Wie geht es mit der Gäubahn weiter? Darüber informierte sich der Technische Ausschuss des Kreistags in seiner jüngsten Sitzung. Foto: Spotts

Nahverkehrsberater Ulrich Grosse gibt Antworten auf brennende Fragen. Überwiegen am Ende die Vorteile?

Kreis Freudenstadt - Wie wirkt sich der Bau von Stuttgart  21 auf die Gäubahn aus, welche Nachteile haben Reisende während der Bauarbeiten und nach Fertigstellung zu befürchten? Nahverkehrsberater Ulrich Grosse lieferte im Technischen Ausschuss des Kreistags fundierte Antworten auf diese Fragen.

Bereits im Dezember hat der Kreistag deshalb auf Antrag der Fraktion der Grünen eine Resolution gegen die geplante Kappung der Gäubahn in Stuttgart-Vaihingen verfasst und beschlossen, Nahverkehrsberater Ulrich Grosse – ein profunder und anerkannter Kenner des Schienenverkehrs im Land – einzuladen.

In seiner Präsentation erläuterte er den nicht ganz einfachen Sachverhalt, beantwortete zahlreiche Rückfragen und machte am Ende vor allem eines deutlich: Die vermeintlichen Nachteile während der Bauzeit halten sich in Grenzen, und am Ende werde manches auch besser als bisher.

Ab 2025 ist im Norden Stuttgarts Schluss

Grosse erklärte, dass es die heutige Strecke der Gäubahnvon Horb über Herrenberg nach Böblingen in Richtung Hauptbahnhof bis 2025 unverändert geben wird. Danach werden die S-Bahnlinien S 4, S 5 und S 6 infolge neuer Haltestellen verschwenkt, und die Gäubahn wird deshalb – voraussichtlich ab Mitte 2025 – im Stuttgarter Norden enden. Dies habe nicht nur bautechnische Gründe, sondern sei auch deshalb nötig, weil die Stadt Stuttgart der Deutschen Bahn das Bahngelände im Bereich der heute oberirdischen Gleise für 800 Millionen Euro abgekauft und dafür die Zusage erhalten habe, ab 2021 frei darüber verfügen zu können. Jede Verzögerung koste die Bahn pro Jahr 30 Millionen Euro an Zins.

Von einer weiteren Verzögerung der Räumung nach 2025 sei nicht auszugehen. Die Stadt Stuttgart habe zudem bereits einen Wettbewerb zur künftigen Nutzung der Fläche ausgerichtet. Alternativ dazu werde die Gäubahn ab diesem Zeitpunkt nur noch bis Stuttgart-Vaihingen verkehren, von wo aus dann aber ab 2025 alle fünf Minuten eine S-Bahn zum Hauptbahnhof fährt. Für die SBB-IC-Reisenden aus Horb bleiben die Anschlussverbindungen an den ICE nach Dortmund beziehungsweise Berlin so trotz des Umstiegs weiterhin erreichbar.

Für Reisende mit dem Doppelstock-IC ab Horb ist die Umstiegszeit dann aber definitiv zu kurz, so Grosse. Dies gelte aber nur für eine Übergangszeit während der zweiten Jahreshälfte im Jahr 2025. Mit der Eröffnung des Tiefbahnhofs im Dezember 2025 werde nämlich die Strecke Mannheim-München im 30-Minuten Takt befahren – und damit gebe es wieder einen guten Anschluss für den Doppelstock-IC.

Grosse machte keinen Hehl daraus, dass der Umstieg auf die S-Bahn in Vaihingen trotzdem als Nachteil und Notlösung zu bewerten sei, dass daran aber kein Weg vorbeiführe. Derzeit müsse davon ausgegangen werden, dass die Umstiegsphase länger dauere, da sich die eigentlich geplante Führung der Gäubahn über den Flughafen weiter mangels Planfestellung verzögere.

Anschluss an alle sechs S-Bahn-Linien

Auszugehen sei seiner Meinung nach von einem Zeitraum von mindestens drei Jahren, vielleicht sogar deutlich mehr. Pendler aus dem Kreis Freudenstadt hätten mit dem Umstieg aber Anschluss an alle sechs S-Bahn-Linien – entweder direkt in Stuttgart-Vaihingen oder am künftigen neuen Bahnsteig der Gäubahn in Stuttgart-Nord. Für Fahrten aus dem Kreis Freudenstadt in Richtung Universität ergeben sich sogar deutliche Fahrzeitverkürzungen. Dasselbe gelte für Fahrten Richtung Feuersee oder Stadtmitte.

