Nach der Bundestagswahl und vor Verhandlungen: Wir hören rein, was die Parteien denken.

Kreis Rottweil - Wenn jemand eine leise Vorstellung haben könnte, wie es ist, gemeinsam in einer so genannten Jamaika-Koalition Regierungsverantwortung zu tragen, dann Stefan Teufel. Der CDU-Landtagsabgeordnete aus Rottweil ist stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im baden-württembergischen Landtag. Seit Mai vergangenen Jahres machen Christdemokraten und Grüne, also zwei Drittel Jamaika, zusammen Politik für das Land. Ein Bündnis, das es in dieser Konstellation zuvor im Land nicht gegeben hat.

Auch ein Zusammenschluss von CDU, FDP und Grünen auf Bundesebene wäre ein Novum. Teufel sagt, es komme nicht auf die Farben an, sondern auf die politischen Inhalte. Mit den Grünen im Land arbeite man konstruktiv zusammen, auf der Arbeitsebene herrsche ein gutes Klima. Zu Beginn habe man sich zusammenraufen müssen, erinnert Teufel. Er betont: "Es sind eben zwei eigenständige Fraktionen."

Aus seiner Sicht und aus Sicht des Landes gebe es mehrere Herausforderungen, auf die die Politik sowohl auf Landes-, als auch Bundesebene die richtige Antwort im Sinne der Bürger geben müsse. Unter anderem auf dem Feld der Verkehrsinfrastruktur. Der ländliche Raum müsse gestärkt werden. Auch jenseits von Metropolregionen müsse man ein attraktives öffentliches Verkehrsangebot vorhalten, etwa auf der Schiene. Teufel zählt eine schnelle IC-Verbindung zwischen Stuttgart und Zürich zu den wichtigsten Zielen.

Im Bereich der Bildungspolitik vertrete er zusammen mit seiner Fraktion die Ansicht, dass diese in der Verantwortung der Länder bleiben müsse, sie dürfe nicht an den Bund abgetreten werden. "Die Programme von CDU, FDP und Grünen sind zwar unterschiedlich, die Unterschiede sind jedoch nicht unüberbrückbar", so Teufel vorsichtig optimistisch.

Auch Teufels Parteikollegen im Rottweiler Kreistag, der Hardter Bürgermeister Herbert Halder und der Mediziner Georg Schumacher, geben beide unisono der Hoffnung Ausdruck, dass sich die potenziellen Jamaika-Macher zu einem Konsens in der Lage sind, bei dem positiv für die Republik gearbeitet werden kann und parteipolitisch geprägtes Agieren in den Hintergrund tritt. Sicherlich habe er sich für die CDU ein etwas besseres Ergebnis gewünscht. Doch nun müssten die drei fraglichen Parteien die Chance am Schopfe packen, gemäß ihrer Kompetenz bei bestimmten Themenfeldern zu gestalten, sagt Halder.

Schumacher betont die große Verantwortung der Protagonisten, die sich für die Verwirklichung eines gesunden Jamaika-Modells einsetzen sollen. Nicht ganz verstanden habe er, dass sich die SPD so schnell aus der Verantwortung verabschiedet habe. Mit Schwarz-gelb habe er vielleicht etwas besser leben können, sinniert der Rottweiler Allgemeinmediziner. Nun müsse im Trio versucht werden, mit starker Sachpolitik und dabei dem Einbringen der jeweiligen Stärken die wichtigen Dinge voranzubringen.

Hat die Kanzlerin Vampirqualitäten?

Die Kandidatin der Grünen für die vergangenen Landtagswahl, Sonja Rajsp, sagt, sie würde sich sehr freuen, wenn die Grünen in Regierungsverantwortung dazu beitragen dürften, dass es in Deutschland in den nächsten vier Jahren wieder vorangeht – "noch einmal GroKo fände ich furchtbar". Jamaika sei eine Herausforderung und werde viel Willen zu Kompromissen erfordern, von allen Seiten. Die Grünen hätten zehn Punkte definiert, darunter Klimaschutz, ein stabiles Europa, Integration zum Erfolg führen, Landwirtschaft nachhaltig machen, diese müssten sich im Koalitionsvertrag wiederfinden. Der größter Wunsch Rajsps ist, dass das Verkehrsministerium in Verantwortung der Grünen kommt.

"Wenn man in die Koalition geht, muss man klare Kante zeigen", meint hingegen Grünen-Politiker Hubert Nowack, der für die Bundestagswahl kandidiert hat. Dabei werde es sicherlich schwierig, "mit einem Partner im Boot, der die eigenen Standpunkte nicht vertritt", zielt Nowack auf die FDP ab. Dann rudert er zurück: "Es handelt sich schon um zwei konträre Partner, aber vielleicht ist das ganz gut." Positiv stimme ihn jedenfalls, dass den Grünen auch auf Bundesebene mehr Gewicht verliehen werde.

Frank Sucker, Grünen-Urgestein aus Rottweil, äußert nachenklich: Eine Jamaika-Runde sei für alle beteiligten Kleineren heikel. "Man kennt die Vampirqualitäten der Kanzlerin. Als wagemutiger Typ bin ich aber fürs Wagnis", so der stellvertretende Sprecher des Ortsverbands Rottweil-Zimmern. In den Koalitionsvertrag gehöre aber eine unmissverständliche grüne Handschrift. Wichtig sei, die Unterschiede zwischen notwendigen Kompromissen und grüner Parteimeinung weiter offen benennen zu können. "Und ich wünsche mir kompetente grüne Minister mit Charisma und keine langweiligen Funktionäre", so Sucker.

Wolfgang Lehrke, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im Kreistag Rottweil, sieht die Diskrepanzen weniger zwischen Grün und Gelb begründet, er äugt eher kritisch in Richtung CSU. "Es wird sehr schwierig werden", sagt der Kreisrat und führt dann doch das klassisch grüne Thema Ökologie als möglichen Konfliktpunkt in einer Jamaika-Koalition an.

"Ob man Ökologie und Ökonomie so gut verbinden kann, wie wir es uns wünschen ist fraglich", bezweifelt auch Gerhard Aden, Fraktionsvorsitzender der FDP im Kreistag. Zweifel hegt er auch ganz allgemein an der Koalitionsbildung: "Ich glaube die Regierung kommt für die FDP zu früh." Mit Blick auf ein mögliches Jamaika-Bündnis ergänzt Aden pragmatisch: "Es ist ja die einzige Möglichkeit. Und wir müssen unserer Verantwortung gerecht werden." Angela Merkel jedenfalls sei in seinen Augen eine "Kanzlerin auf Abruf".

Derweil scheint sich die SPD dem Wahlergebnis zu fügen und sich wieder auf die Oppositionsarbeit konzentrieren zu wollen. "Eine Fortsetzung der GroKo kommt nicht in Frage", bekräftigt Winfried Hecht, Kreisrat der SPD-Fraktion. "Die SPD hat für ihre gute Arbeit viel bezahlt", bedauert er. Und auch wenn das Wahlergebnis kaum andere Koalitionen ermögliche, glaubt Hecht, dass ein Jamaika-Zusammenschluss schwierig werden könnte.