Foto: Altanaka/ Fotolia.com

Malteser Hilfsdienst Freudenstadt gründet besondere Betreuungsgruppe für Kinder und Jugendliche.

Kreis Freudenstadt - Was, wenn ein Elternteil oder ein Geschwister stirbt? Der Malteser Hilfsdienst Freudenstadt bietet jetzt Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche an. Wir sprachen mit den Initiatoren über die neue Gruppe und die grundsätzliche Frage, wie Kinder mit Tod und Trauer überhaupt umgehen.

Frau Schmidt, wie erklärt man Kindern, was der Tod ist?

Das kommt auf das jeweilige Alter an. Wichtig ist, dass die Antworten altersgerecht sind, außerdem klar, offen und ehrlich. Man darf Kinder nicht anlügen, sie merken das sofort. Das verunsichert sie. Außerdem sollte man auch nicht sagen: "Der Opa ist eingeschlafen." Das geht gar nicht. Denn wer schläft, steht ja am nächsten Morgen wieder auf. So was kann Ängste auslösen mit dem Ergebnis, dass Kinder dann nicht mehr ins Bett gehen wollen, wenn sie schließlich nicht mehr wissen, ob sie am nächsten Morgen überhaupt noch sind. Man sollte den Kindern außerdem nie mehr erklären, als sie von sich aus fragen. Denn Kinder fragen immer so viel, wie sie verdauen können. Das ist tatsächlich so.

Können Kinder mit dem Thema umgehen?

Kinder wissen, was es bedeutet, Abschied zu nehmen. Sie wissen, dass der Sommer geht, aber auch, dass nach dem Winter wieder der Frühling kommt, und auf die Nacht der Tag folgt. Sie wissen auch, dass sie im Kindergarten zwar alleine sind, aber die Eltern sie ja wieder abholen. Was ein "Abschied für immer" bedeutet, dass da einer nicht mehr kommt, da wird es schwieriger. Je älter sie sind, desto mehr ähnelt ihr Bewusstsein dafür dem eines Erwachsenen. Aber jedes Kind kann den Verlust spüren. Je enger das Verhältnis zur Person ist, die stirbt, desto intensiver ist das Verlustgefühl.

Trauern Kinder anders als Erwachsene?

Jeder Mensch trauert individuell, und jedes Kind trauert anders. Kinder lassen nur so viel Trauer zu, wie sie ertragen können. Dabei können Phasen abwechseln. Grade können noch Wut und Aggression da sein, und im nächsten Moment toben und lachen sie schon wieder. Sie lassen nur so viel Traurigkeit zu, wie sie aushalten können.

Wie sollte man Ihrer Meinung nach überhaupt mit Trauer umgehen?

Unsere Erfahrung ist, dass heutzutage wichtige Rituale verloren gegangen sind, die helfen, mit Trauer umzugehen. Nachbarn und Freunde ziehen sich plötzlich zurück und gehen auf Distanz, einige wechseln sogar die Straßenseite, weil sie nicht mehr wissen, wie sie mit Trauernden umgehen sollen. Früher wurden die Toten zu Hause aufgebahrt, und jeder konnte kommen, um Abschied zu nehmen. Die Menschen trugen ein Jahr lang Trauerkleidung. Jeder konnte daran sehen, in welcher Lebensphase sich das Gegenüber befand. Heute versuchen viele, möglichst schnell wieder in den Alltag zurückzukehren. Das ist schade. Kinder darf man jedenfalls nicht alleine lassen mit ihrer Trauer. Auch kann es sein, dass ihre Trauerreaktionen erst viel später spürbar sind. Man muss ihnen zuhören und ihre Fragen beantworten.

Was gab den Anstoß, die Gruppe zu gründen?

Weil es sie in dieser Form im Kreis Freudenstadt noch nicht gibt. Aus unserer Erfahrung aus dem Kinder- und Jugendhospizdienst wissen wir aber, dass der Bedarf dafür da ist.

Wie viele Fälle pro Jahr gibt es im Kreis, in denen Kinder einen Elternteil verlieren oder selbst sterbenskrank sind?

Im Kreis Freudenstadt gibt es schätzungsweise rund 70 bis 80 Familien, die betroffen sind. Viele kennen unser Angebot aber gar nicht oder trauen sich nicht, es anzunehmen. Dabei kann unser Dienst in der Familie ja auch mit der Genesung des Schwerkranken enden.

Wie erleben Sie Kinder und Jugendliche, die wissen oder spüren, dass sie vielleicht nicht mehr lange leben?

Sie wissen das oft schon lange vor ihren Eltern und kämpfen ihretwegen ums Überleben. Aber das kann man nicht pauschal sagen. Je jünger sie sind, desto weniger Angst haben sie in der Regel vor dem Tod. Sie begreifen die Tragweite auch noch nicht richtig. Aber sie spüren es. Kinder haben so unglaublich feine Antennen, das ist einfach unglaublich.

Sie erklären, der Tod eines Kinds sei eine existenzielle Krise für jede Familie. Wie kann man verhindern, dass sie daran zerbricht?

Das ist eine echte Herausforderung. Männer und Frauen gehen oft völlig verschieden mit ihrer Trauer um. Wichtig ist, im Gespräch zu bleiben und Hilfsangebote anzunehmen, gerade für verwaiste Elternteile. Es ist wichtig, die Trauer zu verarbeiten.

Jeden Tag Trauer – wie verkraften Sie das selbst?

Das kann ich gar nicht so beantworten. Man muss schon auf die Selbstpflege achten. Aber mein Herz hängt an meiner Arbeit. Seit ich sie tue, lebe ich bewusster und intensiver.

Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?

Ja. Ich glaube an Gott und weiß, dass es nach dem Tod weitergeht.

Seite 2: Info

Den Kinder- und Jugendhospizdienst des Malteser Hilfsdiensts Freudenstadt gibt es seit 2012. 24 ehrenamtliche Helfer leisten derzeit ambulante Dienste in den Familien. Diana Schmidt ist Leiterin und Koordinatorin. Derzeit sind die Maltester dabei, den Dienst auch in den Landkreisen Rottweil und Calw aufzubauen. Der Dienst unterstützt Familien, die von schwerer oder unheilbarer Krankheit, Sterben und Tod eines Mitglieds betroffen sind, ob Kind oder Elternteil. Die ehrenamtlichen Helfer kümmern sich dann um die gesunden Kinder, deren Bedürfnisse oft zu kurz kommen. Der Helfer kommt einmal wöchentlich in die Familie, übernimmt beispielsweise die Hausaufgaben-Betreuung, geht mit dem Kind ins Schwimmbad oder übernimmt Fahrdienste.

Das neue Angebot Kinder- und Jugendtrauerbegleitung baut darauf auf und leistet Hilfe in den Fällen, wenn ein Elternteil oder ein Kind tatsächlich stirbt. Die Leitung hat die ausgebildete Trauer-Begleiterin Sonja Müller. Es gibt eine Trauergruppe für Kinder von sechs bis zwölf Jahren und eine Jugendgruppe ab zwölf Jahren. Familien können das Angebot kostenlos nutzen, unabhängig von Nationalität, Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung. Der Malteser Hilfsdienst ist auf Spenden angewiesen und sucht Förderer.

 Kontakt:

Telefon 07441/ 9 15 05 95, E-Mail kinderhospiz@malteser-freudenstadt.de und kindertrauer@malteser-freudenstadt.de sowie www.malteser-freudenstadt.de.