(Symbolbild) Foto: © andranik123 – stock.adobe.com

Mittäter des Bochinger Tankstellen-Überfalls muss hinter Gitter. Kein Kavaliersdelikt.

Kreis Rottweil - "Die harmonische Hauptverhandlung soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um schwerste Kriminalität handelt", machte Richter Koch klar, warum der 22-jährige Mittäter beim Bochinger Tankstellen-Überfall eine dreijährige Jugendstrafe verbüßen muss.

Falsch verstandene Freundschaft und blinde Loyalität führten dazu, dass der 22-jährige Bosnier im April 2017 die Wollmütze mit Sehschlitzen überzog und seinem Verwandten mit einem Messer in die Bochinger Aral-Tankstelle folgte, um 1055 Euro zu erbeuten – davon war das Gericht bei der Urteilsverkündung am Montag überzeugt. Obwohl der Angeklagte zu jedem Zeitpunkt erhebliche Zweifel gehabt habe, die Tat zu begehen, sei er seinem Gefühl, falsch verstandener Loyalität für den Verwandten, gefolgt, meinte Richter Koch.

Der Verwandte – die treibende Kraft beim Überfall, wie auch auf den Überwachungsvideos zu sehen war – hatte das Ganze angezettelt, die ungeladene Waffe geführt und den Verwandten offenbar unter Druck gesetzt, ihm bei der Tat zu helfen. "Dieser entschied, seinen Freund nicht hängen zu lassen", ließ der Richter das Geschehene Revue passieren. Die Schusswaffe, eine Beretta 1915, hatte das Duo von einem Bekannten bekommen.

"Der Raub nagte an ihm"

Der Angeklagte sei trotz seiner Zweifel und des sichtlichen Zögerns an der Tankstellentür dann doch voll bei der Tat dabei gewesen und das im Wissen, dass es sich nicht um eine Lappalie handle. "Mitgehangen, mitgefangen", so Koch.

Und auch wenn er das Messer mit einer Klingenlänge von mindestens sieben Zentimetern nicht direkt auf die Kassiererin gerichtet hatte, habe seine Anwesenheit die Bedrohung trotzdem vergrößert, wie Staatsanwältin Alexandra Schaumann meinte. Dass er auf eine Frau getroffen sei, die ihn weder als bedrohlich wahrgenommen noch offensichtliche psychische Schäden davongetragen hatte, war reines Glück, machte sie dem Angeklagten klar.

Ein zweischneidiges Schwert war die Aussage, die der junge Bosnier später bei der Polizei gemacht hatte, weil "der Raub an ihm nagte", wie Richter Koch meinte. Bei seiner Aussage habe der 22-Jährige zwar einerseits zur Aufklärung des Falls beigetragen, auf der anderen Seite aber einen Unschuldigen, den Cousin des Haupttäters, belastet. "Er wollte bewusst von sich ablenken", erklärte Schaumann. "Das war keine Kurzschlusshandlung, sondern planvolles Vorgehen."

Da der 22-Jährige zum Tatzeitpunkt noch 20 Jahre alt war, stellte sich die Frage des Jugendstrafrechts. Weil die Tat schon einige Zeit zurückliege, könne man über die damalige Reife des Angeklagten nur spekulieren, meinte Schaumann. Aber dass er auf bloßen Zuruf des Verwandten seine Heimat Bosnien verlassen hatte, zeige, dass der Angeklagte blauäugig gewesen sein muss. Außerdem habe er einfach in den Tag hinein gelebt und neige zur Verharmlosung seines Tatbeitrags. Dass sich die Naivität bei ihm aber nicht konsequent durchziehe – schließlich hatte er sich Gedanken über die Folgen gemacht – spreche schlichtweg für eine Reifeverzögerung. Im Prinzip habe er gewusst, was richtig war, jedoch kein Durchhaltevermögen in diesem Punkt bewiesen. Wenn er das Messer nicht gezogen hätte, so würde es im Prozess nur um Beihilfe gehen, meinte Schaumann.

Die Schuld wiegt schwer

So aber sei er Mittäter bei einer schwerwiegenden Tat gewesen. "Bei dem Überwachungsvideo läuft es einem eiskalt den Rücken hinunter", meinte die Staatsanwältin. Auch wenn der 22-Jährige Reue gezeigt habe und es sein erstes Vergehen sei, so wiege die Schuld doch schwer. Daher sei eine Jugendstrafe von drei Jahren erzieherisch notwendig, so die Einschätzung der Staatsanwältin. Zudem bestehe Fluchtgefahr bei dem Angeklagten.

Die Naivität seines Mandanten sah auch Verteidiger Hartung Schreiber. Wie komme man sonst darauf, eine Tat anzuzeigen, an der man mitgewirkt hatte, und dann noch einen anderen mit hineinzuziehen? "Mein Mandant kannte den entfernten Verwandten außerdem kaum und erwies ihm trotzdem früh diesen schlechten Freundschaftsdienst", so Schreiber zum Überfall. Einer Jugendstrafe hielt der Verteidiger auch für nötig, jedoch sollte diese aufgrund der geringen Beute und Bedrohung durch den 22-Jährigen seiner Meinung nach nur maximal zwei Jahre und vier Monate betragen, zumal er ja schon einige Monate in Untersuchungshaft verbracht habe.

Das Gericht entschied sich für eine Jugendstrafe von drei Jahren. Bei guter Führung könnte der Angeklagte schon nach 21 Monaten entlassen werden. "Eine gute Prognose bemisst sich aber daran, ob Sie das umsetzen, was Sie uns hier gesagt haben", so der Richter. Der Bosnier hatte zugesichert, eine Ausbildung anzufangen. Vor Gericht beteuerte er: "Ich bin hier das erste und letzte Mal und dann nie wieder in meinem Leben".