Gut besetzt – aber nur auf dem Papier: das Polizeirevier in Freudenstadt. Foto: Rath

Reaktionen auf neue Direktion Nordschwarzwald. Beamte im Kreis plagen ganz andere Sorgen.

Kreis Freudenstadt - Verfechter einheitlicher Verwaltungsstrukturen in der Region jubeln: Nach der Reform der Polizeireform soll Freudenstadt einer neuen Direktion Nordschwarzwald mit Sitz in Pforzheim angegliedert werden. Die Polizei im Kreis nimmt’s emotionslos zur Kenntnis. Sie hat ganz andere Sorgen.

Präsidium in Tuttlingen oder Pforzheim? Von Freudenstadt aus betrachtet, macht das von der Entfernung her wenig Unterschied. "Relativ nüchtern" hat Gerold Schumacher deshalb die Einigung der Regierungsparteien im Land in Sachen "Evaluation der Polizeireform" zur Kenntnis genommen. Der Polizeioberrat ist seit zehn Jahren Leiter des Freudenstädter Reviers. Seine Kollegen vor Ort hätten ganz ähnlich reagiert.

Das Problem: Die erste Reform, die 2014 in Kraft trat und im Zuge derer der Kreis Freudenstadt der Polizeidirektion Tuttlingen zugeordnet wurde, sollte mehr Personal für die Arbeit vor Ort freischaufeln. Das sei auch eingetreten – vorübergehend. "2014 hatten wir zunächst zwei Stellen mehr", so Schumacher, "aber das blieb nur wenige Monate so."

Auf dem Papier ist die Polizei im Kreis auch ganz ordentlich aufgestellt. 61 Stellen stehen beispielsweise im Personalplan des Freudenstädter Reviers. Zurzeit seien aber nur rund 50 davon besetzt. "Delta" nennt Schumacher das. Delta mit großem D wie Differenz – der Unterschied zwischen Soll und Haben, Plan und Wirklichkeit. "Das war schon immer unser Problem. Zuletzt ist es aber immer größer geworden", so der Polizeioberrat.

Wenn die zweite Reform in 2020 greift, wie es sich jetzt abzeichnet, bedeute dies wohl eine Umstellung. Zusammen mit den Kollegen in Tuttlingen seien funktionierende Netzwerke geschaffen und "eingespielte Abläufe" aufgebaut worden, man kenne sich. Hier müsste die Polizei dann wieder von vorne anfangen, was Schumacher zur Kenntnis nimmt. Vermutlich koste der Aufbau neuer Strukturen zunächst viel Arbeit. "Aber ich gehe da ohne Emotionen ran. Das hilft auch nicht weiter", so der Revierleiter. Ohnehin seien die Einzelheiten und Anforderungen der neuen Struktur noch nicht bekannt.

Sorgen haben er und die Beamten andere: Dass einige Kollegen nach der Aufbauarbeit in Pforzheim nicht mehr zurückkehren. Ein weiterer Personalverlust vor Ort könne auch indirekt passieren: Indem freie Stellen in Pforzheim, das im Vergleich zu Freudenstadt als heißes Pflaster gilt, bevorzugt besetzt werden und die im ländlicheren Raum offen bleiben. "Die Polizei kann ihr Personal schließlich nicht beim Arbeitsamt akquirieren", sagt Schumacher.

Der Bürger werde von der Reform wohl weniger mitbekommen. "Wenn er die 110 wählt, kommt er eben in Pforzheim raus und nicht mehr in Tuttlingen", so Schumacher.

Außerdem werde die Aufnahme schwerer Verkehrsunfälle wohl wieder an die Reviere vor Ort übertragen, in Zusammenarbeit mit der Verkehrspolizei in Zimmern bei Rottweil. Die lange Anfahrt der Beamten hätte öfter "für Unmut" gesorgt. "Das sollte künftig nicht mehr der Fall sein", so der Polizeichef.

Die aktuelle Stimmung in seiner Mannschaft beschreibt Schumacher so: "Relativ nüchtern." Es gebe keine allzugroße Hoffnung, dass bald wieder mehr Kollegen zur Verfügung stehen.

Landrat Klaus Michael Rückert:

"Ich begrüße die Entscheidung der Landesregierung, den Landkreis Freudenstadt dem neuzugründenden Polizeipräsidium Nordschwarzwald in Pforzheim anzugliedern. Dies bedeutet eine Stärkung für die Region Nordschwarzwald. Nach Pforzheim bestehen zahlreiche Verflechtungen und Verknüpfungen, wobei ich mir im Klaren darüber bin, dass die räumliche Entfernung nicht wesentlich besser ist. Für die Arbeit des neuen Polizeipräsidiums wird es sich aber ganz sicher positiv auswirken, dass dessen Wirkungsbereich deckungsgleich mit der bewährten Verwaltungsstruktur des Nordschwarzwalds ist."

Wirtschaftsförderung "Zukunftsregion Nordschwarzwald" GmbH:

Der Calwer Landrat Helmut Riegger, Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsförderung, erklärt: "Mit Blick auf die diesbezüglichen Bemühungen der regionalen Vertreter in den letzten Jahren freue ich mich sehr über diese Entscheidung der Landesregierung und möchte insbesondere Innenminister Thomas Strobl für die Entscheidung zugunsten der Region Nordschwarzwald danken."

Regionalverband:

Die Entscheidung der Landesregierung Baden-Württemberg, für die Region Nordschwarzwald künftig ein eigenes Polizeipräsidium mit Sitz in Pforzheim vorzusehen, wird vom Regionalverband Nordschwarzwald und der regionalen Wirtschaftsförderung äußerst positiv aufgenommen. Jürgen Kurz, Vorsitzender des Regionalverbands Nordschwarzwald, kommentierte die Entscheidung so: "Ich bin froh, dass die Empfehlungen der eingesetzten Expertenkommission mit Blick auf die Region umgesetzt werden und unsere Bemühungen Früchte tragen."

Landtagsabgeordnete:

Timm Kern (FDP): "Dass der Landkreis Freudenstadt einem neuen Polizeipräsidium in Pforzheim zugeordnet wird, begrüße ich. So können die Kooperationen der Region in Sachen Wirtschaft und Tourismus auch auf den Bereich der Inneren Sicherheit ausgeweitet werden. Die Einigung der grün-schwarzen Landesregierung auf das 13er-Modell ist aber ein fauler Kompromiss. Auf Kosten der Sachlichkeit wurde halbherzig entschieden. Eine Expertenkommission hatte ihre Empfehlungen zur Frage der Standorte der Präsidien abgegeben und klar das 14er-Modell befürwortet. Nur aus Kostengründen haben sich die Grünen dem nun widersetzt. Zur Gesichtswahrung kündigt die CDU an, zu einem späteren Zeitpunkt erneut das 14er-Modell prüfen zu wollen. Planbarkeit und Verlässlichkeit für unsere Polizisten sehen anders aus." Von Borbert Beck (CDU) lag bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme vor.