Grosse zeigte sich überzeugt, dass das vom Land entwickelte Umstiegskonzept in Vaihingen funktioniert. Ein Umstieg auf den Individualverkehr sei deshalb nicht nötig. Probleme während der Übergangszeit ergeben sich allerdings dann, wenn die Stammstrecke von Vaihingen zur Stadtmitte aufgrund von Störungen gesperrt wird, weil die bisherige Alternative über die sogenannte Panoramabahn dann nicht mehr zur Verfügung steht. Reisende müssten in dem Fall eine Umleitungsstrecke mit Umstieg am Nordkopf in die S-Bahn in Kauf nehmen. Später diene in einem solchen Fall die Verbindung vom Tiefbahnhof über den Flughafen nach Böblingen als Ersatzverbindung.

Grosse stellte auch klar, dass der Umstieg in Vaihingen nach Fertigstellung des Tiefbahnhofs und Führung der Gäubahn über den Flughafen wieder entfällt. Die Strecke über den Flughafen sei zwar länger als bisher, wegen der höheren Geschwindigkeiten aber trotz des zusätzlichen Halts am Flughafen genauso schnell.

Dieser Halt ermögliche es zudem, die Bewohner der Filder besser anzubinden als bisher. Von dort aus bestehe dann eine stündliche Direktverbindung nach Freudenstadt. Zudem gebe es dort eine U-Bahn-Linie und die Fernbusse.

Nicht vorgesehen sei am Flughafen jedoch der Umstieg Richtung München, weil der Halt des ICE Dortmund-München im Tiefbahnhof geplant sei, so Grosse auf entsprechende Feststellung von Ernst Wolf (FDP). Aber Regionalzüge nach Ulm, Lindau, Nürtingen und Tübingen hielten dort.

550 Millionen für Ausbau der Gäubahn

In der Diskussion im Anschluss ging es zudem um die weitere Ausbauperspektive der Gäubahn zwischen Horb und Neckarhausen, wo nach nunmehr 15 Jahren mit einem doppelspurigen Ausbau der fünf Kilometer zu rechnen sei, so Grosse. Die Inbetriebnahme sei für Ende 2023 vorgesehen. Die Bahn habe darüber hinaus die Planung im Abschnitt Rottweil-Neufra aufgenommen. Dort sei ebenfalls eine Doppelspur erforderlich.

Insgesamt habe der Bund im Bundesverkehrswegeplan 550 Millionen Euro für den Ausbau der Gäubahn bereitgestellt. Die Gäubahn genieße im Land hohe Priorität.

Kürzere Fahrtzeit nach Zürich

Im Fokus des Landes stehe dabei auch eine mögliche Verkürzung der Fahrzeiten zwischen Stuttgart und Zürich von heute drei Stunden auf 2:37 Stunden durch den Einsatz von speziellen Neigetechnikzügen. Die DB lehne den Einsatz dieser Züge aufgrund der Kosten bisher aber ab.

Wolf bezeichnete die Nachteile im Vergleich zu den Vorteilen der künftigen Lösung als "überschaubar". Gerhard Gaiser (SPD) hingegen erkannte nur Nachteile für den Kreis und bezeichnete das Ganze als "einzige Fehlplanung", wenn man über den Flughafen zum Hauptbahnhof geleitet werde. Der Landesregierung und der DB glaube er sowieso nichts mehr.

Dies ärgerte Julian Osswald (CDU), der Gaiser des vorgezogenen Wahlkampfs bezichtigte. Er habe noch nie erlebt, dass jemand einen Vortrag so falsch auffasse wie Gaiser. Er habe aus dem Vortrag gelernt, dass all das, was es derzeit an Gerüchten über die Gäubahn gebe, dezidiert betrachtet werden sollte, bevor man sich irgendwelchen Resolutionen anschließe. Diese spielgelten die Dimension des Ganzen nämlich nicht wider.