Behandlung, nimmt Medikamente, auch wenige Wochen vor der schrecklichen Tat im Sommer 2013.

2008 erhält er eine Waffenbesitzkarte. Er ist im Schützenverein Wehingen aktiv.

Amt wusste nichts von 50-Cent-Behinderung

Hier muss der spätere Todesschütze gegenüber der ausstellenden Behörde, dem Landratsamt Rottweil, falsche Angaben gemacht haben. In dem Formular muss der Antragssteller nämlich versichern, psychisch nicht krank zu sein. Das wurde unterlassen. Dabei ist der Mann depressiv, eine mittelgradige Depression wurde beim Mordprozess unterstellt. Sie führte mit weiteren körperlichen und seelischen Beeinträchtigung zu der Annahme, dass der Täter möglicherweise eingeschränkt schuldfähig sei.

Auf der anderen Seite wusste das Amt von der 50-Prozent-Behinderung des Antragstellers nichts. Konnte nicht, ja durfte nicht. Es gibt keinen automatischen, gar standardisierten Austausch von Informationen zwischen den Stellen. Dezernentin Mayr: "Dies ist aus Gründen des Datenschutzes so. Die Informationen unterliegen dem Sozialgeheimnis. Wer dagegen verstößt, macht sich strafbar." Und sie fügt hinzu: "Für uns ist die Situation auch unbefriedigend."

Ändern könnte dieses Manko lediglich der Bundesgesetzgeber, indem er die betreffenden Stellen verpflichtet, entsprechende Informationen untereinander auszutauschen. Ansonsten bleibt die Gefahr bestehen, dass psychisch kranke Menschen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu unrecht eine Waffenbesitzkarte erhalten. Was sie damit anstellen können, hat der Fall in Wilflingen in fürchterlicher Weise gezeigt.