Kreis Rottweil - Das Modellprojekt "Bildungshaus 3 – 10" zum reibungslosen Übergang vom Kindergarten in die Grundschule funktioniert im Kreis Rottweil gut. Doch am Ende dieses Schuljahrs läuft die Landesförderung aus. Ist es noch zu retten? Wir haben bei Lehrern, Kommunen und Politikern nachgefragt.

 Wie empfinden die Lehrer- und Erzieherinnen von drei Bildungshäusern im Kreis Rottweil die Situation?

Sie sind enttäuscht und frustriert. Wo bleibt die Wertschätzung für unsere erfolgreiche Arbeit, fragen sie sich. Die fünf Frauen haben alle die gleichen positiven Erfahrungen mit dem Bildungshaus gemacht. Und sie verfolgen gemeinsam ein Ziel: Das Bildungshaus soll nicht sterben. Aber wird es ihnen gelingen?

Sabine Weinmann (Rektorin der Römerschule Rottweil-Altstadt), Madlen Diechle (Kindergarten Altstadt) und Veronika Bihler (Kindergarten Bühlingen) sind zusammen für ein Bildungshaus verantwortlich. Sabine Marti (Grundschule Rottweil-Neukirch) und Annemarie Wilbert (Grundschule Dunningen-Seedorf) betreuen weitere.

Seit Februar 2011 arbeiten die Pädagoginnen in den Bildungshäusern. Äußerst erfolgreich, wie sie sagen. Sie sehen zahlreiche Erfolge des Modellprojekts: Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule funktioniere problemlos. Die Erstklässler kämen in der Grundschule in eine vertraute Umgebung. Auch der Schulweg sei ihnen bekannt. Durch den intensiven Austausch zwischen Kindergarten und Grundschule gebe es verschiedene Blicke auf ein Kind. "Wir können die Schulreife der Kinder viel genauer einschätzen", sagt Marti. Und die Kinder bringen größere Fähigkeiten als früher mit in die Schule.

Doch diese Errungenschaften sollen mit dem Ende des Schuljahrs wegfallen. Die Pädagoginnen wollen das verhindern. Seit zwei Jahren sammeln sie Unterschriften. Mittlerweile sind es etwa 670 Bürger, die sich für den Erhalt der drei Bildungshäuser aussprechen. "Die Eltern fragen immer wieder nach, wie es mit der Weiterführung des Projekts aussieht", erklärt Weinmann.

Eine Alternative für das Bildungshaus sehen die Lehrer- und Erzieherinnen nicht. Sie hoffen, dass die Projekte zumindest teilweise fortgesetzt werden können. Ohne die bisher zur Verfügung stehenden Kooperationsstunden könne das Bildungshaus nicht aufrecht erhalten werden. Von den Landespolitikern erwarten sie, dass sie Ernst genommen werden. "Sie sollen sehen, was wir in den vergangenen Jahren erreicht haben."

Wie setzen sich Landtagsabgeordnete für das Thema ein?

Stefan Teufel (CDU) sitzt für den Wahlkreis Rottweil im Landtag. Rita Haller-Haid (SPD) und Sandra Boser (Grüne) sind Betreuungsabgeordnete für diesen Wahlkreis. Letztere ist bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Teufel und Boser haben die Römerschule in Rottweil-Altstadt bereits in den vergangenen Jahren besucht. Haller-Haid wird heute ein Gespräch mit Weinmann führen.

"Über ein ›Ende‹ des Bildungshauses ist mitnichten entschieden", sagt Haller-Haid. Sie geht davon aus, dass das Konzept erhalten bleibt. Es werde in irgendeiner Form weitergehen, ist sie sich sicher. "Die Weiterentwicklung der Bildungshäuser wird momentan von den Entscheidungsträgern intensiv diskutiert", erklärt sie. "Ich werde mich weiterhin durch Gespräche mit den Verantwortlichen im Kultusministerin und meinen Kollegen im Bildungsausschuss dafür einsetzen, dass der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule bestmöglich gestaltet, gefördert und begleitet wird." Zudem setze sie sich gerne dazu mit den Schulleitern und Vertretern der Bildungshäuser im Kreis Rottweil zusammen und nehme entsprechende Informationen, Anliegen und Anregungen mit nach Stuttgart.

Teufel findet "die bevorstehende Schließung des Bildungshauses sehr bedauerlich und unverständlich". Selbstverständlich solle es weitergeführt werden, da die Kinder optimal auf den weiteren Bildungsweg vorbereitet werden. Deshalb hat Teufel Anfang Oktober eine Kleine Anfrage an die grün-rote Landesregierung gerichtet. "Ich möchte damit den Sachstand abfragen und der Frage nachgehen, weshalb die Landesregierung respektive das Kultusministerium das Bildungshaus trotz exzellenter Erfahrungen schließen möchte." Seine Fraktion werde sich im Landtag für die Fortsetzung einsetzen, sagt er. Teufel "sieht überhaupt keine Gründe bezüglich der finanziellen Mittel, das Haus zu schließen. Wir werden bei einer Entscheidung für den Fortbestand des Bildungshauses die Freigabe von Haushaltsmitteln selbstverständlich mittragen", sagt er.

