Annette Reif (Mitte) gewinnt die Nominierungsversammlung. Foto: Grüne

Eine Bewerberin um Bundestagsmandat steht fest. "Grüne Influenzerin" setzt sich gegen zwei Konkurrentinnen durch.

Kreis Tuttlingen/Rottweil - "Die Zeit ist Reif" – mit diesem Spruch überzeugte Annette Reif die Mehrheit der Nominierungsversammlung der Bündnis-Grünen im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen zur Bundestagswahl 2021. Sie setzte sich gegen zwei Konkurrentinnen durch.

Schon im ersten Wahldurchgang setzte sich Reif mit 26 Stimmen von 54 gültigen Stimmen gegen Katja Rommelsbacher und Ina Schultz deutlich ab und verfehlte somit die absolute Mehrheit nur knapp. Obwohl sich im zweiten Wahldurchgang wieder alle drei Kandidatinnen aufstellen ließen, konnte die strahlende Siegerin dann sogar 33 Stimmen auf sich ziehen, wobei die Tuttlinger Gemeinderätin Katja Rommelsbacher das zweitbeste Ergebnis mit 16 Stimmen erzielen konnte. Auf dem dritten Platz landete mit nur fünf Stimmen die 41-jährige Ina Schultz aus Hohentengen.

Drei Kandidatinnen

Der neu gewählte Spaichinger Schultes Markus Hugger hatte die Stadthalle wieder für politische Veranstaltungen geöffnet. In seinem Grußwort suchte der CDU-Fraktionschef im Kreistag den Schulterschluss mit der Ökopartei. Hugger outete sich allerdings nicht als Freund der E-Mobilität, sondern setzt seine Hoffnungen auf die Wasserstoffenergie, die mit Hilfe von Solar- und Windkraftanlagen nachhaltig gewonnen werden sollte. Das Daimler-Testzentrum an seinem vorigen Wirkungsort Immendingen sei zwar wegen den Bedenken des Naturschutzes kontrovers diskutiert worden, doch seiner Meinung nach bräuchte man auch künftig eine global funktionierende Mobilität. Gerade für die heimische Industrie könnten von von Wasserstoff angetriebenen Fahrzeugen gute Perspektiven ausgehen, merkte Hugger an.

"Drei mutige Kandidatinnen sind ein gutes Zeugnis einer lebendigen Demokratie", stellte die Vorstandssprecherin des Kreisverbandes Rottweil, Astrid Böhm, fest, bevor Angelika Störk mit Routine die Versammlungsleitung übernahm. Mit umsichtiger Präzision hatte die in den Gründungsjahren eher chaotische Partei die Nominierungstagung coronagerecht vorbereitet. Und mit wachsamen Augen sorgte der Rottweiler Kreisschatzmeister Alexander Rustler dafür, dass auch alles ohne Pannen ablaufen konnte.

Katja Rommelsbacher konnte mit ihrer lokalpolitischen Erfahrung aus dem Tuttlinger Gemeinderat und ihrem sozialen Beruf als Hebamme mit eigener Praxis punkten. Ihre Schwerpunkte sieht sie in einer gerechten Bildungspolitik und im Gesundheitswesen angesiedelt. Sie kritisierte die große staatliche Unterstützung der Lufthansa, ohne dass gleichzeitig Auflagen angeordnet worden seien. Einig war sie sich mit ihren Mitbewerberinnen hinsichtlich der Kritik am schleppenden Ausbau der Gäubahn.

Mit Ina Schultz stellte sich eine im Land gut vernetzte Funktionärin vor, die mit Seitenhieben auf die Kanzlerin und Volker Kauder zu punkten versuchte. Die Netzwerkerin mit einem betriebswirtschaftlichen Studium ordnet sich selbst dem Realoflügel zu und arbeitet als persönliche Referentin der Landtagsabgeordneten Andrea Bogner-Unden im Wahlkreis Sigmaringen. "Ich liebe diese Region", erwiderte Schultz auf die Frage von Gabriele Polzer, warum sie denn nicht im eigenen Wahlkreis kandidieren wolle.

Reif will sich für mehr Nachhaltigkeit einsetzen

Mit einem überzeugenden Auftritt glänzte als letzte Bewerberin Annette Reif. Der "grünen Influenzerin" sei der sichere Job im öffentlichen Dienst zu langweilig gewesen, weshalb sie lieber eine Karriere beim Automobilzulieferer Marquart gemacht habe. "Ich kämpfe für ein Direktmandat, denn viele seitherigen CDU-Wähler stehen nur noch halbherzig hinter ihrer Partei." Reif plädierte in der Fragerunde für eine Vermögenssteuer, außerdem sei es unerträglich, dass viele Konzerne keine Steuern bezahlen würden.

Die zur Kandidatin gekürte Frau möchte sich im Falle ihrer erfolgreichen Wahl für mehr Nachhaltigkeit beim Konsum und dem Bauen mit heimischen Hölzern einsetzen. Gut vorbereitet legte Reif einen detaillierten Vierphasenplan für den Bundestagswahlkampf vor, welcher offensichtlich die Mehrheit des Publikums überzeugte.