Kommunalpolitik ist auch Strukturpolitik: Diesem Grundsatz haben sich die Verwaltungen nicht nur der Städte Rottweil (von oben links im Uhrzeigersinn), Schramberg und Oberndorf verpflichtet. Foto: Montage: Holweger/Fotos: Schönfelder/Wegner/Danner

Konkurrenzkampf Kommune: Rottweil, Oberndorf und Schramberg buhlen um Einwohner. Jede Stadt bietet attraktive Angebote.

Kreis Rottweil - Auf den ersten Blick scheint es ein eher dröges Thema zu sein, und den meisten Bürgern dürfte es herzlich egal sein, ob die eigene Heimatstadt eher auf die Einnahmen aus der Einkommenssteuer oder der Gewerbesteuer setzt. Doch Achtung, genau daran lässt sich einiges über grundsätzliche politische Entscheidungen in den Rathäusern ablesen.

Im kommenden Jahr werden die Einnahmen aus der Einkommenssteuer in Dunningen erstmals die Gewerbesteuer überholen. Und die Eschachgemeinde setzt bei ihren Ausgaben unbeirrt auf den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur. Aber die kostet doch nur Geld. Wenn eine Gemeinde sparen sollte, warum tut sie es dann nicht dort?

Hier kommt die Einkommensteuer ins Spiel. Je attraktiver eine Kommune als Wohnort ist, desto leichter fällt es ihr, ihre Einwohnerzahl zu halten oder zu vermehren. Und das haben auch die Städte Rottweil, Schramberg und Oberndorf längst erkannt.

Auch der Haushalt der Kreisstadt Rottweil speist sich zu wesentlichen Teilen aus den beiden genannten Steuerarten. Werner Guhl, Bürgermeister und Fachbereichsleiter der Haupt- und Finanzverwaltung, bestätigt, dass die Stadt natürlich um eine steuerstarke Einwohnerschaft bemüht ist. Während nämlich die Gewerbesteuer sehr konjunkturabhängig ist, kann er mit der Einkommenssteuer verlässlicher kalkulieren. Auch sei durch die allgemein steigenden Einkünfte und die Steuerprogression das Einkommenssteueraufkommen in den vergangenen Jahren immer bedeutender geworden. Guhl: "Der Kuchen wird größer." Und dabei gilt, grob gesagt, die einfache Formel: Je mehr Einwohner, desto höhere Einkommenssteuereinnahmen. Damit steigt die Steuerkraft der Kommune.

Aber damit im Zeichen hoher Mobilität die Einwohner auch bleiben, muss eine Kommune attraktiv sein. Deshalb reiche es nicht, so Guhl, die Fachkräfte für die Betriebe der Stadt anzulocken, sondern Rottweil muss auch für deren Familien ein Ort sein, wo zu wohnen einen Mehrwert bedeutet. Und so ist Guhl schnell beim Bildungsangebot, Kleinkindbetreuung, Freizeiteinrichtungen, Sport, Kultur und so weiter. Teure Infrastruktur eben, aber sie macht sich über den oben beschriebenen Mechanismus auch zum Teil wieder bezahlt.

Dennoch, so Guhl, werde eine Kommune in Zukunft nur eine Chance haben, wenn sie Voraussetzungen für gute Einnahmen bei beiden Steuerarten schafft. "Die Stadt oder Gemeinde, die das noch nicht begriffen hat, wird angesichts des demografischen Wandels das Nachsehen haben", zeigt er sich überzeugt. Mit dem Abbau von Infrastruktur könne man sich auch "totsparen".