Boser sagt, ob und wie das Bildungshaus zukünftig weitergeführt werde, sei Gegenstand von laufenden Gesprächen, die auf verschiedenen Ebenen geführt werden. Entscheidungen darüber stünden jedoch noch aus. Wichtig seien dabei die Ergebnisse eines aktuellen Forschungsprojekts des Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen, das die Bildungshäuser wissenschaftlich evaluiere. "Natürlich ist uns ein guter Übergang zwischen Kita und Schule wichtig, aber dieser muss auch flächendeckend möglich sein."

 Wie sehen betroffene Kommunen das Bildungshaus?

Die Stadt Rottweil bewertet das Bildungshaus sehr positiv. "Wir würden ein Ende sehr bedauern", sagt Bernd Pfaff, zuständiger Fachbereichsleiter bei der Stadt Rottweil. Die Verwaltung gebe die positiven Erfahrungen an das Land und ihre Interessenverbände wie den Städtetag weiter. Sie setze sich gerne für eine Fortführung ein. "Die Stadt kann aber nicht für das Land finanziell einspringen. Lehrer sind Landesbeamte. Für welchen Unterricht und in welchem Umfang diese Beamten eingesetzt werden, entscheidet das Land Baden-Württemberg", stellt Pfaff klar. Da es sich um ein Landesprojekt handelt, stellen die Schul- und Kindergartenträger lediglich die Infrastruktur zur Verfügung. Daher seien die Aufwendungen für die Stadt Rottweil überschaubar und bewegten sich im dreistelligen Euro-Bereich für Sachmittel.

Auch die Gemeinde Dunningen sieht das Bildungshaus als gute Einrichtung. "Mit diesem Projekt wurden ideale Voraussetzungen geschaffen, um den Kindern den Übergang in die Grundschule zu erleichtern. Das Projekt hat sich sehr gut bewährt", sagt Hauptamtsleiter Siegfried Braun. Kindergartenpersonal, Schulleitung und nicht zuletzt die Eltern seien bisher mit dieser Einrichtung sehr zufrieden und würden es sehr bedauern, wenn das Projekt eingestellt werde. "Zu einer Weiterführung des Modellprojekts liegen derzeit keine amtlichen Informationen und Hinweise vor, welche die Gemeinde und alle Beteiligten vor Ort zur Weiterplanung (dringend) benötigen", bedauert er. u Wie bewertet das baden-württembergische Kultusministerium das Modellprojekt? Letztendlich wird über die Zukunft des Bildungshauses im Kultusministerium und durch die Landesregierung entschieden. "Das Kultusministerium bewertet die Arbeit der Bildungshäuser positiv. Der Ministerrat wird 2015 rechtzeitig entscheiden, welche Rolle diese Bildungshäuser zukünftig übernehmen werden", teilt Pressereferentin Christine Sattler auf Nachfrage unserer Zeitung mit.

 Fazit: Ist das Bildungshaus noch zu retten? Nach derzeitigem Stand ja: Lehrer- und Erzieherinnen sind engagiert, Landtagsabgeordnete wollen sich einsetzen, Kommunen und Kultusministerium bewerten es positiv. Vielleicht gelingt es den Pädagoginnen tatsächlich, die Schließung des Bildungshauses abzuwenden.

Info: Bildungshaus

Das "Bildungshaus 3 – 10" ist ein Modellprojekt des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg. Aktuell gibt es im Land 194 Bildungshäuser, fünf davon im Kreis Rottweil (Rottweil-Altstadt, Rottweil-Neukirch, Dunningen-Seedorf, Vöhringen und Dornhan). Insgesamt betragen die Kosten für das Land seit dem Jahr 2007 rund 35 Millionen Euro. Innerhalb des Modellprojekts bilden eine Grundschule und ein oder mehrere Kindergärten einen Kooperationsverbund. In diesen Bildungshäusern werden gemeinsame, institutions- und jahrgangsübergreifende Spiel- und Lernangebote erarbeitet und umgesetzt.

Ziel der Verzahnung der pädagogischen Arbeit von Kindergarten und Grundschule ist es, Kindern eine bruchlose Bildungsbiografie zu ermöglichen, indem unter Berücksichtigung individueller Lernrhythmen ein möglichst fließender Übergang zwischen Kindergarten und Grundschule geschaffen wird. Zudem sollen die pädagogischen Fachkräfte aus Kindergarten und Schule durch die gemeinsame Planung, Durchführung und Reflexion des Bildungshauses in ihren Aufgaben profitieren und sich gegenseitig bereichern. Die Finanzierung ist den Trägern vom baden-württembergischen Kultusministerium zunächst bis inklusive des Schuljahrs 2014/15 zugesichert worden.

Kommentar: Weitermachen

Jürgen Maier

Eigentlich wird ein Modellprojekt, das sich als erfolgreich bewährt hat, fortgesetzt. Eigentlich. Im Falle des Projekts "Bildungshaus 3 – 10" ist das aber ungewiss. Lehrer- und Erzieherinnen im Kreis Rottweil sind zu Recht enttäuscht und frustriert. Sie leisten eine wichtige Arbeit in der Bildung – gerade am Übergang vom Kindergarten in die Grundschule. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie hilfreich das Projekt für eine bruchlose Bildungsbiografie für die Kinder im Kreis Rottweil ist.

Landespolitiker und Kommunen im Kreis bewerten das Bildungshaus positiv. An ihnen liegt es, ihr Versprechen einzulösen und sich dringend und mit Nachdruck beim Kultusministerium und der Landesregierung für die Weiterführung des Projekts einzusetzen. Letztere sollte sich kurzfristig für ein Ja für das Bildungshaus entscheiden. Es hat ein Weitermachen verdient.