Ist jemand mit dem Coronavirus infiziert, gilt es eine lange Liste an Kontaktpersonen abzutelefonieren. (Symbolfoto) Foto: dpa

Ermittlungsgruppe im Landratsamt den ganzen Tag am Hörer. Manche sind verzweifelt.

Kreis Rottweil - Die Schreibtische stehen in sicherem Abstand voneinander, jeder Mitarbeiter hat lange Namenslisten vor sich – und den ganzen Tag ein Telefon am Ohr. Die "Kontaktgruppe" im Landratsamt ruft regelmäßig die Corona-Infizierten an und ermittelt zudem jene, die in Kontakt mit den Erkrankten standen.

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Die Schilder an den Bürotüren passen so gar nicht zu dem, was sich hier abspielt: "Geldwäsche-Beauftragter" steht an der einen Tür, "Belegabteilung" an der anderen: Der Backsteinbau des Landratsamts wurde zuvor von der Kreissparkasse genutzt, nach deren Umzug in den Neubau sind die Räume frei für eine Ermittlungsgruppe der besonderen Art. Im Gegensatz zur Betriebsamkeit im Gesundheitsamt geht es hier ruhig zu. Die Telefongespräche dauern zum Teil lange, es gibt viele Fragen zu klären – und oft ist Fingerspitzengefühl gefragt. Manche der Angerufenen sind völlig überrascht davon, dass sie im Kontakt mit jemandem standen, der positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Andere sind verzweifelt, weil die Quarantäne nun doch schon so lange geht.

"Unsere Hauptaufgabe ist es, die Kontaktpersonen der positiv Getesteten zu informieren, Details abzufragen und dann gegebenenfalls die notwendigen Schritte einzuleiten", sagt Ärztin Martine Hielscher vom Gesundheitsamt, die die Gruppe koordiniert. Manchmal seien es nur wenige Kontaktpersonen, manchmal richtig viele. "Wenn jemand noch auf einem Geburtstag oder in der Firma war, wird es schwieriger", sagt Hielscher. Dann stehen schnell 50 Kontaktnamen auf der Liste. Am Telefon wird geklärt, wie eng der Kontakt tatsächlich war, ob die Person Symptome hat, ob eine häusliche Absonderung reicht oder ein Test gemacht werden muss. Bei bestätigten Infizierten, die sich in häuslicher Isolation befinden, fragen die Helfer außerdem regelmäßig, wie das Befinden ist, wie es in der Quarantäne läuft und wie sich die Symptome entwickeln.

Die meisten sind kooperativ

"Die meisten Menschen sind kooperativ und verständnisvoll", berichtet Jochen Hofer, stellvertretender Bereitschaftsleiter des DRK in Villingendorf. Aus seiner Bereitschaft sind etliche Helfer im Team, auch aus Deißlingen und Fluorn waren schon Kräfte mit dabei. Hofer hat eine lange Liste mit Kontaktpersonen vor sich, die er abtelefoniert. "Es hat auch schon jemand nachgehakt, ob dieser Anruf wirklich echt ist", berichtet er. Die Skepsis ist nicht ganz unberechtigt, schließlich müssen viele persönliche Daten abgefragt werden. Hofer ordnet ein, zu welcher Kategorie die Kontaktperson gehört, ob ein Corona- Test und die Anordnung einer Quarantäne über das Rathaus notwendig ist.

Einen Tisch weiter sitzt seine Villingendorfer DRK-Kollegin Wilma Ebel. "Die Leute sind teilweise sehr froh über einen Anruf", berichtet sie. Eine betagte Dame, deren Mann herzkrank und seit einer Operation in Lahr mit dem Coronavirus infiziert ist, zeigte sich beim Telefonat verzweifelt. Ihr Mann müsse sich separiert in einem Zimmer aufhalten, es sei kein Besuch der Familie und ja noch nicht einmal ein Kirchgang in diesen Zeiten möglich. Da brauchen die Helfer ein offenes Ohr.

Ein Problem ist auch, das sich die Quarantäne bei manchen immer weiter verlängert, weil sie vielleicht zunächst als Kontaktperson in Isolation waren, dann nach zehn Tagen selbst Symptome zeigten. "Ab Symptombeginn werden wieder 14 Tage gerechnet", erklärt Gesundheitsamtsleiter Heinz-Joachim Adam. Martine Hielscher berichtet von einer Familie mit Teenagern, bei der nach drei Wochen Quarantäne langsam der Lagerkoller eintritt. Verständlich – aber notwendig.

Es gibt viel Klärungsbedarf. "Wir platzen da mit unseren Anrufen in eine Familiensituation rein, das ist schon oft belastend", sagt Martine Hielscher. Auch eine Psychologin ist im Team.

Die Arbeit wird der Kontaktgruppe so schnell nicht ausgehen. Im Gegenteil. "Wir können aufstocken", sagt die Leiterin. Für weitere Helfer und Arbeitsplätze ist noch genug Platz. Auch Kräfte des THW und aus anderen Abteilungen des Landratsamts helfen mit. Ein schönes Zeichen für den großen Zusammenhalt in dieser Krisenzeit.