Die Geburt eines Kinds ist für die Eltern ein prägendes Ereignis. Foto: Sauer

"Frauen in den Kreistag" erhoffen sich von Landrat und Klinikleitung eine Alternative.

Kreis Freudenstadt - Das Thema Kreißsaal-Verbot für Väter in Corona-Zeiten bewegt. Jetzt rufen Fraktion und Wählervereinigung "Frauen in den Kreistag" Landrat und Krankenhaus-Geschäftsführung dazu auf, "Alternativen" zu überlegen.

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Dies geht aus einem offenen Brief an Klaus Michael Rückert, Landrat und Aufsichtsratvorsitzender der Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt (KLF), die Aufsichtsräte sowie KLF-Geschäftsführer Matthias Meier und den ärztlichen Direktor Florian Bea hervor. "Im Interesse der vielen werdenden Eltern im Landkreis Freudenstadt" bitten die Unterzeichnerinnen, die Entscheidung zu überdenken und schnell nach "gangbaren Alternativen" zu suchen.

Nachbarhäuser bewerten die Lage anders

Die Geburt eines Kinds sei "ein immens wichtiges Ereignis" im Leben einer Frau. Eine vertrauensvolle Begleitung bei diesem Ereignis, "in der Regel der Vater", gehöre "zwingend" dazu. Ihn davon auszuschließen und "die Gebärende in der Ausnahmesituation der Geburt allein zu lassen", sei nicht nur schlimm, sondern könne auch eine Reihe von Interventionen in Gang setzen, die mehr Kontakte zwischen Frau und Personal erforderlich mache, als es wünschenswert sei.

Vor allem Erstgebärende, die oft über Stunden im Kreißsaal liegen, könnten nicht von Hebammen "eins zu eins" betreut werden. Wie bekannt sei, herrsche in Freudenstadt wie in vielen anderen Krankenhäusern ein Mangel an Hebammen und Geburtshelfern. Eine Hebamme müsse im Dienst drei bis vier Frauen gleichzeitig betreuen. Dies sei "nicht leistbar". Hier gehe es auch um den Schutz der Hebammen. Angst, Anspannung, Schmerz und eine daraus resultierende Blockade bei werdenden Müttern seien vorprogrammiert. Weitere Interventionen seien dann nötig, was wiederum weiteres Personal erforderlich mache. Dazu zähle etwa die PDA-Anästhesie – eine Schmerzbetäubung über die Wirbelsäule der Frau. Die psychosozialen Probleme postpartal – landläufig Wochenbett-Depression oder "Babyblues" genannt – würden beim Verbot auch "völlig außer acht" gelassen. Wie solle eine frischgebackenen Mama gerne auf ihre Geburt zurückblicken, wenn sie vom wichtigsten Menschen, der ihr emotional am nächsten stünde, an der Tür abgegeben werden müsse.

Inwieweit das Väter-Verbot einen Schutz für die Hebammen darstelle, sei zumindest eine Frage wert. Möglicherweise infizierte Väter dürften nicht in den Kreißsaal, möglicherweise infizierte werdende Mütter hingegen schon, die schließlich mit ihm zusammen lebe. Aus Sicht des Krankenhauses sei es "nachvollziehbar", zu versuchen, die Beschäftigten zu schützen. Aber auch andere Patienten könnten trotz Infizierung akut ins Krankenhaus eingeliefert werden. Und auf der Kinderstation dürfe auch jeweils ein Elternteil das Kind begleiten. "Wo liegt da der Unterschied?"

Die "Frauenliste" fragt, ob das Ausweichen "auf den seit Jahren nicht genutzten Kreißsaal" in einem anderen Stockwerk eine Möglichkeit wäre oder ob sich provisorische Wände einziehen ließen, wenn Kreißsaal und Intensivstation zu nah beieinander lägen. Anstehende Geburten könnten auch in das Krankenhaus Horb verlegt werden. Dort seien vor Jahren mit der umfangreichen Sanierung neben dem medizinisches Versorgungszentrum der Fachrichtungen Chirurgie/Unfallchirurgie, Gynäkologie und Psychiatrie auch zwei moderne ambulante Operationssäle gebaut worden.

Der Deutsche Hebammenverband und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sprächen sich in der jetzigen Zeit für eine Beteiligung des Vaters an der Geburt aus, so die "Frauenliste". Die Krankenhäuser Offenburg, Lahr, Achern, Calw, Tübingen, Rottweil und Herrenberg hätten kein Verbot ausgesprochen. " Bitte lassen sie die werdenden Väter oder eine Begleitperson beim freudigsten Ereignis ihres Lebens dabei sein", so die Unterzeichnerinnen. Der Landkreis sollte Freudenstadt solle gerade in Krisenzeiten ein familienfreundlicher Landkreis sein.