Sie strahlen trotz der großen Belastung: Mama Wendi Schmid, der dreijährige Emilio, sein neun Monate alter Bruder Lennard, Papa Jochen und die Leiterin des Pflegeteams, Janine Kasenbacher. Foto: Otto

Emilio aus Locherhof kann jederzeit  aufhören zu atmen. Pflegepersonal dringend gesucht! Mit Video

Kreis Rottweil - Emilio ist ein aufgeweckter, höflicher Junge. Eifrig zeigt er der Besucherin von der Zeitung, was er auf seiner Zaubertafel gemalt hat und spielt dann fröhlich weiter. Alles ganz normal – wären da nicht das bereitstehende Beatmungsgerät und die Pflegekraft, die Emilio nicht aus den Augen lässt.

Der Dreijährige, der mit seiner Familie in Locherhof wohnt, hat einen seltenen Gendefekt, das Kongenitale zentrale Hypoventilationssyndrom (CCHS), Undine-Syndrom genannt. Jederzeit kann er aufhören zu atmen, denn alle autonomen Systeme des Körpers – also Dinge, die man nicht bewusst steuert wie Atmung, Blutdruck, Herzfrequenz oder Regelung der Körpertemperatur – sind potenziell gestört. Wenn Emilio zu sehr ins Spiel vertieft oder abgelenkt ist, wenn er schläft oder weint, hört er einfach auf zu atmen – und merkt es selbst nicht.

"Pusti" ist immer dabei

"Alles kann mal entgleisen – am gravierendsten ist es nachts", erzählt Papa Jochen Schmid. Emilio muss vor dem Einschlafen an sein Beatmungsgerät angeschlossen werden, die ganze Nacht muss jemand an seinem Bett wachen, die Beatmung jeweils den angezeigten Werten anpassen. Zur Demonstration zieht sich Emilio die große Maske aufs Gesicht und zeigt, wie es geht. "Pusti" nennt er sein Beatmungsgerät. Er kennt es schon sein ganzes Leben lang. Verschmitzt lacht der Blondschopf hinter der Maske hervor, die Eltern und Pflegerin Janine Kasenbacher lachen mit. Die Stimmung ist herzlich, Emilios kleiner Bruder Lennard hüpft vergnügt auf Mamas Schoß herum.

Beide Eltern strahlen viel Positives aus – auch wenn ihnen oft nicht danach zumute ist. Denn die Organisation der 24-Stunden-Betreuung ist ein echter Kraftakt. Unter der Leitung von Gesundheits- und Krankenpflegerin Janine Kasenbacher kümmert sich derzeit ein Team aus vier Pflegerinnen von "Kinderpflegedienst.com" um die Betreuung. "Vier sind eigentlich schon zu wenig, und ab Oktober fällt die einzige 100-Prozent-Kraft weg", berichtet Janine Kasenbacher. Sie weiß nicht, wie sie den Dienstplan füllen soll. Ein Ersatz ist bislang nicht in Sicht. Der Pflegenotstand – er trifft auch das junge Ehepaar Schmid. Schon als sie aus Karlsruhe, wo sie studien- und berufsbedingt einige Zeit lebten, nach Locherhof gezogen sind, war ihre Suche nach einem anderen Kinderpflegedienst vergeblich.

"Jetzt brauchen wir dringend weitere Kräfte", sagt Mutter Wendi, die sich deshalb an die Öffentlichkeit gewandt hat. Sie bedauert, dass Emilio wegen der fehlenden Betreuung gerade auch nicht regelmäßig in den Kindergarten gehen kann. "Dabei gefällt es ihm da so gut", sagt sie. Doch alleine kann er nicht hin, denn auch dort kann es immer zu einem Notfall kommen. "Pusti" ist immer dabei. "Auch wenn wir einkaufen gehen. Und sogar auf der Sommerrodelbahn", berichtet die Mama schmunzelnd. Mittlerweile kann sie mit solchen Situationen gut umgehen und traut sich auch zu, allein mit Emilio Auto zu fahren. "Am Anfang war das undenkbar, die Angst war einfach zu groß." Schon wenn Emilio rennt läuft er blau an, denn er atmet dann nicht etwa schneller, wie es andere Menschen bei Anstrengung tun, sondern atmet ganz ruhig weiter. Das führt dazu, dass er mit zu wenig Sauerstoff versorgt wird.

Rätselraten nach Geburt

Mittlerweile wissen die Eltern über das Krankheitsbild genau Bescheid. Jochen Schmid hat alles gelesen, was es zu wissen gibt, und kennt alle Zusammenhänge, alle denkbaren Symptome. Das hilft den Eltern, mit der Siuation umzugehen. "Es gibt in Deutschland nur drei Ärzte, die das Syndrom richtig gut kennen", sagt Jochen Schmid. Nur eins von 200.000 Kindern ist überhaupt betroffen.

Entsprechend groß war das Rätselraten, als Emilio vor drei Jahren im Karlsruher Klinikum zur Welt kam. Eine dramatische Zeit für die jungen Eltern. Wendi Schmid berichtet, wie Emilio nach der Geburt leblos dalag. Er atmete nicht, kam auf die Intensivstation – doch keiner wusste genau, was los ist. Weil es durch die Geburt auch Probleme mit der Lunge gab, gingen die Ärzte zunächst von schweren Hirnschädigungen durch zu wenig Sauerstoff aus. Dies hat sich glücklicherweise nicht bestätigt. "Erst nach zehn Wochen haben wir die richtige Diagnose bekommen."

Nach drei Monaten durfte Emilio nach Hause – als die Beatmung sichergestellt war. Schon damals mussten die Eltern viele Nachtschichten selbst übernehmen und zudem auch am Tag hellwach sein – das geht an die Substanz. "Man weiß eben, dass man auf keinen Fall einnicken darf, denn das kann für Emilio lebensbedrohlich sein", sagt Wendi Schmid.Jeden Tag sei die Angst da, dass eine Pflegekraft ausfällt. Jochen Schmid muss schließlich zur Arbeit, Emilios kleiner Bruder muss versorgt werden. Ohne Pflegekraft geht es nicht. "Uns wurde gesagt, dass wir nie eine Nacht allein sein werden, nie einen Urlaub als Familie allein erleben werden. Diese Erkenntnis war schon hart", berichtet die Mutter.

Deshalb ist umso wichtiger, dass die Chemie zwischen der Familie und der Pflegekraft stimmt. Janine Kasenbacher ist froh, sich für diese Aufgabe entschieden zu haben. Sie war früher in einem Klinikum beschäftigt, wo der Druck ungleich größer sei. Mit Emilio hat sie inzwischen eine enge Bindung. "Meine Arbeit ist, dass ich für ihn da bin. Das ist einfach schön", sagt sie.

Wendi und Jochen Schmid sind dankbar und hoffen jetzt auf weitere Verstärkung. Für den Pflegedienst wird in ihrem neuen Haus, das sie jetzt im Locherhofer Baugebiet bauen, viel Platz eingeräumt, erzählen sie. Es muss weitergehen. Und wenn Emilio fröhlich lacht und seinen kleinen Bruder herzt, dann entschädigt das für alles.  Wer sich als Fachkraft für die Betreuung von Emilio interessiert, kann mit unserer Onlineredaktion (onlineredaktion@schwarzwaelder-bote.de) Kontakt aufnehmen, um die Kontaktdaten der Familie zu erhalten..