Kurt Scherfer, Dietmar Link und Michael Minder (von links) wissen das echte Bäckerhandwerk zu schätzen. Foto: Cools

Am Mittwoch ist Brot- und Brötchenprüfung der Bäcker-Innung Tuttlingen-Rottweil. "Am Ende entscheidet immer der Kunde".

Kreis Rottweil - "Was sind mir Nahrungsmittel wert?" – eine Frage, die man sich auch anhand des Angebots an Backwaren stellen kann. Die Brot- und Brötchenprüfung morgen wirft auch Fragen über die Entwicklung des Bäckerhandwerks auf.

"Diese Brötchen sind mit Kräutern und Olivenöl gemacht. Die Idee kam mir beim Grillen", sagt Obermeister Dietmar Link und zeigt stolz seine Grillbrötchen-Kreation. Die Anwesenden sind angetan.

Michael Minder, Direktor im Vertriebsmanagement der Volksbank Rottweil verbindet den Genuss sofort schwärmerisch mit einem guten Glas Rotwein. "Mit solchen Kreationen kann das Handwerk sich von der Industrie abheben", glaubt Kurt Scherfer, Geschäftsführer der Bäcker-Innung Tuttlingen-Rottweil. Damit spricht er die Hauptproblematik der Bäckereibetriebe an.

Seit der Einzelhandel industriell gefertigte Backwaren vertreibt, haben die Bäckereien mit Absatzschwierigkeiten und einem Mangel an Auszubildenden zu kämpfen. Das Problem sei, dass Großindustrielle die Preise kaputt machen würden, stellt Scherfer fest. Durch gestiegene Rohstoff- und Lohnkosten können die Bäckereien preislich nicht mit den industriell gefertigten Backwaren mithalten. Auch die Richtlinien zur Preisauszeichnung und Erfassung der Allergene erschweren das Bäckerhandwerk.

Bezüglich der Auszubildenden-Problematik setzt Link Hoffnung in die Zuwanderung: "Da kommen neue Leute, die arbeiten und lernen wollen. Sie werden im Handwerk dringend gebraucht." Allgemein stehe das Handwerk ja dafür, Leute von der Straße wegzuholen und ihnen eine Perspektive zu bieten, sagt Obermeister Link.

Den Mangel an Auszubildenden belegen die Zahlen. Im Handwerk sei dieses Jahr in Tuttlingen und Rottweil ein Rückgang um 9,3 Prozent zu verzeichnen, berichtet Scherfer. Im Moment habe man bei insgesamt 37 Mitgliedsbetrieben mit 300 Arbeitsplätzen lediglich 19 Bäckerlehrlinge und 51 Bäckereifachverkäuferlehrlinge. Der Verkaufsberuf ist damit um ein Vielfaches beliebter als das Handwerk an sich. Dabei sei es ein relativ sicherer Arbeitsplatz, betont Link. Entlassungen gebe es nur in Ausnahmefällen, wenn jemand seine Arbeit einfach nicht gut verrichten könne.

Ein Grund für diese Entwicklung sei nach wie vor die Arbeitszeit, sagt Scherfer. "Die meisten jungen Leute verstehen nicht, dass man zwar frühmorgens anfängt, aber dann eben zu anderen Zeiten frei hat." Für den Obermeister hat es andere Gründe: "Ich vermisse den Rückhalt im Elternhaus. Neulich war ein Lehrling aus dem Kreis beim Landeswettbewerb. Das zeigt, dass die, die da sind, super Arbeit leisten. Aber das wird nicht mehr genug gewürdigt." Das Bäckerhandwerk gelte allgemein als perspektivlos und einseitig. Es sei aber durchaus möglich, betont Scherfer, sich nach seinen Stärken zu entwickeln, eine Fachhochschulreife zu machen und sogar zu studieren. Das dort erlangte Wissen könne man auch gut im Bäckereibetrieb gebrauchen.

Die Bäckereien reagieren auf die massive Konkurrenz mit einem diversifizierten Angebot. "Früher hat man bei Tisch nur eine Brotsorte gehabt, die jeder gegessen hat. Heute isst der eine ein bisschen von dieser, der andere von der. Man will mehr Vielfalt", sagt der Obermeister. Selbstkritisch gibt er zu, dass man aus eingefahrenen Wegen oft nur langsam herausgehe. Veränderungen fielen immer schwer. Gleichzeitig weiß er aber auch: "Keinen Wandel zuzulassen ist der Tod". Man müsse sich an Neuerungen anpassen. So habe er auf den geringeren Bedarf des Kunden reagiert und verkaufe nun statt 500 Gramm-Brote auch 250-Gramm-Laibe. Link schätzt die Kommunikation mit seinen Kunden. Hier könne er neue Kreationen testen und seine Kunden fragen, ob sie ihren Geschmack treffen.

Die freiwillige Brot- und Brötchenprüfung soll morgen den Kunden zeigen, welche Backwaren qualitativ die hochwertigsten sind. Hundert Punkte gilt es zu erreichen. Ein zu mehliger Boden beim Brot kann einen Punkt Abzug bringen und damit nur noch die Note "Gut" bedeuten. Andere Kriterien sind Kruste, Struktur, Geruch, Geschmack und Aussehen. Von 9 bis 15 Uhr werden bis zu 40 Brotsorten getestet.

Bisher nehmen von insgesamt 37 Bäckereibetrieben in Rottweil und Tuttlingen nur neun an der Prüfung teil. Oft sei die Erkenntnis, ob ein neues Produkt gut ankommt, wichtiger als ein perfektes Ergebnis, sagt Link.

"Brot kann so viele Rollen haben. Es kann dominieren, wie das Grillbrot, oder einfache Beilage sein zu rauchigem Fleisch", schwärmt der Obermeister. Das Schönste an echtem Bäckerhandwerk sei jedoch, dass jedes Brot anders aussieht. "Brot braucht Persönlichkeit", meint er schmunzelnd.
Kurt Scherfer, Dietmar Link und Michael Minder (von links) wissen das echte Bäckerhandwerk zu schätzen. Foto: Cools