In einer "Stroke Unit" werden Schlaganfallpatienten optimal behandelt und versorgt. Foto: Warmuth

Schock-Studie des SWR zeigt Probleme im Landkreis Freudenstadt auf. Landratsamt widerspricht Klinik-Check.  

Kreis Freudenstadt - Schock-Studie des SWR: Im Landkreis Freudenstadt ist das Todesrisiko bei Schlaganfall angeblich so hoch wie sonst nirgends im Land. Das Landratsamt widerspricht: Es gebe bei der Sterblichkeitsrate bei Schlaganfällen keine Auffälligkeiten.

Im Klinik-Check haben die SWR-Rechercheure landesweit die Daten des Bundesamtes für Statistik ausgewertet und auf die Bevölkerung heruntergerechnet. Das Ergebnis: Im Landkreis Freudenstadt liegt die Sterblichkeitsrate bei Schlaganfall um 36 Prozent über dem Bundesdurchschnitt.

Und diese Daten dürften sehr valide sein. Als Quelle beruft sich der SWR auf die Todesursachenstatistik der Statistischen Landesämter. Dazu hat er eigene Fragebögen verschickt. Redakteur Martin Weber vom SWR-Studio Tübingen hat die Lage im Landkreis Freudenstadt recherchiert. Er sagt: "Freudenstadt hat landesweit die höchste Mortalitätsrate bei Schlaganfallpatienten."

Auffällig sei, dass zwar das Landesgesundheitsministerium für Freudenstadt eine "Stroke-Unit" nennt, die Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt (KLF) auf Nachfrage aber erklärten, dass man keine habe. Dort heiße es: "Wir behandeln nur leichte Fälle. Schwere Fälle schicken wir nach Tübingen."

Eine "Stroke Unit" ist eine von den Medizin-Experten der Deutschen Schlaganfallhilfe zertifizierte Spezialstation zur optimalen Behandlung von Schlaganfall-Patienten.

Das Fehlen einer "Stroke Unit" könnte in sofern dramatische Folgen haben, weil es beim Schlaganfall darauf ankommt, so schnell wie möglich eine qualifizierte Behandlung zu bekommen. Weil durch den Schlaganfall Teile des Gehirns nicht mehr richtig mit Sauerstoff versorgt werden und so mit jeder Minute das Risiko steigt, dass Teile des Gehirns ihre Funktion verlieren.

Weil der Landkreis Freudenstadt ohnehin weite Wege hat, dürfte die Zeit, ehe ein Schlaganfall-Patient in der "Stroke-Unit" in Tübingen landet, noch länger sein.

Fakt ist auch: Im Umkreis des Landkreises Freudenstadt hat Tübingen die einzige überregionale "Stroke-Unit". Calw ist nicht klassifiziert, in der Stadtklinik Baden-Baden sowie im Kreiskrankenhaus Rastatt gibt es eine lokale spezialisierte Schlaganfall-Spezialstation. Südlich ist der nächste Anlaufpunkt die Helios-Klinik Rottweil. Oder man fährt nördlich nach Sindelfingen.

Das heißt für einen Schlaganfallpatienten in Freudenstadt: Nach Rottweil sind es 50 Minuten Fahrzeit, Sindelfingen 60 Minuten, Rastatt 69 Minuten, Baden-Baden 66 Minuten. Und nach Tübingen sind es auch 50 Minuten Fahrzeit.

Da stellt sich schon die Frage, warum es im Krankenhaus in Freudenstadt keine zertifizierte Stroke-Unit gibt.

