Immer mehr Menschen im Landkreis wenden sich an die Schuldnerberatungsstelle. Foto: samuel – stock.adobe.com

Schuldnerberatung verzeichnet steigende Nachfrage. Sechs Monate Wartezeit.

Kreis Rottweil - Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Verlust einer Nebentätigkeit: Die finanziellen Auswirkungen der Coronakrise bereiten vielen Menschen im Landkreis Rottweil große Sorgen. Immer mehr Betroffene holen sich Hilfe bei der Schuldnerberatungsstelle.

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Von einer verstärkten Nachfrage im Zuge der Corona-Pandemie spricht Daniela Reich, die im Landratsamt Rottweil für die Schuldnerberatungsstelle zuständig ist. "Die Wartezeit auf einen Termin lag zu Beginn des Jahres noch bei circa zwei bis drei Monaten und hat sich nunmehr auf circa fünf bis sechs Monate verlängert", stellt sie fest. Im Vergleich zu einigen anderen benachbarten Kreisen liege die Wartezeit im Landkreis Rottweil damit immer noch in einem angemessenen Rahmen.

Die Nachfrage bei der Schuldnerberatungsstelle sei generell stark abhängig von der wirtschaftlichen Gesamtsituation und der konjunkturellen Entwicklung, erklärt Reich. Aktuell seien bei vielen Ratsuchenden finanzielle Einbrüche zu verzeichnen - aufgrund von Kurzarbeit, eingetretener Arbeitslosigkeit oder Verlust einer Nebentätigkeit. "Hieraus resultierend ergab sich verstärkt Beratungsbedarf zu akuten Existenzsicherungsmaßnahmen, wie zum Beispiel Pfändungsschutzmaßnahmen, Unterhaltsherabsetzungsanträgen et cetera.

Beratung wurde auch wegen gerichtlicher Vollstreckungsschutzanträge bezüglich eingehender Corona-Soforthilfen auf Pfändungsschutzkonten nachgefragt", führt Reich aus.

Telefonisch oder persönlich

Die meisten Bürger hätten sich telefonisch und per E-Mail Auskunft geholt - vor allem im Frühjahr, als die persönliche Beratung in Präsenzterminen stark eingeschränkt gewesen sei. "Mittlerweile werden wieder vermehrt persönliche Beratungstermine unter Beachtung der Hygienevorschriften durchgeführt."

Die Zielgruppe der Schuldnerberatungsstelle hat sich laut Reich durch die Coronakrise grundsätzlich nicht verändert. Die Beratungsstelle gibt nach wie vor Hilfestellung bei Ver- oder Überschuldungssituationen für Bürger des gesamten Landkreises und bietet auch Insolvenzberatung an. "Selbstständige werden mit Ausnahme von Kleingewerbetreibenden nicht beraten", hebt Reich hervor.

Oft über Jahre begleitet

Ursachen für eine Überschuldungssituation seien unter anderem Arbeitslosigkeit, Einkommensschwankungen, höhere unerwartete Ausgaben, verlockende Finanzierungsangebote, unvorhersehbare kritische Lebensereignisse wie Scheidung, Unfall oder Krankheit. Auch die Überschätzung der eigenen Möglichkeiten, Suchtprobleme oder ein übersteigertes Konsumverhalten würden eine Rolle spielen.

Die Schuldnerberatungsstelle gebe "psychosoziale und haushaltswirtschaftliche Hilfestellung", es erfolge "eine Analyse der wirtschaftlichen Situation sowie ein gemeinsames Erarbeiten von Lösungswegen", schildert Reich.

So werden die Betroffenen in Finanz- und Rechtsfragen beraten, über Kredite aufgeklärt. Oft suche man gemeinsam nach Einsparmöglichkeiten und finanziellen Ressourcen. Bei Bedarf finden auch Maßnahmen in Kooperation mit der Suchtberatung und der sozialen Lebensberatung statt.

"Die Beratungsintensität und der Beratungsverlauf richten sich nach den Bedürfnissen des Einzelfalls", erklärt Reich. In der Regel handle es sich um einen lang andauernden Prozess, bei dem die Betroffenen oft über Monate oder Jahre begleitet und unterstützt werden.

"Neben der individuellen Beratung und Einzelfallhilfe bietet die Schuldnerberatungsstelle pädagogisch-präventive Hilfe durch Öffentlichkeitsarbeit", sagt die Leiterin der Beratungsstelle. Konkret geht es hier um Vorträge für Betroffene, an Schulen oder in anderen Bildungseinrichtungen sowie Flyer mit Informationen zum Thema. Ziel sei das Hinführen zu bedarfsorientiertem Konsumverhalten und zur Vermeidung von Schulden.

"Die Beratung bei der Schuldnerberatungsstelle ist kostenlos. Es gelten die Grundsätze Vertrauen und Verschwiegenheit, Freiwilligkeit, Ganzheitlichkeit, Eigenverantwortlichkeit, Hilfe zur Selbsthilfe sowie Nachvollziehbarkeit und Nachhaltigkeit", betont Reich.