Großgefängnis kommt nach Tuningen. Kein negativer Einfluss auf Rottweil als Justizstandort.
Kreis Rottweil/Schwarzwald-Baar-Kreis - Das Land hat Farbe bekannt und das Liapor-Gelände in Tuningen zum Favoriten für das künftige Großgefängnis erklärt. Für Bürgermeister Jürgen Roth sind jetzt die Tuninger per Bürgerentscheid am Zug.
Als in seinem E-Mail-Eingang am Donnerstagmorgen Post von Justizminister Rainer Stickelberger landete und wenig später die offizielle Pressemitteilung eintraf, wonach die Industriebrache bei Tuningen als Standort für die neue Justizvollzugsanstalt weiter verfolgt werden soll, lachte der 50-Jährige erst einmal befreit auf: "Endlich ist entschieden", damit hat das Abwarten und Ausharren ein Ende und könne Tuningen endlich handeln.
Der Bürgerentscheid steht nun im Fokus und mit ihm die Frage: Welches ist die korrekte Fragestellung. Stehe im Anschluss daran der Zeitplan – "im besten Fall wird Ende Juni, Anfang Juli entschieden" – wolle er sich dem Bürgerwillen fügen. Nur auf eines hofft er: auf eine möglichst klare Entscheidung und darauf, dass die Bürger von den Möglichkeiten, sich zu informieren, Gebrauch machen, bevor sie ihr Kreuz machen.
Guhl: Entscheidung hat sich bereits abgezeichnet
"Wir waren bis zuletzt in der Hoffnung, dass es doch noch nach Rottweil geht, da wo es eigentlich auch hingehört", sagte Eberhard Haf von der Aktionsgemeinschaft gegen ein Gefängnis in Tuningen (AGG) im Gespräch mit unserer Zeitung und zählt in einem Atemzug damit alle Institutionen von Autobahnpolizei bis Landgericht in Rottweil auf, die dort zu finden sind und zu einem Gefängnisstandort in seinen Augen wunderbar passen würden. "Und was hat Tuningen", stellt er in den Raum, "Nichts", liefert er selbst die Antwort.
In Rottweil reagierte die Stadtverwaltung gestern auf die Nachricht über die Standortentscheidung enttäuscht. Justizminister Rainer Stickelberger hat gegen 10 Uhr in einem Telefongespräch Bürgermeister Werner Guhl in Vertretung des erkrankten Oberbürgermeisters Ralf Broß über die Entscheidung bei der Standortsuche zum Neubau einer Justizvollzugsanstalt (JVA) im Raum Rottweil informiert. Vorab war bereits eine E-Mail eingegangen. "Die Entscheidung hat uns auch nicht überfallen wie ein Gewitter im Winter", räumt der Bürgermeister ein, dass sich dieser Ausgang abgezeichnet habe.
Guhl brachte bei dem Gespräch gegenüber Stickelberger die Enttäuschung der Stadt zum Ausdruck. Rottweil habe seit mehr als 30 Jahren einen Standort für die JVA vorgehalten und sich immer für die Ansiedlung auf ihrer Gemarkung engagiert, bedauert Guhl, dass diese Vorleistung bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden ist.
Der von der Landesregierung als transparent angekündigte Suchlauf müsse kritisch hinterfragt werden, berichtet der Bürgermeister aus dem Gespräch mit dem Minister: "Die der Stadt Rottweil immer wieder versprochene Bewertungsmatrix liegt leider immer noch nicht vor." Über die Entscheidungsgründe könne man daher nur spekulieren. Es sei darüber hinaus mehr als bemerkenswert, dass bei einem offiziellen Ausschreibungsverfahren ausgerechnet der Standort ausgewählt wird, der erst nach Abschluss des Verfahrens nachgeschoben wurde.
Stickelberger habe die Enttäuschung nachvollziehen können. Er habe der Stadt Rottweil und ihren Gremien ausdrücklich für das Engagement für die Ansiedlung einer JVA gedankt, fasste Guhl das Gespräch zusammen. Stickelberger habe betont, dass es für ihn keine Selbstverständlichkeit sei, dass eine Kommune einem solchen Bauvorhaben derart positiv gegenüberstehe.
Guhl geht davon aus, dass der Liapor-Standort keinen negativen Einfluss auf den Justizstandort Rottweil haben wird. "Die Entfernung von der JVA zum Land- und zum Amtsgericht ist dann gering." Das sieht übrigens auch Jürgen Filius so, der Strafvollzugsbeauftragte der Grünen im Landtag. Die Entscheidung stärke den Landgerichtsstandort Rottweil, heißt es in seiner Pressemitteilung.
Guhl erinnert aber auch daran, dass die Standortentscheidung noch nicht endgültig ist. "Jetzt geht’s erst richtig los" bezieht er sich auf die offenen Grundstücksverhandlungen, den anstehenden Bürgerentscheid in Tuningen oder auch die weiteren planungsrechtlichen Schritte.