Die Flüchtlingskrise ist beherrschend. Am Donnerstag erhielt Kanzlerin Angela Merkel Rückendeckung von CDU-Politikern. Den offenen Brief hat auch der Rottweiler Landrat Wolf-Rüdiger Michel unterzeichnet. Foto: dpa

Angela Merkels Politik wird kaum kritisiert, aber die Probleme vor Ort werden genau benannt. Mit Kommentar.

Kreis Rottweil - Die Flüchtlingskrise ist beherrschend. Am Donnerstag erhielt Kanzlerin Angela Merkel Rückendeckung von CDU-Politikern. Den offenen Brief hat auch der Rottweiler Landrat Wolf-Rüdiger Michel unterzeichnet. Wir wollten wissen, was die CDU-Basis vom Streit um Merkels Asyl-Politik hält. Indes wird die Kreissporthalle als mögliche Unterkunft für Flüchtlinge vorbereitet.

Noch wird versucht, auf die Belegung der kreiseigenen Sporthallen mit Flüchtlingen zu verzichten – wie lang das funktioniert, weiß keiner genau. Während Rottweiler Schüler teilweise darüber informiert wurden, dass man bis Jahresende wohl keine Einschränkungen des Sportunterrichts erwarte, wollte Sozialdezernent Bernd Hamann in einem früheren Gespräch eine Belegung in den kommenden Monaten nicht völlig ausschließen.

Erste Anzeichen gibt es an der Kreissporthalle bereits: Stapelweise liegen Absperrgitter vor dem Eingang, im Kraftraum wurden direkt neben Hanteln und Matten an einer Wand Anschlüsse für eine Küche installiert. Dies seien aber rein prophylaktische Maßnahmen, um für den Ernstfall gerüstet zu sein, wird betont.

Derweil geht die Diskussion um den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Asyldebatte weiter. Seit Tagen wird in den Medien berichtet, dass der Gegenwind in der eigenen Partei immer größer wird. Gestern nun äußern sich CDU-Landräte und Oberbürgermeister des Landes, darunter Landrat Wolf-Rüdiger Michel, in einem offenen Brief und unterstützen den Kurs Merkels.

Hilfe ja, aber nicht für alle, die hierher wollen

"Unser politisches Handeln sollte von einem mutigen Voranschreiten geprägt sein, indem wir für die Herausforderungen der heutigen Zeit Lösungsvorschläge erarbeiten und zuversichtlich die Rahmenbedingungen für ein freiheitliches Zusammenleben der Menschen gestalten." Weiter heißt es: "Wir unterstützen Ihre klare Haltung und Ihr Durchhaltevermögen in der Gewährung des Asylrechts für die Geflüchteten." Nur wenn man sich mutig der großen Herausforderung stelle und zusammen anpacke, könne man die Bürger davon überzeugen, "dass wir es schaffen und möglichst viele zur Mithilfe aktivieren."

Dass man es schaffen könne und dass dies, vor allem mit Blick auf die Europäische Union, nur Bundeskanzlerin Merkel könne, davon zeigt sich der Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Kreisverbands, Stefan Teufel, überzeugt. Er betont: Gefragt sei ein differenziertes Gesamtkonzept. "Alle, die berechtigt Schutz und Zuflucht finden, werden wir bei ihrem Integrationswillen unterstützen. Es gibt aber eben auch die andere Seite der Medaille und die müssen wir genauso ansprechen. Zu uns kommen Menschen, die keine Aussicht auf Asyl haben und aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen haben. Auch diesem Menschen noch zu helfen, würde uns schlichtweg überfordern." Teufel spricht sich für beschleunigte Asylverfahren aus, Sachleistungen anstelle von Bargeld und eine Überprüfung bei der Einreise darauf, ob ein Flucht- und Asylgrund vorliege. Teufel sagt auch, dass man mehr Polizei benötige, um die Sicherheit bei der Unterbringung zu garantieren.

Ganz ähnlich bewertet der Fraktionschef der CDU im Gemeinderat von Rottweil, Günther Posselt, die Situation. Merkel habe damals, als sie Mitte September die Grenzen zu Ungarn für die Flüchtlinge öffnete, nicht anders handeln könne. Er spüre eine große Hilfsbereitschaft der Menschen vor Ort. Dennoch würde über das Thema, nicht zuletzt in der Mitgliederversammlung des Stadtverbands, diskutiert. Das große Problem seien die Trittbrettfahrer und die Frage: Wer ist asylberechtigt, wer nicht? Keine Frage sei es für ihn, Kriegsflüchtlingen zu helfen. Ein großes Problem sieht Posselt darin, dass die Bearbeitung der Asylanträge viel zu schleppend verlaufe. Ebenso notwendig sei es, abgelehnte Asylbewerber zügig zurückzubringen. Auch hier sieht Posselt Nachholbedarf. Der Kommunalpolitiker spricht sich ebenso dafür aus, die Flüchtlinge dezentral unterzubringen. Massenquartiere wie Turnhallen hält er für eine schlechte Option. "Wenn Schulen, Vereine und Veranstaltungen davon betroffen sind, geht die Akzeptanz in der Bevölkerung verloren", befürchtet Posselt.

