Probleme nach der Schwangerschaft: Manche Frauen sind nach der Geburt überfordert und brauchen Betreuung. Foto: dpa

Kreisbehörde stellt Jahresbericht vor: Immer mehr Kinder müssen aus ihrer Familie geholt werden.

Freudenstadt - "Die Fallzahlen im Jugendamt gehen immer weiter nach oben" – mit diesen Worten eröffnete Charlotte Orzschig, Leiterin des Jugendamts, ihren Jahresbericht vor dem Jugendhilfeausschuss des Kreistags. Sie stellt eine wachsende Unsicherheit von Eltern bei der Erziehung fest.

Im Kreis Freudenstadt sind 21,5 Prozent der Bevölkerung unter 20 Jahre alt und fallen damit in den Zuständigkeitsbereich des Jugendamts. Es gibt viele Problemlagen, aufgrund derer ein Kontakt zum Jugendamt entsteht. Das Jugendamt hat im vergangenen Jahr laut Planzahlen 13,8 Millionen Euro ausgegeben. Dies ist der Nettoaufwand – das, was der Landkreis effektiv zahlen muss, Zuschüsse von Bund oder Land sowie Eigenanteile der Eltern sind bereits herausgerechnet. Eine endgültige Abrechnung liegt allerdings noch nicht vor.

Die Zahl der Fälle, in denen Kinder aus ihren Familien geholt werden mussten, hat sich mehr als verdoppelt. 2013 waren es noch 20 Fälle, 2014 bereits 52. Die Jugendamtsleiterin Orzschig erklärt den dramatischen Anstieg damit, dass es "drei Spezialkandidaten" gegeben habe, die das Amt zum Teil mehr als zehn Mal in Obhut habe nehmen müssen. Dies passiert dann, wenn die Situation in der Familie anders nicht deeskaliert werden kann. Laut Orzschig sei aber auch ohne solche "Spezialkandidaten" weiterhin von einer Steigerung der Inobhutnahmen auszugehen. Die Verdachtsfälle der Kindeswohlgefährdung blieben hoch (2014: 261 Verdachtsfälle; 2013: 289). Der größte Teil – 247 – wurde von der Bevölkerung oder von Institutionen, zum Beispiel Kindertagesstätten, gemeldet.

Im Jahresbericht des Jugendamts heißt es anerkennend, dass die Bevölkerung aufmerksam und sensibel sei. Und dies zurecht: Bei 56 Verdachtsfällen, 21 Prozent aller überprüften Fälle, wurde tatsächlich eine Kindeswohlgefährdung festgestellt. Wenn sich die Familie dann der Hilfe verweigert, muss das Familiengericht angerufen werden. Das war bei acht Familien der Fall.

Insgesamt 229 Kinder, Jugendliche und junge Volljährige lebten im vergangenen Jahr nicht bei ihren Familien, sondern waren wie folgt untergebracht: 118 von ihnen lebten in Pflegefamilien, weil eine hinreichende Versorgung, Erziehung und Betreuung in der Herkunftsfamilie nicht gegeben war, und 111 in einem Heim oder einer anderen betreuten Einrichtung.

In 156 Familien waren sozialpädagogische Familienhilfen eingesetzt, die je nach Bedarf mehr oder weniger oft in die Familie gehen – sie helfen dabei, Erziehungsprobleme zu bewältigen, familiäre Krisen und Alltagsprobleme zu lösen, bevor die Situation so weit eskaliert, dass Kinder aus der Familie genommen werden müssen. In den 156 betreuten Familien lebten 261 Kinder (1,7 Kinder im Schnitt). Noch bevor Hilfen zur Erziehung genehmigt werden, können sich Eltern beraten lassen – 747 solche frühen Beratungen gab es (Vorjahr: 810). Im Bericht heißt es: "Die in den letzten Jahren hohe Anzahl an Beratungen bei Erziehungsfragen hängt mit einer allgemeinen Erziehungsunsicherheit von Eltern zusammen."

In sechs Fällen waren Mütter mit ihrem Neugeborenen so stark überfordert, dass sie in eine stationäre, betreute Wohnform aufgenommen wurden, um eine Gefährdung des Säuglings zu verhindern. Im Landkreis leben laut Orzschig immer mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. "Wir haben gerade welche, die wir nicht unterbringen können", sagt sie. Um diesem Problem zu begegnen, versuche das Amt, mehr Pflegeeltern im Landkreis zu finden.

Kinder mit seelischer Behinderung erhalten einen Schulbegleiter. Auffällig ist die gestiegene Zahl an Kindern mit Asperger-Autismus, heißt es im Jugendamtsbericht. 2010 seien 14 Kinder vom Asperger-Autismus betroffen gewesen, im vergangenen Jahr waren es schon 24.

2014 registrierte die Jugendgerichtshilfe 866 Verfahren gegen Jugendliche aus dem Landkreis Freudenstadt.