Der Landkreis will zunächst einmal die genaue Datengrundlage haben. Landkreissprecherin Sabine Eisele gibt auch im Namen der Krankenhausleitung folgendes Statement ab: "Der Landkreisverwaltung und der KLF sind die Zahlen der SWR-Umfrage bekannt. Diese Zahlen behaupten, dass die Sterblichkeit von Menschen mit Wohnsitz im Landkreis Freudenstadt bei Schlaganfallerkrankungen überdurchschnittlich hoch sei. Wir können uns diese Zahlen, ihr Zustandekommen und das Ergebnis ohne weitere Erläuterungen zur Datengrundlage nicht erklären. Diese Erläuterungen haben wir gestern beim SWR erbeten, der SWR wollte uns diese jedoch erst nach Veröffentlichung des Klinik-Checks zur Verfügung stellen. Sollte der SWR uns seine Datengrundlagen zur Verfügung stellen, sind wir gerne bereit, diese zusammen mit allen Beteiligten, wie niedergelassenen Ärzte, Krankenkassen und auch den Fachleuten aus unserem Krankenhaus, zu analysieren."

Eisele schreibt weiter: "Gestern wurde uns vom SWR bestätigt, dass sich die Sterblichkeitszahlen auf Menschen mit Wohnsitz im Landkreis Freudenstadt beziehen. Dies bedeutet, dass auch Todesfälle von Einwohnerinnen und Einwohnern aus dem Landkreis, die sich außerhalb des Landkreises (beispielsweise in anderen Kliniken) ereigneten, mit erfasst sind. Der zum Thema recherchierende Journalist des SWR hat im Gespräch mit der Kreisverwaltung bestätigt, dass von diesen Zahlen keine direkten Rückschlüsse auf die Arbeit des Krankenhauses Freudenstadt gezogen werden können, da sie keine Aussage darüber enthalten, ob überhaupt eine Behandlung erfolgte und, wenn ja, wo diese vorgenommen wurde."

Die Qualitätsfrage des Krankenhauses Freudenstadt stehe im Moment nicht zur Diskussion, so die Landkreissprecherin: "Im Krankenhaus Freudenstadt werden Patienten mit Schlaganfallerkrankungen gut versorgt. Rund um die Uhr sind Internisten anwesend, die die Schlaganfallversorgung federführend organisieren. Ebenso verfügt die KLF am Krankenhaus Freudenstadt über mehrere Neurologen. Diese sind zu den Zeiten des Regeldiensts im Krankenhaus anwesend. Außerhalb dieses Regeldienstes ist immer ein Neurologe telefonisch erreichbar und im Bedarfsfall spätestens 30 Minuten nach Alarmierung im Krankenhaus persönlich anwesend. Die Versorgung von Schlaganfällen im Krankenhaus Freudenstadt weist keinerlei Auffälligkeiten bei der Sterblichkeitsrate (Todesfälle bei Schlaganfall im Verhältnis zu sämtlichen im Krankenhaus Freudenstadt behandelten Schlaganfallerkrankungen) auf. Auch in diesem Bereich erfolgt eine externe Auditierung, die bis heute zu keinen negativen Feststellungen führte (...)."

Kreisrat Wolfgang Kronenbitter: "Ich gehe davon aus, dass die KLF zu den Ergebnissen der SWR-Recherche Stellung nimmt und sich dann auch der Aufsichtsrat mit diesem Thema eingehend befasst. Interessant ist, dass die private Helios-Klink in Rottweil die aus Freudenstadt nächste Schlaganfall-Spezialstation anbietet".

Laut Martin Weber ist die in Freudenstadt vorgehaltene Schlaganfall-Einheit die geringste Stufe der medizinischen Versorgung. Eine "Stroke-Unit", die von der Deutschen Schlaganfallhilfe und damit von den Top-Medizin-Experten Deutschlands zertifiziert ist, werde hier nicht vorgehalten.

Laut SWR-Redakteur Weber habe Freudenstadts Landrat Klaus Michael Rückert (CDU) im Interview gesagt, dass der Landkreis Freudenstadt einen hohen Altersdurchschnitt bei der Bevölkerung habe. Weber dazu: "Die Daten wurden so aufbereitet, dass der Altersdurchschnitt bereinigt wurde."