Die Kurve der positiv Getesteten flacht langsam ab. Foto: Landratsamt FDS

Lob für Ärzteschaft im Landkreis. Nur noch rund 150 aktive Infektionen. Reproduktionsrate bei 0,68.

Kreis Freudenstadt - Der Landkreis hat die Corona-Pandemie bislang gut bewältigt. Das Krisenmanagement funktioniert. Mit diesem Fazit wartete Landrat Klaus Michael Rückert am Montag in der Sitzung des Verwaltungs- und Sozialausschusses auf.

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Es war die erste Sitzung nach einer mehrwöchigen Zwangspause. Entsprechend waren die aktuellen Entwicklungen das zentrale Thema. Rückert zog eine insgesamt positive Zwischenbilanz. "Wir fühlen uns deshalb in der Lage, auch die nächsten Schritte gut zu begleiten", so Rückert.

Demnach waren zuletzt 565 Personen mit dem Virus infiziert, von denen – Stand Dienstag vorige Woche – 411 wieder aus der Quarantäne entlassen worden sind. 33 Personen seien gestorben, bei denen man das Virus nachgewiesen habe. "Ob sie an Corona gestorben sind, das wissen wir nicht", stellte er aber klar. Im Krankenhaus befinde sich derzeit eine Person auf Intensivstation, fünf weitere auf der normalen Isolierstation. Der R-Faktor – also die Zahl an Personen, die von einer infizierten Person im Mittel angesteckt werden – liege derzeit nur noch bei 0,68. Er sei deshalb all jenen dankbar, die "durch Vernunft" einen Beitrag dazu geleitet hätten.

Lockerungen bei Gastrnomie und Hotellerie notwendig

Welche weiteren Lockerungen richtig oder falsch sind, das wisse er nicht, so Rückert. Er halte es jedoch für "dringend erforderlich", dass sich das Land in Sachen Gastronomie und Hotellerie bewege. Es gebe bereits fertige Hygienekonzepte. Er habe Gastronomen am Telefon gehabt, die vor Corona einen blühenden Betrieb gehabt hätten. Jetzt weinten sie am Telefon, weil sie "am Ende" seien.

Im Landratsamt selbst kümmere sich ein breit besetzter Coronastab um das Gesamtthema (wir berichteten). Im Mittelpunkt stehe das Gesundheitsamt, dessen Leiter "die Dinge mit sehr viel Ruhe, persönlichem Engagement und Sachverstand" angehe. Das verstärkte Team arbeite an sieben Tagen pro Woche.

Zuständig sei der Landkreis auch für die Verfolgung von Ordnungsverstößen gegen Auflagen. Den Veranstaltern einer Corona-Party habe der Landkreis zunächst ein Bußgeld von 250 Euro und aufgrund desselben Verstoßes nur vier Tage danach von 1000 Euro auferlegt. Hinsichtlich der Schutzausrüstungen sei zunächst nichts von dem, was das Land beschafft habe, im Landkreis angekommen.

Schutzausrüstung für eine Million Euro

Der Landkreis habe sich die Schutzausrüstungen deshalb selbst in China beschafft – mittlerweile im Wert von rund einer Million Euro, so Rückert. Hätte man auf die inzwischen eingetroffenen- Landeslieferungen gewartet, hätte das mehrfach zum Notstand geführt, so Rückert. In einer extra angemieteten Lagerhalle würden die Pakete gesammelt und nach angemeldetem Bedarf an das Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen verteilt. Abgegeben werde zum Selbstkostenpreis.

Im Krankenhaus selbst treffe sich der dortige Coronastab ein- bis zweimal pro Tag. Vorsorglich habe man dort in der Vergangenheit nur noch 140 Patienten im 360-Betten-Haus gehabt, um für "den Fall der Fälle" gewappnet zu sein. Inzwischen fahre man den normalen Betrieb aber wieder hoch. Trotz Corona sei die Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt (KLF) "Jederzeit in der Lage" gewesen, andere Notfälle zu versorgen.

