Ebbe im Geldbeutel: Schnell können Schulden entstehen. Foto: Tim Nagengast

Immer mehr junge Menschen geraten in Schuldenfallen, aus denen sie ohne professionelle Hilfe nicht entkommen. Die Schuldnerberatung hat alle Hände voll zu tun.

Jetzt kaufen, später zahlen: Schnell häufen sich Rechnungen an, die einem über den Kopf wachsen können. Doch nicht nur Konsumschulden machen vielen Menschen, vor allem jüngeren, zu schaffen. Erkrankung, Sucht, Unfall sind Hauptauslöser für Überschuldung, wie aus dem Bericht der Sozialen Schuldner- und Insolvenzberatung für Bürgergeldbezieher von Caritas und Diakonie im Landkreis Lörrach hervorgeht. Beide Träger haben die Aufgabe im Juni 2023 vom Landratsamt übernommen und bis Ende 2024 insgesamt 539 Clearinganfragen gezählt. 523 Fälle seien in Bearbeitung, auf der Warteliste stehen 148 Personen, wie Sonja Steiger von der Diakonie berichtete – Tendenz steigend. Den Trägern steht jeweils eine halbe Stelle zur Verfügung, mehr könne nicht geleistet werden. Mit einer Stelle können 20 bis 30 Insolvenzverfahren begleitet werden. Schon jetzt gebe es 17 Anliegen für Insolvenzen.

 

Schnelles Abrutschen möglich

Ein zweiter großer Hauptauslöser für Überschuldung ist laut Analyse Arbeitslosigkeit, unter anderem gefolgt von unwirtschaftlicher Haushaltsführung, Trennung, Scheidung, Tod und Jobs im Niedriglohnsektor. Zu den großen Gründen gehöre auch eine gescheiterte Selbstständigkeit, ergänzt Susanne Sprengart von der Caritas.

Bei dem Angebot für ALG II-Bezieher stünde die Überschuldungsproblematik, weniger Finanzprobleme, im Fokus. „Es kann jeden treffen, auch bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit müssten Darlehen bedient werden“, erklärte Steiger. Und: Mieten fressen bisweilen 40 Prozent des Einkommens auf, skizzierte sie die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt.

Die Existenz sichern

Die Existenzsicherung sei der erste Baustein der Beratung. „Wir prüfen, ob die Betroffen alle ihnen zustehenden Leistungen auch abrufen“, erklärte Sprengart, die den präventiven Aspekt des Beratungsangebots unterstrich. Wichtig: Man schaue genau hin, welche Stärken, Kompetenzen und Ressourcen der Betroffene mitbringe. „Wir befähigen sie, den Prozess selbst mitzugestalten“, so Sprengart. Auf diese Weise lasse sich auch Scham und Angst abbauen. Und: Beide Träger schreiben die Gläubiger an, um eine außergerichtliche Einigung zu erreichen. Je nach Fall gebe es unterschiedliche Vorgehensweisen und Arbeitsaufkommen. Ziel sei es, das Verfahren bis zur Insolvenzeröffnung in vier bis sechs Monaten zu absolvieren. Dass die Wirksamkeit des Beratungsangebots messbar sei, ließ die Caritas-Vertreterin nicht unerwähnt. Die Schuldenhöhe verringere sich, und auch Staat und Gesellschaft profitierten. Es verbesserten sich auch die familiäre Beziehung und die soziale Teilhabe.

Meilenstein für die Betroffenen

Mit der Insolvenzeröffnung ende der Beratungsprozess, das sei ein Meilenstein für die Betroffenen. Sprengart und Steiger gaben auch einen Einblick in Schicksale. So konnte auch einem jungen Mann mit Suchtproblemen und schweren psychischen Beeinträchtigungen geholfen werden: Dank einer Generalvollmacht konnte die Mutter die Insolvenz für ihren Sohn mit der Hilfe der Beratungsstelle durchführen. Zudem wurden Mutter und Sohn intern an das Traumanetzwerk weitervermittelt. Ein anderer Fall: Eine alleinerziehende Mutter war mit 67 Forderungen konfrontiert, wovon 17 beglichen werden konnten. In den Gesprächsterminen ergäben sich oft neue familiäre Situationen wie zum Beispiel die Aussicht auf eine Festanstellung, durch den Verlust mehrerer Babys während der Schwangerschaft und Trennung. Hier seien schon einige Gläubiger durch kleinere Beiträge bedient worden, hieß es weiter. Indes: Wegen der hohen Anzahl an Gläubigern, verbunden mit nicht zuverlässig wahrgenommenen Terminen, habe noch kein Insolvenzverfahren eröffnet werden.

Steigende Tendenz

Mit Blick auf die Hilfesuchenden sehen Steiger und Sprengart eine zunehmende Tendenz. Die Lage verschärfe sich, verwiesen sie auf den Onlinehandel und einfache Bezahlmöglichkeiten. Aktionen wie „Jetzt kaufen, später zahlen“, seien Schuldenfallen. Menschen würden bereits in jungen Jahren Konsumschulden aufbauen. „Das Risiko ist jedenfalls vorhanden“, so Sprengart. Hilfreich wäre es, wieder zwei Stellen in der Schuldnerberatung zu haben, lautete die Botschaft an die Verwaltung.