Der Kampf um die Einwohner sei längst eröffnet, beobachtet Uwe Weisser, Fachbereichsleiter Zentrale Verwaltung und Finanzen im Schramberger Rathaus. Und dieser Konkurrenzkampf bestehe nicht nur unter den Mittelzentren wie Schramberg, Oberndorf oder Rottweil, sondern der Landkreis stehe auch im Wettbewerb beispielsweise mit der Metropolregion Stuttgart. "Der Druck ist sehr groß", so Weisser. Derzeit verliert Schramberg Einwohner. Die Verwaltung versucht gegenzusteuern, um weitere Abgänge zu verhindern. Es komme darauf an, "die eigenen Hausaufgaben zu erledigen". "Das beginnt mit Bauplätzen und reicht über das schulische und das Betreuungsangebot bis zur Freizeit", weiß Weisser.

"Es geht um einen "ganzen Strauß attraktiver Angebote"

Er sieht Schramberg dennoch gut aufgestellt. Der Sulgen diene mehr als Gewerbestandort, die Talstadt biete als Handelsstandort einiges, die Neue Mitte erhöhe den Wohnwert, Ähnliches gelte für den Park der Zeiten und den so genannten Berneckstrand. Der Stadtteil Tennenbronn betone den Freizeitwert und den Tourismus. Das eine spiele ins andere, das Angebot müsse stimmen. Ja, es gehe um einen "ganzen Strauß an Angeboten", um als Wohnort attraktiv zu bleiben. Wer dies nicht bieten könne, verliere Einwohner sowie Steuerkraft und finde sich schnell "auf der Verliererstraße", zeigt sich Weisser überzeugt.

Dass das Problem auch in Oberndorf längst erkannnt worden ist, bestätigt Verwaltungsleiter Hermann Leopold und hat auf Nachfrage schnell die wichtigsten Infrastrukturmaßnahmen der vergangenen Jahre parat. Kinderkrippen an drei Standorten, Investitionen in alle Schulen, die Gemeinschaftsschule als neues Angebot, die Anlage von Kleinspielfeldern in allen Stadtteilen, Kinder- und Schulsozialarbeit, Investitionen in die Einrichtungen für Wasser und Abwasser, die Erschließung von Wohnbauflächen und die Sanierung von Straßen. Auch der kulturelle Sektor spiele in Oberndorf eine wichtige Rolle. Leopold nennt die Meisterkonzerte in der Klosterkirche, Aufführungen im Bochinger Kronesaal, die Stadtbücherei, die VHS. Auch die Gesundheitsversorgung mit Ärzten und dem Krankenhaus trage einiges bei. Die Stärkung des Einzelhandels gehöre ebenso dazu.

Dennoch sieht Leopold im Kampf jeder gegen jeden den falschen Weg. "Sich gegenseitig die Einwohner abzuluchsen, bringt nichts", sagt Leopold. Für ihn liegt die Lösung in der Stärkung der Region. "Wir müssen alle an einem Strang ziehen und weiträumiger denken." Ein Gewerbeflächenpool fände er sinnvoll, oder eine gemeinsame Tourismus-Region. Auch die Stärkung des Öffentlichen Nahverkehrs sieht er in diesem Zusammenhang. Es komme darauf an, die Pluspunkte der ganzen Region stärker nach außen zu tragen. "Wir sind konkurrenzfähig gegenüber anderen Regionen", zeigt sich der Verwaltungsleiter überzeugt. Selbstvertrauen sei durchaus angebracht.

Auch Oberndorfs Bürgermeister Hermann Acker sieht die Städte und Gemeinden des Landkreises "in einem Boot". Natürlich müsse sich jede Kommune den eigenen Rahmenbedingungen stellen, und nach Ackers Worten gibt es unabdingbare Angebote, die in einer Kommune erwartet werden. Und natürlich, je größer die Kommune, desto teurer werde auch die Infrastruktur, die allerdings dann auch von den Bewohnern der Nachbargemeinden mitgenutzt werde. Indes, den Ausdruck Konkurrenz möge er im Gesamtzusammenhang nicht. Und der Konkurrent sei auch nicht die unmittelbare Nachbargemeinde, sondern andere Regionen. Vielmehr plädiert Acker für die Verstärkung der interkommunalen Zusammenarbeit. "Die anstehenden Aufgaben sind nur gemeinsam zu lösen", gibt sich Acker überzeugt.