Ein Kind versucht, sich vor der Gewalt eines Erwachsenen zu schützen. (Symbolfoto) Foto: (dpa)

Kinder und Jugendliche von Einschränkugnen betroffen. "Gehen jedem Hinweis nach." 

Kreis Freudenstadt - Geschlossene Schulen und Kitas, Kontaktverbote, gestresste Familien: Von den Einschränkungen im Zuge des Coronavirus sind auch viele Kinder und Jugendliche im Kreis betroffen. Darauf weist das Jugendamt hin – und appelliert, beim Thema Kindeswohl genau hinzuschauen.

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"Zwar schweißt die Corona-Lage viele Familien zusammen. Eltern und Kinder verbringen mehr Zeit miteinander. Aber es kann auch passieren, dass Konflikte jetzt schneller eskalieren und Kinder Gewalt oder Verwahrlosung erleben", wird die Leiterin des Jugendamts, Angelika Klingler, in einer Pressemitteilung des Landratsamts zitiert.

Ein besonderes Risiko gebe es in Familien, in denen psychische Erkrankungen oder Suchtprobleme eine Rolle spielten. "Klar ist: Das Jugendamt ist auch weiterhin voll erreichbar. Wir gehen jedem Hinweis nach", betont Klingler. Über das bundesweite Elterntelefon (0800/ 111 05 50) oder die "Nummer gegen Kummer" für Kinder und Jugendliche (11 61 11) sowie die Familienberatungsstelle Freudenstadt (07441/ 920 60 70) können sich Eltern, Kinder und Jugendliche melden, die von der aktuellen Situation überfordert sind und einen Ansprechpartner brauchen. Wer den Verdacht hat, dass Familien Hilfe brauchen, Kinder leiden oder Angst vor ihren Eltern haben, kann sich an die Mitarbeiter des Sozialen Dienstes des Jugendamts (07441/920 60 01) wenden.

Es sei jedoch unbedingt zum "Double-Check" zu raten: Kreischende Geschwister, Getrampel auf dem Boden oder laute Musik in der Nachbarwohnung seien noch lange kein Hinweis auf eine Kindeswohlgefährdung. "Aber wenn die Kinder selbst um Hilfe rufen oder die Eltern sagen: ›Ich pack‘s nicht mehr‹, dann sollte man das Jugendamt einschalten – oder im äußersten Fall die Polizei", macht Klingler deutlich.

Neue Herausforderungen

Die Corona-Pandemie stelle auch das Jugendamt selbst vor neue Herausforderungen. So seien Sozialarbeiterinnen vorwiegend und Familienhelfer immer getrennt unterwegs, um die Infektionsgefahr zu minimieren, berichtet Klingler. Auch Schutzmasken oder Handschuhe seien wichtig. "Entscheidend ist, dass der Kontakt zu Familien, die bereits vom Jugendamt betreut werden, nicht abreißt. Wo das Kindeswohl einmal in Gefahr war, gehen wir auch jetzt regelmäßig in persönlichen Kontakt mit den Familien, um sicherzustellen, dass es den Kindern gut geht."

Allerdings kämen jetzt vermehrt elektronische Medien zum Einsatz. Es werde dabei individuell und regelmäßig neu entschieden, ob ein persönlicher Kontakt notwendig sei oder ein telefonischer Kontakt vorerst ausreiche. Um bei den Hausbesuchen die Infektionsgefahr möglichst gering zu halten, gehe das Jugendamt auch neue Wege. So kämen nun neue Medien wie Video-Chats zum Einsatz, oder anstatt des Hausbesuchs fänden die Kontakte im Freien statt, um den nötigen Sicherheitsabstand einzuhalten.

Bislang sei allerdings noch unklar, ob die Corona-Krise zu deutlich mehr Notrufen beim Jugendamt Freudenstadt führe. "Statistisch gesehen, waren es in den letzten Jahren vor allem die Polizei, Helfersysteme wie Familienhelfer oder nahestehende Personen, welche die meisten Notrufe abgesetzt haben. Der Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen hat sich durch die veränderten Lebensbedingungen gewandelt. Durch das engere Beisammenleben im häuslichen Umfeld könnte es aber zu mehr Meldungen von Nachbarn, Verwandten oder Bekannten kommen", so das Jugendamt Freudenstadt.

Im vergangenen Jahr bekam das Jugendamt Freudenstadt 388 Hinweise auf mögliche Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen. Das Jugendamt kümmert sich der Mitteilung zufolge um jeden einzelnen Fall. Bei 84 Fällen wurde 2019 eine Gefährdung festgestellt. 25 Fälle stuften die Mitarbeiter 2019 als so alarmierend und schwerwiegend ein, dass sie die Kinder und Jugendlichen aus Familien herausholen mussten, um sie zu schützen.

In der aktuellen Krise werde besonders deutlich, wie wichtig die Arbeit der Jugendämter sei, sagt Klingler. "Der Kinderschutz leistet eine unverzichtbare Aufgabe in der Gesellschaft – so wie etwa auch die Krankenhäuser, die Polizei und die Feuerwehr. Auf das Jugendamt ist auch weiterhin Verlass."