"Wir sind schwer belastet", sagt der Sulzer CDU-Fraktionsvorsitzende Robert Trautwein zur Flüchtlingsthematik. Was die Unterbringung der Asylbewerber angehe, hielten sich andere Kommunen im Kreis noch zurück. Man werde offensiv nach Wohnraum schauen müssen, dies gelte aber auch für die Stadt Sulz und ihre Ortsteile. Trautwein, auch Ortsvorsteher in Dürrenmettstetten, hat in seinem Stadtteil bereits mit Eigentümern leer stehender Häuser gesprochen. Die Resonanz, diese zu vermieten, sei aber noch verhalten. Zur Bundeskanzlerin meinte Trautwein: "Ich finde, Angela Merkel ist sehr mutig." In einigen Jahren werde man sehen, dass sie mit ihrer Flüchtlingspolitik recht behalte.

"Zäune zu bauen,ist zu kurz gedacht"

"Die derzeitige Flüchtlingskrise ist nur der Anfang einer Problematik, die uns wohl noch lange in diesem Jahrhundert intensiv beschäftigen wird", sagt Robert Häring, der Vorsitzende des CDU-Stadtverbands in Oberndorf. Früher habe man dazu Völkerwanderung gesagt, heute, bei der gegebenen Mobilität, habe wohl kein Land die Chance, dies zu steuern, wenn er erst einmal Ziel der Flüchtlingsströme geworden sei. In Oberndorf sei man mit der Aktion "Offene Hände" gut aufgestellt. Die Zuteilungen würden vom Landratsamt organisiert. Was die Stadt tun könne und tun müsse, werde getan. Wo die Grenze der Belastbarkeit für Helfer und Kommune liege, werde sich zeigen. Sicher sei aber: "Wenn der Zustrom so anhält, stehen auch wir in Oberndorf vor einer großen Herausforderung. Dass wir Menschen in Not aufnehmen, ist selbstverständlich. Ob aber dazu eingeladen werden sollte – direkt oder indirekt – oder ob Willkommensfeste veranstaltet werden, ist sehr zu hinterfragen." Jede Entscheidung könne kritisiert werden. Kritik ist notwendig, wenn sie konstruktiv ist. Polemik oder gar Hass seien keine guten Ratgeber. Patentrezepte gebe es nicht. "Zäune zu bauen, ist wohl zu kurz gedacht. Man müsste es dann auch aushalten, wenn die Medien berichten, was hinter dem Zaun passiert." Sicher sei, das Problem allein aus finanzieller Sicht zu betrachten, sei bei Weitem zu wenig. "Es gibt nur eine wirkliche Lösung: Die Ursachen für Not und Vertreibung müssen vor Ort beseitigt werden. Menschen auf der Flucht lassen sich nicht mit Stacheldraht, Tränengas oder mit einer Waffe aufhalten."

Johannes Grimm, Vorsitzender des Stadtverbands Schramberg der CDU, sagt: "Die Flüchtlingskrise ist eine humanitäre Katastrophe für viele Menschen, die in ihrem Heimatländern derzeit kein sicheres Zuhause mehr haben. Aus humanitären oder verfassungsrechtlichen Gründen sollte Deutschland Flüchtlinge aufnehmen und muss im Einzelfall im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen Asyl gewähren."

Die Flüchtlingsströme hätten Völkerwanderungscharakter angenommen und seien Ausdruck einer weltweiten politischen Krise, insbesondere im nahen und mittleren Osten. "Dies wurde zu Beginn unterschätzt. Wahrscheinlich auch von der Kanzlerin." Doch Deutschland habe die Krise nicht verursacht und könne diese Situation nicht selbst lösen, so Grimm.

Die anderen Länder in Europa, auch USA und Kanada, müssten zwingend ihren Aufnahmebeitrag leisten. Bei uns müsse das Asylverfahren gestrafft werden. Die Unterbringung der Menschen müsse so erfolgen, dass keine Schwerpunktbildung an einzelnen Orten erfolgt. Wenn alle Bürgerinnen und Bürger dieselben Lasten tragen, sei die Akzeptanz zu helfen sicherlich groß. So auch in Schramberg, wo sich Stadt, Vereine und persönliche Initiativen dankeswerterweise sehr engagierten. "Wir dürfen aber auch erwarten, dass sich die Flüchtlinge an unsere Gesetze halten, Deutsch lernen und unsere Gesellschaftsordnung persönlich akzeptieren. Flüchtlinge, die das ablehnen, sind bei uns fehl am Platz. Ich erwarte auch, dass Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, nach ihren Möglichkeiten einen Beitrag für ihren Lebensunterhalt und für unser Land leisten."

Kommentar: Diffuses Bild

Von Armin Schulz

Oben wird gestritten, unten wird gearbeitet. Das ist das Bild, das sich seit Wochen bei der Flüchtlingskrise zeigt. Ob sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer oder SPD-Vorsitzender Siegmar Gabriel zoffen oder vertragen, ob Oberbürgermeister und Landräte der Kanzlerin den Rücken stärken oder ihr in den Rücken fallen: Das spielt hier in den Städten und Gemeinden im Kreis Rottweil, in Rottweil, Sulz, Oberndorf oder Schiltach, keine Rolle. Hier wird gearbeitet, geschuftet und gehofft: etwa, dass alle Flüchtlinge ein Dach überm Kopf haben, genügend zu essen bekommen und versorgt werden. Und dass man nicht auf Kreissporthallen zurückgreifen muss. Dass sich die Politik-Granden zoffen, juckt hier also kaum. Besser wäre es jedoch, sie würden den Menschen vor Ort sagen, wo es langgeht und wie man das alles schaffen kann.