Kurz vor Mitternacht noch einen Ladenbesitzer darüber informieren, dass er am nächsten Tag nicht öffnen darf? Kaum möglich. Foto: dpa

Kommunen erhalten Regelwerk teils erst nach Inkrafttreten. Nachtschichten in Rathäusern.

Kreis Freudenstadt - Stell dir vor, es herrscht Ausnahmezustand und keiner sagt dir, was zu tun ist - so ähnlich erging es in den letzten Tagen vielen Stadt- und Gemeindeverwaltungen. Denn die beiden Corona-Verordnungen der baden-württembergischen Landesregierung ließen - gelinde gesagt - auf sich warten. Einer, der seinem Unmut auf Instagram Luft gemacht hat, ist Freudenstadts Oberbürgermeister (OB) Julian Osswald.

"Die Verordnung, die um 0:00 Uhr in Kraft tritt und die wir Kommunen überwachen sollen, haben wir um 22.47 Uhr bekommen!", postete der merklich angesäuerte OB. Dabei hatte es die Verordnung vom Freitag durchaus in sich, beinhaltete sie unter anderem doch die weitgehende Schließung von Geschäften, Bars und Restaurants. Ausgenommen sind lediglich Lebensmittelhändler und Gastronomiebetriebe mit Straßenverkauf, beziehungsweise Lieferservice.

Doch wie kommuniziert man einem Einzelhändler oder Gastronomen mitten in der Nacht, dass er am nächsten Morgen nicht mehr öffnen darf? "Gar nicht", meint Osswald trocken. "Um diese Zeit erreichen Sie eigentlich niemanden mehr." Da könne man höchstens noch versuchen, örtliche Interessensverbände zu informieren und am nächsten Morgen prüfen, ob jemand trotz Verbot geöffnet habe. Nichtsdestotrotz habe die Verwaltung ihr Bestes gegeben, um noch in der Nacht möglichst viele in Kenntnis zu setzen und die Weichen zu stellen. Geholfen habe, dass das Ganze für die meisten Gewerbetreibenden nicht überraschend gekommen sei. "Diese Schritte waren absehbar", sagt Osswald. Zudem hätten auch Verbände wie der DEHOGA ihre Mitglieder vorbildlich auf dem Laufenden gehalten.

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Doch nicht nur DEHOGA und Co. waren aktiv: Nicht zuletzt hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann selbst in einer Pressekonferenz am Nachmittag die weitreichenden Maßnahmen angekündigt. Nur: Zu diesem Zeitpunkt existierte die entsprechende Verordnung noch lange nicht und eine Pressemitteilung ist für eine Kommune nun mal kein Handlungsleitfaden. Und genau da liegt für Osswald der Hund begraben. "Es wäre gut gewesen, die Verordnung nicht erst nach der Pressekonferenz des Ministerpräsidenten vorzubereiten, sondern parallel dazu." Er wisse um die Schwierigkeit, eine juristisch wasserdichte Verordnung auf die Beine zu stellen, betont Osswald. "Das schüttelt man nicht eben so aus dem Ärmel." Auch sei er sich der Ausnahmesituation mitten in der Corona-Pandemie bewusst. "Ich kritisiere weder die Menschen, die dort arbeiten, noch die Arbeit an sich. Aber für uns als Kommune wäre es einfach besser gewesen, wenn zwischen Zustellung und Inkrafttreten der Verordnung noch ein Tag dazwischen gewesen wäre."

Empfinger Bürgermeister wettet auf Facebook mit Bürgern

Das hätte wohl auch Ferdinand Truffner begrüßt. Der Empfinger Bürgermeister versüßte sich das stundenlange Warten auf die jüngste Verordnung nun mit einer Wette. Er postete auf der Facebook-Seite seiner Gemeinde folgendes: Gemeinde Empfingen "...ist mal frech und wettet eine Kiste #bier (egal welcher Marke - ob Brauerei Schimpf, Alpirsbacher Klosterbräu oder Hochdorfer), dass das Land Baden-Württemberg die Vereinbarungen mit dem Bund wieder um 23:25 Uhr "zumailt" und diese dann ab 0:00 Uhr gelten sollen - es lebe die deutsche Bürokratie." Der Post endet mit einem Zwinker-Smiley und der Frage: "Wer hält dagegen?"

Offenbar niemand. Denn am Montag postet Truffner die Auflösung: "PS.: Eingang um 00:38 Uhr - da bleibt das Bier wohl im Rathaus."

Auf offiziellem Weg hätte die Corona-Verordnung übrigens auch das Freudenstädter Rathaus nicht vor Mitternacht erreicht, bestätigt Osswald. Die Mail der Landesregierung habe man ebenfalls erst erhalten, als die Verordnung offiziell bereits in Kraft gewesen sei.