Von Hand zieht Jürgen Müller seit zehn Wochen das Unkraut aus seinen Haferfeldern. Die langandauernd Trockenheit schadet der Ernte. Seine 1000 Hühner liefern die Eier für die ansässigen Vermarktungsbetriebe. Foto: Schmidt

Preisroulette und Wetterkapriolen statt Romantik. Handverlesener Hafer für den Saatzucht-Betrieb.

Kreis Rottweil - Die Milchpreise sinken, die Getreidepreise schwanken. Felder werden überschwemmt oder trocknen aus. Das ist kein Drama, das ist der Alltag eines Landwirts.

Landwirtschaft und Romantik? Jürgen Müller schüttelt verärgert den Kopf. Er ist in der Landwirtschaft aufgewachsen und führt seit 20 Jahren in Villingendorf den Betrieb seiner Eltern. Müller zieht Leserbriefe hervor von Bürgern, die sich über profitsüchtige Landwirte aufregen. Die Angriffe schmerzen. Natürlich müsse der Landwirt profitabel denken, schimpft er. "Wissen die eigentlich, wie hoch der Fleischkonsum ist?"

Nach einer Erhebung, die sich im Fleischatlas wiederfindet, wurden im vergangenen Jahr in den Industrieländern pro Kopf 79 Kilogramm Fleisch konsumiert. Deutsche essen im Durchschnitt 60 Kilogramm. Doppelt so viel wie vor 100 Jahren.

In Villingendorf, erzählt Müller, gebe es außer ihm noch einen weitere Vollerwerbslandwirt. Für beide sei es nicht möglich, den Bedarf im Ort abzudecken: "Die Massentierhaltung ist unweigerlich notwendig." In seinem Betrieb werden jährlich nur noch 24 Tiere geschlachtet. Er scheue die Investition für den Ausbau, sagt er. Wahrscheinlich werde er diesen Zweig sogar ganz aufgeben.

Müller sieht nach draußen auf seine Felder. Die Sonne steht hoch am Himmel. Seit Wochen kein wirklicher Regen. Die Trockenheit zeigt sich in breiten, tiefen Furchen, die sich durch die Äcker ziehen. Besonders der Mais leidet. "Er müsste doppelt so hoch sein", sagt der Landwirt.

Besser geht es dem robusten Hafer. Zwar ist der Austrieb auch hier etwas kläglicher, doch verkraftbar. Mit dem Hafer gibt sich Müller besondere Mühe. Es ist inzwischen sein Hauptbetriebszweig.

Für den Morgen hat sich Nadine Roth vom Landwirtschaftsamt angekündigt. Sie sucht nach Unkraut, nach Flughafer. Stundenlang läuft sie bei sengender Hitze durch die Felder. "Kein Problem", sagt Roth lachend. "Ich liebe diese Arbeit." Für Müller indes hängt von ihrer Bewertung viel ab. "Ich liefere das Saatgut an die Südwestdeutsche Saatzucht." Da sei das Reinheitsgebot besonders hoch. Zehn Wochen ackert er deshalb schon auf seinen Feldern, manchmal unterstützt von seinem 13-jährigen Sohn Markus, reißt jeden einzelnen Flughafer von Hand heraus. Er schaut auf seine Arme. Empfindlich sei er gegen das Gepickse. Nur abends und früh morgens gehe er auf die Felder, weil er in leichter Kleidung nicht arbeiten könne. Doch die Spezialisierung auf Hafer sei notwendig gewesen. Es mache keinen Sinn, gegen die Natur zu arbeiten, und der Hafer sei für den Boden und das Klima in Villingendorf am besten geeignet.

Während Nadine Roth die Felder inspiziert, kommt der Tierarzt. Zweimal in der Woche schaue er vorbei, erzählt Müller. Dieses Mal, um zwei Kühe zu besamen. Milchkühe stehen auch im Stall. Die niedrigen Milchpreise, die von der Molkerei Omira während der Krise gezahlt wurden, trafen Müller nicht so gravierend wie Großmilchbauern. Indes seien landwirtschaftliche Betriebe stets Schwankungen unterworfen. Der Getreidepreis sei sogar noch unsicherer als der Milchpreis. "Die letzten zwei Jahre waren gut, die Situation auf dem Weltmarkt vor vier Jahren hingegen verheerend."

Der Markt ist da so unberechenbar wie die Natur. Im Februar wurden zehn Hektar seiner Felder überflutet. "Ich musste nachsäen und die Pflanzen sind wieder ersoffen." Noch heftiger war es vor fünf Jahren. Damals zerstörte ein Hagelschauer seine komplette Ernte. "Das sind schlimme Jahre." Romantisch? Nein, romantisch sei die Arbeit eines Landwirts sicher nicht.