Kreis Freudenstadt - Die Zeit erscheint reif, und der Landkreis will die Chance nutzen: Er plant den großen Wurf für einen modernen und integrierten öffentlichen Nahverkehr.

Den dafür notwendigen Grundsatzbeschluss erhielt die Verwaltung um Landrat Klaus Michael Rückert am Montag vom Kreistag. Stufenweise soll das Angebot auf- und ausgebaut werden, hin zum Stundentakt, besserer überregionaler Anbindung, Angebots-Apps fürs Smartphone und Teilauto- oder Mitfahrangebote.

Konzept soll schrittweise umgesetzt werden

Das große Konzept soll schrittweise umgesetzt werden. Rückenwind spürt der Kreis durch die große Bürgerumfrage jüngst. Auch sonst stehen für Rückert die Signale beim ÖPNV auf grün: Klimaschutzdebatte, Mobilitätswende und die Planungen des Landes, für den Nationalpark Schwarzwald Regiobuslinien Richtung Baden-Baden und Achern zu schaffen und die neue ÖPNV-Förderpraxis des Landes als Anreiz sind weitere Gründe für Rückert, Gas zu geben. Der ländliche Raum werde wieder attraktiver für Menschen. Entscheidend für den Erfolg seien unter anderem Mobilität, medizinische Versorgung und eine gute digitale Infrastruktur. "Wir sind an allen Themen dran", so Rückert.

Starten will der Kreis beim Freizeitverkehr. Hier können die Planer besser testen, was angenommen wird. Außerdem sahen hier die Teilnehmer der Umfrage den größten Bedarf. Der Ausbau kostet: Rund 300.000 Euro gibt der Kreis pro Jahr alleine für den ÖPNV-Freizeitverkehr aus. Bis 2022 sollen zusätzliche 900.000 Euro investiert werden. Einen Teil davon finanziert das Land. Wenn 2024 die Verträge auslaufen, könne auch der Werksverkehr neu aufgestellt werden. Was das zusätzlich kostet, könne im Moment keiner sagen.

Gegenstimmen von Freien Wählern und AfD

Der Grundsatzbeschluss fiel bei großer Mehrheit. Gegenstimmen kamen von Freien Wählern und AfD für den Teilaspekt, den Busverkehr "Hin zur Schiene" auszurichten. Die Bürgermeister von Schopfloch und Waldachtal, Klaas Klassen und Annick Grassi, äußerten die Sorge, ihre Gemeinden könnten Buslinien verlieren. Das kann passieren, so der Landrat. Müsse aber nicht. "Die Details werden später geklärt", so der Landrat. Offen räumte er ein, zur Not wenig genutzte Buslinien streichen zu wollen, wenn durch Änderungen unterm Strich mehr Kunden für Busse und Bahnen gewonnen werden könnten.

Fachlich begleitet wird der Kreis von der Nahverkehrsberatung Südwest. Deren Vertreter Hartmut Jaißle sagte, das Prinzip "Hin zur Schiene" werde von anderen Kreisen bereits erfolgreich praktiziert.

Info: Der Fahrplan

Der Kreis plant ein ÖPNV-Konzept mit integralem Fahrplan , bei dem Bus- und Schienennahverkehr vertaktet werden. Der bestehende Freizeitverkehr soll im Lauf des nächsten Jahres "Hin zur Schiene" ausgerichtet werden. Die vom Land zu 60 Prozent geförderten Regiobuslinien von Freudenstadt und Baiersbronn zum Ruhestein (Verkehrkonzept Nationalpark) sollen kommen.

In 2020 und 2021 soll ein Mobilitätsmix mit ÖPNV und On-Demand-Verkehren (auf Anforderung) eingerichtet werden mit dem Ziel, einen Stundentakt zu schaffen. Kommunen können das Angebot in ihrem Bereich ausbauen. Eine Mitfahrvermittlung oder Fahrgemeinschaften sollen entwickelt werden, um Pendlerströme zu bündeln. Ferner soll es mehr Fahrradboxen sowie E-Bike und Elektro-Roller-Angbeote geben.

Kreis und VGF streben eine Tarifanbindung von Horb und Eutingen an den Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) an und nehmen Verhandlungen auf. Die Verwaltung beauftragt eine multimodale App-Lösung , die alle Mobilitätsangebote im Landkreis abbildet.

Info: Das sagen die Fraktionen

"Der Nahverkehrsplan ist sehr komplex. Die CDU ist grundsätzlich für den Ausbau. Die Anbindung über die Regiobusse Richtung Baden-Baden und Achern machen den Kreis Freudenstadt attraktiver." Michael Ruf, CDU

"Wir danken der Verwaltung ausdrücklich für die Modernisierung des ÖPNV. Das ist überfällig. Die Vorarbeit ist hervorragend, auch das Instrument der Bürgerbeteiligung hat sich bewährt. Wünschenswert wäre es, schon in der Übergangszeit Detailverbesserungen vorzunehmen." Wolf Hoffmann, Grüne

"Für uns gibt es noch eine Reihe von Fragen zu diskutieren. Wir haben noch Bedenken. Heißt ›Hin zur Schiene‹, dass in Gemeinden Buslinien wegfallen? Und wer bezahlt die Kosten für die Infrastruktur? Die Gemeinden?" Klaas Klaassen, FWV

"Wir sind uns einig, dass der ÖPNV in Zukunft große Bedeutung haben wird. Der Schwerpunkt wird auf die Schiene zu legen sein. Der Kreis Freudenstadt muss auch beim Gäubahn-Ausbau eine aktivere Rolle spielen. Es kann nicht sein, dass auf der Linie Freudenstadt-Stuttgart bald in Vaihingen Schluss sein soll. Wir haben jetzt die Chance auf einen Masterplan. Er kommt zwar spät, geht aber in die richtige Richtung. Uns würde interessieren, was ein kostenloser ÖPNV oder ein 365-Euro-Ticket kosten würde." Gerhard Gaiser, SPD

"Natürlich müssen die Schüler in die Schule und die Arbeitnehmer ins Geschäft kommen. Aber es gibt auch noch eine Eigenverantwortlichkeit. Im Grundsatz ist das Konzept richtig. Aber es wird schon großzügig mit Geld umgegangen, das wir nicht haben." Richard Koch, AfD

"Auch wir von der Frauenliste sind euphorisch. Es liegt ein großes Stück Arbeit vor uns, aber wir sind guten Mutes und freuen uns drauf." Bärbel Altendorf-Jehle, Frauenliste

"Wir sind sehr froh, dass der Kreis das Thema angeht und ein Paket schnürt. Und wir sind froh, dass es ein bedarfsorientiertes Angebot geben soll, etwa mit dem On-Demand-Modul." Margarete Rebholz, FDP