Großes Lob sprach der Landrat den niedergelassenen Ärzten aus. Die hätten innerhalb von 24 Stunden zunächst das Abstrichzentrum in Baiersbronn und später die Fieber- und Infektionsambulanz in Dornstetten "aus dem Boden gestampft". Derzeit seien sie in der Lage, täglich "400 plus x" Abstriche untersuchen zu lassen. Gemeinsam mit der Uni Freiburg forsche man zudem im Bereich der Antikörper-Tests. In die Ambulanz in Dornstetten habe der Landkreis zwischenzeitlich rund 20 000 Euro investiert, weil sich die eigentlich zuständige Kassenärztliche Vereinigung anfangs geziert habe. Der Kreis hole sich das Geld aber zurück. Die Einrichtung habe jedenfalls zu einer großen Entlastung in den Arztpraxen für den Regelbetrieb geführt.

Situation ist gut zu handeln

Axel Schneider vom Gesundheitsamt berichtete anschließend von teilweise über 400 zeitgleich infizierten Personen pro 100 000 Einwohner im Kreis, was dem Landkreis einen Platz acht und zwölf im Gesamtvergleich beschert habe. "Wir haben uns von diesen Plätzen zwischenzeitlich aber wieder heruntergearbeitet", so Schneider.

Ursächlich für diese Zahlen seien Rückreisen aus Infektionsgebieten zu Beginn der Krise gewesen. Derzeit liege die Inzidenzrate bei 25 bis 50, womit "die Situation insgesamt gut zu handeln" sei. Gespannt sei er auf die Auswirkungen weiterer Lockerungen. Erste Öffnungen nach Ostern hätten zu einem leichten Anstieg der Fallzahlen geführt.

Die Diskussion im Kreistag

Michael Ruf (CDU) beklagte die Situation in Baiersbronn, wo Unternehmen schon Nachteile erleiden würden, weil sich beispielsweise Lieferanten weigerten, die Gemeinde aufgrund der vielen Infektionen überhaupt noch anzufahren. Auch die Gastronomie bekomme das zu spüren. Deshalb sei es wichtig, positive Entwicklungen in den Bekanntmachungen auch auf einzelne Ortschaften herunterzubrechen, um den Malus des "infektionsverseuchten Herdes" wieder los zu bekommen.

Landrat Klaus Michael Rückert lehnte dies mit Verweis auf den so nicht zu leistenden Aufwand ab. Sorge bereiteten Ruf auch diejenigen, die die Corona-Gefahren herunterspielten oder sogar leugneten. Ansonsten sei es aber so, dass die Einschränkung von Grundrechten, aber nicht die Rücknahme derselben, einer Begründung bedürfe. "Genauso wie es Corona-Leugner gibt, gibt es auch Corona-Fetischisten", so Rückert dazu. Die Wahrheit in der Einschätzung der realen Gefahr liege vermutlich, wie so oft, in der Mitte.

Julian Osswald (CDU) bat um eine Pressemeldung des Landratsamts, in der klargestellt werde, dass beim Einkauf auch mit Maske Abstandsregeln einzuhalten sind. Er habe den Eindruck, dass dies nicht jedem klar sei. Das wurde zugesagt.

Viviana Weschenmoser (SPD) erkundigte sich nach Reaktionen der Lehrer auf den digitalen Unterricht. Reaktionen habe es bisher nur von Eltern gegeben, und die seien völlig unterschiedlich, je nach Art der Wissensvermittlung durch den jeweiligen Lehrer. Weschenmoser regte an, praktische digitale Strukturen auch nach Corona im Unterricht beizubehalten und das Thema deshalb zu evaluieren.

Wolf Hoffmann (Grüne) betonte, dass die Abstandsregeln nach seiner Beobachtung zwar in den Schulen, aber nicht an den Bushaltestellen funktionierten. Die Effekte einer von ihm angeregten Markierung hält Rückert aber für fraglich. Hier müsse man auch an die Vernunft appellieren.

Ernst Wolf (FDP) zollte Lob. Er habe sich in den vergangenen Wochen im Landkreis "sehr gut aufgehoben gefühlt". Man habe hier auch viel schneller und intensiver getestet als anderswo und deshalb nicht zum statistischen Chaos und zu Verzögerungen beigetragen. Den Kontakt mit dem Gesundheitsamt habe er nach einer Infektion in seinem Betrieb als "sehr pragmatisch und vernünftig" erlebt, berichtet er.

Auf Frage von Bärbel Altendorf-Jehle (Frauenliste) wurde beim Beratungsbedarf wegen häuslicher Gewalt eine Zunahme bestätigt.