Der Angeklagte habe in seinen Schreiben per Fax mit deutlichen Worten Druck machen wollen. Foto: Symbol-Foto: © fotofabrika – stock.adobe.com

Mann bezeichnet Angestellte als Betrüger und Hochstapler. Er spricht von "literarischer Notwehr".

Kreis Rottweil - Wegen heftigen Beleidigungen und Drohungen gegen Mitarbeiter des Rottweiler Jobcenters musste sich ein 59-Jähriger vor dem Amtsgericht verantworten. Dabei zeigte er keine Einsicht und fühlte sich im Recht. Zu einer Verurteilung kam es allerdings nicht.

"Für sie wäre das Holz auf dem Scheiterhaufen zu schade", "So wie sie rechnen, müssten sie wieder in die Grundschule" oder "dilettantischer Hochstapler" – das ist nur eine kleine Auswahl der Beleidigungen, die der Angeklagte per Fax im Zeitraum von März bis September vergangenen Jahres an das Jobcenter des Landkreises Rottweil richtete. Auch Bedrohungen finden sich in seinen Schreiben an das Jobcenter: "Sie können schon einmal ihr Testament machen" oder "ab morgen wird nicht nur ihr Kopf rollen." Das war den Mitarbeitern zuviel und so brachte die Behördenleiterin den Vorfall zur Anzeige. Der Grund für die Beleidigungslawine: Kürzungen bei den sozialen Leistungen, die aus Sicht des Angeklagten nicht gerechtfertigt waren.

Vor Gericht entschließt er sich, Angaben zu machen. Diese garniert er mit einigen biblischen Zitaten, wobei er dem Jobcenter vorwirft, gegen das "göttliche Recht" zu verstoßen, das vorschreibe, dass jeder gut leben solle. Er sitze hier als "Vertreter dieses göttlichen Rechts" und sei zu Unrecht angeklagt.

Das Jobcenter hatte festgestellt, dass er 126 Euro zu viel bekomme, die für den Angeklagten aber zum Leben notwendig seien, wie er betont. Die Richterin fragt ihn, warum er nicht einfach Rechtsmittel eingelegt habe. "Das Geld brauche ich nicht erst neun Monate später", entgegnet der Angeklagte. Deswegen habe er in seinen Schreiben per Fax mit deutlichen Worten Druck machen wollen. "Bei finanziellen Problemen fehlt ihnen die Erfahrung", so der Angeklagte zur Richterin. Er habe mit seinen Schreiben "literarische Notwehr" geleistet. Weil er unschuldig sei, habe er auch Widerspruch gegen den gegen ihn verhängten Strafbefehl eingelegt. Dass die Mitarbeiter des Jobcenters nur nach ihren Regeln arbeiten, konnte der Angeklagte nicht akzeptieren. Er spicht von einer "strukturellen Gewalt" des Systems.

Als Sachverständiger ist Ralf Greber (Arzt im Rottenmünster) im Gerichtssaal, der vor allem herausfinden will, ob der Angeklagte auch mit anderen Institutionen Streit habe und ob er Konflikte immer so austrage. Das verneint der Angeklagte. Auch Querelen mit früheren Arbeitgebern habe es nicht gegeben, obwohl der studierte Angeklagte, der seit 2008 keine feste Stelle mehr hat, in seinem Leben schon oft die Arbeit gewechselt hat. Sozial scheint der Mann aus einer Kreisgemeinde ebenfalls eingebunden zu sein und engagiert sich gesellschaftlich. "Ich bin kein Baum ohne Wurzeln", betont der 59-Jährige.

Die Behördenleiterin des Jobcenters schildert, wie die Agentur auf die Beleidigungen reagiert hat. Besonders die Sachbearbeiterin habe viel abbekommen. Normalerweise suchen die Mitarbeiter erst das persönliche Gespräch mit dem "Kunden", wenn er unzufrieden ist. Aber in diesem Fall sei eine Schwelle überschritten worden. Die Verwaltungswirtin habe keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als Anzeige zu erstatten.

Eindruck des Polizisten

Der Polizei-Hauptmeister, der in die Ermittlungen involviert war, schildert seinen persönlichen Eindruck von dem Angeklagten wie folgt: "psychisch angeschlagen, realitätsfern und unbelehrbar". Geltendes Recht habe er nicht anerkannt. Einem anderen Polizeibeamten habe der Angeklagte gesagt: "Ich werde mir wegen solchen Menschen nicht die Finger dreckig machen." Vor Gericht betont er: "Ich habe niemandem die Haare gekrümmt."

Dann legt der Sachverständige seine Begutachtung dar. Er attestiert dem Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung, aber keine schwere seelische Abartigkeit. "Er wusste, was er tat und ist zielgerichtet vorgegangen", betont der Arzt.

Vor dem Plädoyer der Staatsanwältin und einem Urteil wird dem Angeklagten angeboten, seinen Einspruch zurückzunehmen und sich mit der Geldstrafe von 900 Euro abzufinden. "Ihnen will niemand etwas Böses", betont die Richterin. Der Angeklagte nimmt das Angebot an, auch weil er keinen Freispruch erwarten kann. Denn keine der Taten streitet er ab. Reue zeigt er aber auch nicht.

Zum Abschluss gibt er noch sein biblisch inspiriertes Lebensmotto preis: "Trachte zuerst nach der Gerechtigkeit."